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Abwärtstrend oder Hoffnungsschimmer? Eurobarometer 2023-Ergebnisse im Fokus

Eurobarometer 2023 Symbolbild

Ab heute sind es nur noch sechs Monate bis zur nächsten Wahl des Europäischen Parlamentes. Wie auch bei der letzten Wahl wird ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Termin das entsprechende Eurobarometer veröffentlicht. Warum wählen die Bürgerinnen und Bürger in der EU und was treibt die Menschen in Deutschland zur Wahlurne? Die Umfrage möchte dies näher ergründen und wir bei obiaushv.de präsentieren einige Ergebnisse, zeigen aber auch Schwächen der Befragung auf. Insgesamt wurden in allen Mitgliedsstaaten 26.523 Menschen befragt. Die Befragung lief in Deutschland vom 28. September bis zum 19. Oktober 1. Die Verian Research Agency führte im Auftrag des Europäischen Parlamentes das Herbst-Eurobarometer 2023 durch.

Zur Wahl des Parlamentes sollte man sich in Deutschland den 9. Juni 2024 vormerken. In der EU selbst gibt es kein einheitliches Wahldatum, was an den nationalen Regelungen liegt. Deutschland und weitere zwölf Länder ermöglichen aktuell, die Stimmabgabe per Brief.  In das Europäische Parlament sollen 720 Abgeordnete gewählt werden, bisher sind es 705. Rein wahltechnisch handelt es sich bei der Europawahl im Übrigen um 27 nationale Wahlen. Für die Sicherheit der Wahl sind insbesondere die jeweiligen Länder zuständig. Bei der letzten Wahl 2019 gab es eine deutliche Steigerung bei der Wahlbeteiligung in Deutschland. Besonders die jungen Menschen nutzten ihr Wahlrecht und die Beteiligung stieg auf 50,6 Prozent an. Zuvor ging die Wahlbeteiligung immer weiter zurück. 

70 Prozent denken, Deutschland profitiert von der EU

Von den befragten Deutschen gaben 70 Prozent an, dass die Bundesrepublik Deutschland von einer EU-Mitgliedschaft profitieren würde. Bei der Befragung im Jahr 2022 waren dies 71 Prozent. Der Durchschnittswert für die EU liegt bei 72 Prozent und ist damit sogar noch etwas höher als hierzulande. Auffällig ist, dass die Menschen über 55 Jahre deutlich skeptischer sind. In dieser Altersgruppe sehen nur 67 Prozent einen Vorteil für Deutschland in der Mitgliedschaft. Die größte Skepsis herrscht jedoch bei der Altersgruppe von 40 bis 54 Jahre, hier sehen nur 65 Prozent einen Vorteil und 31 Prozent denken, Deutschland habe keinen Vorteil. Die Zustimmung ist bei eher linken Personen mit 83 Prozent am höchsten und bei Rechten mit 52 Prozent am niedrigsten.

In Deutschland wurden insgesamt 1.532 Menschen persönlich befragt. Nur in Dänemark, Malta, Finnland und Tschechien erfolgte die Befragung computergestützt (per Video). Seit einigen Jahren glauben immer mehr Menschen an einen Vorteil durch die EU-Mitgliedschaft. Im Jahr 2010 glaubten nur 50 Prozent der Befragten an einen Vorteil, seit 2020 sind es konstant 72 Prozent.

Besonders interessant ist, womit die Menschen die Europäische Union verbinden. In Deutschland werden besonders Demokratie (56 %) und Rechtsstaatlichkeit (40 %) mit der EU in Verbindung gebracht. EU-weit wird der Staatenverbund ebenfalls mit Demokratie (38 %) assoziiert, gefolgt vom »Schutz der Menschenrechte in der EU und weltweit« und der »Rede- und Meinungsfreiheit« (jeweils 27 %).

Präsidentin des Europäischen Parlamentes: „Umfrage zeigt, dass Europa wichtig ist“

Die Präsidentin des Europäischen Parlamentes Roberta Metsola 2 sagte über die Ergebnisse der Umfrage: „Diese Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass Europa wichtig ist. In diesem schwierigen geopolitischen und sozioökonomischen Kontext vertrauen die Bürgerinnen und Bürger darauf, dass die Europäische Union Lösungen findet. Die große Mehrheit der Europäerinnen und Europäer glaubt, dass sich die Maßnahmen der EU positiv auf ihr tägliches Leben ausgewirkt haben.“

Präsidentin Roberta Metsola fügte hinzu: „In den letzten fünf Jahren haben wir zugehört. Und das Europäische Parlament hat geliefert. Wir kämpfen gegen Armut, soziale Ausgrenzung und den Klimawandel. Wir kämpfen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Verteidigung der Werte der EU wie Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit.“
„Aber Demokratie ist nie selbstverständlich. Wir müssen sie schützen und bewahren, indem wir unsere Stimme abgeben. Jede Stimme bei der bevorstehenden Europawahl zählt.“

In der Umfrage äußerten 73 % der Befragten 3 die Befürchtung, dass sich ihr Lebensstandard im kommenden Jahr verschlechtern könnte – ein Rückgang um sechs Prozentpunkte im Vergleich zum Frühjahr 2023. Mehr als ein Drittel der europäischen Bevölkerung (37 %; in Deutschland 28 %) gibt an, gelegentlich oder häufig Probleme zu haben, ihre Rechnungen zu begleichen. Im Hinblick auf die Europawahl 2024 besteht bei der Mehrheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger (53 %; in Deutschland ebenfalls 53 %) der Wunsch, dass das Europäische Parlament zukünftig eine bedeutendere Rolle spielen soll. Diese Ansicht wird in 21 der EU-Mitgliedstaaten von der Mehrheit geteilt.

Junge Deutsche stehen zur EU

Die Befragung zeigt, dass insbesondere junge Menschen ein positives Verhältnis zur Europäischen Union haben. Wichtig waren für Teilnehmende in dem Altersbereich 15 bis 24 Jahre besonders der Umweltschutzgedanke, was in der EU aus ihrer Sicht mehr Priorität erhalten sollte (46 %). In der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahre sehen 84 Prozent einen Vorteil für Deutschland durch die EU-Mitgliedschaft, nur 12 Prozent glauben dies nicht. Bei der Europawahl sind in Deutschland erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt. Das Wahlalter ist jedoch nicht in allen Mitgliedsländern gleich und richtet sich nach den jeweiligen nationalen Vorgaben.

Allgemein sind in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Themen wichtig. Zwischen vielen Ländern gibt es dabei dennoch Überschneidungen, nur Deutschland steht mit der Bevorzugung der Thematik »Demokratie und Rechtsstaatlichkeit« komplett allein dar. Nur in Malta sind zwei Themen gleich prägend (»Maßnahmen gegen den Klimawandel« und »Gesundheitswesen«). Für Finnland und Tschechien ist »Die Verteidigung und Sicherheit der EU, einschließlich des Schutzes der EU-Außengrenzen« am prägendsten.

EU steht für Frieden

Egal, ob die Menschen einen Vorteil in der EU sehen oder nicht, wurden sie gefragt: „Welche der folgenden Gründe sind […] die Hauptgründe dafür, weshalb Menschen glauben, dass Deutschland durch die Mitgliedschaft in der EU Vorteile hat?“ Von den Befragten hierzulande stimmten jeweils 43 Prozent für „Die EU trägt zur Erhaltung des Friedens und zur Stärkung der Sicherheit bei“ und „Die Mitgliedschaft in der EU verbessert die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den anderen Ländern der EU“.

In Deutschland steige die Unzufriedenheit

In Deutschland gaben die Befragten an, die Unzufriedenheit sei im Vergleich zum März 2023 gestiegen. Insbesondere die Frage nach der Entwicklung hierzulande wird negativer beantwortet. Nur noch 28 Prozent glauben, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln, während 58 Prozent das Gegenteil angeben, was einer Steigerung von elf Prozentpunkten entspricht.

Subjektive Einschätzungen zur politischen Zugehörigkeit

Die Befragung mag sicherlich auf viele Fragen eine Antwort geben und zeigt bereits einige Zusammenhänge auf. Lediglich eine subjektive Einschätzung erfolgte zum Thema politisches Lager, die Befragten sollten angeben, ob sie sich politisch eher rechts, links oder mittig befinden. Für jedes Mitgliedsland erfolgte eine Auswertung und gestern präsentierte man diese gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass die Einstufung nur subjektiv, also nach Angabe der Befragten erfolgte. Die Angabe der politischen Stellung wird damit bedauerlicherweise verwaschen.

Nicht alle mögen zudem in einer Befragung angeben, dass man eine rechte Partei wählt. Schwierig ist zudem immer die Teilnahme von Anhängern von rechtsnationalen oder rechtsextremen Parteien. Etwa Anhänger der AfD haben in der Vergangenheit bereits mehrfach Teilnahmen an Befragungen abgelehnt, was in der Vergangenheit Wahlvorhersagen erschwerte. Zusätzlich fragte man eben nicht nach der Wahlpräferenz, obwohl 41 Prozent angegeben haben, Menschen würden für eine bestimmte Partei zur Wahl gehen wollen. Dieser Aspekt sollte bei neuen Befragungen berücksichtigt werden.

Unterschiedliches Interesse an der Europawahl

In der EU ist das Interesse an der Wahl für das Europaparlament ziemlich unterschiedlich. Während in den Niederlanden 69 Prozent ein Interesse an der Wahl angaben, waren es in Tschechien nur 28 Prozent. Unter den westeuropäischen Ländern 4 bildet Frankreich beim Interesse mit 43 Prozent förmlich das Schlusslicht. Hierzulande liegt das Interesse bei den befragten Personen bei 65 Prozent. Nur in Polen, Malta und den Niederlanden liegt der Wert dezent höher. Der Durchschnittswert der 27 Staaten liegt bei 58 Prozent. In der folgenden Grafik sind alle weiteren Daten angegeben.

Viele Menschen halten Wahlen für eine Bürgerpflicht. Immerhin gaben dies in Deutschland 29 Prozent und EU-weit 36 Prozent an, als sie nach dem Grund zur Beteiligung bei der Europawahl gefragt wurden. Die generelle Teilnahme an einer Wahl gaben hierzulande 41 Prozent an.
Auf die Frage „Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass einige Menschen sich nicht an der Europawahl beteiligen?“, antworteten 47 Prozent mit, „Sie glauben, dass ihre Stimmabgabe nichts ändern wird“.

Quellen: Europäisches Parlament
Erweiterte Informationen:
Der Autor des Artikels war bei den entsprechenden Pressekonferenzen zugeschaltet und konnte Fragen stellen.
Die Umfrage durch das Europäische Parlament, Referat Beobachtung der öffentlichen Meinung, in Auftrag gegeben.

Korrektur der Grafik: Durch eine falsche Einstellung wurden bei der Grafik „Schwierigkeiten beim Bezahlen von Rechnungen“ die Prozente gestapelt. Wir bitten um Entschuldigung.

  1. EU-weit bereits ab dem 25. September[]
  2. Politikerin aus Malta, seit 2013 Mitglied des EP und seit 2022 Parlamentspräsidentin, Metsola ist die dritte Frau in diesem Amt | Partei: Partit Nazzjonalista (konservativ-christdemokratisch) – Teil der EVP-Fraktion[]
  3. Mitteilung der Pressestelle[]
  4. Definition nach UNSD — Methodology[]
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