Nach der chaotischen ersten Sitzung des neuen Thüringer Landtags hat sich der geschäftsführende Innenminister Georg Maier (SPD) für ein Verbotsverfahren gegen die AfD ausgesprochen. Maier kritisierte das Verhalten der AfD als „aggressiv kämpferisch gegen den Parlamentarismus“ und sieht darin die Voraussetzungen für ein Parteiverbot erfüllt. Der Auslöser war eine turbulente Sitzung, in der der AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler durch umstrittene Entscheidungen die parlamentarische Arbeit massiv behinderte. Nun wird der Thüringer Verfassungsgerichtshof angerufen, um die Vorgänge rechtlich zu prüfen.
Was es für ein AfD-Verbot benötigt und wie der Innenminister das begründet – im Artikel.
Innenminister Maier fordert AfD-Verbot
Nach den turbulenten Ereignissen im Landtag forderte Maier in einer Erklärung auf der Plattform X (ehemals Twitter) ein Verbot der AfD. „Die heutigen Ereignisse im Thüringer Landtag haben gezeigt, dass die AfD aggressiv, kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgeht“, schrieb Maier. Er argumentierte weiter, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbotsverfahren erfüllt seien, insbesondere der Aspekt der sogenannten „Potentialität“, die besagt, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung konkret gefährdet sein muss. Dies sieht Maier bei der AfD als gegeben an, ebenso die Missachtung der Würde des Menschen nach Artikel 1 des Grundgesetzes.
Bereits im Dezember 2023 hatte der SPD-Politiker über die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens nachgedacht und betont, dass die AfD schon länger gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoße, der die Würde des Menschen als unantastbar erklärt. Die jüngsten Entwicklungen hätten seine damaligen Bedenken nun bestätigt.
AfD blockiert parlamentarische Arbeit
Die chaotischen Szenen im Landtag entstanden, als der AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler seine Position nutzte, um wesentliche parlamentarische Abläufe zu behindern. Treutler ließ mehrfach weder Wortmeldungen noch Anträge der anderen Fraktionen zu und verhinderte eine Abstimmung über die Änderung der Geschäftsordnung, die von CDU, SPD, der Linkspartei und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gefordert wurde, so konnte die Beschlussfähigkeit des Landtags nicht überprüft werden. Ziel des Antrags war es, schlussendlich das Vorschlagsrecht für den Posten des Landtagspräsidenten zu verändern. Dieses stand bisher der größten Fraktion traditionell zu, was in Thüringen erstmals die AfD ist.
Die Anpassung würde es auch den anderen Fraktionen ermöglichen, einen Vorschlag einzubringen. Selbst, wenn das Vorschlagsrecht bei der AfD verbleiben würde, ergibt sich hier immer noch keine Pflicht der anderen Abgeordneten, diesem auch folgen zu müssen. Doch Treutler verweigerte eine Abstimmung über den Antrag und löste damit scharfe Proteste und verbale Auseinandersetzungen aus. Trotz mehrerer Unterbrechungen gelang es dem Parlament nicht, seine Beschlussfähigkeit festzustellen.
Verfassungsbruch und Klage vor dem Verfassungsgerichtshof
Juristische Experten sehen in Treutlers Verhalten einen klaren Verstoß gegen die Verfassung. Der Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena kritisierte, dass der AfD-Politiker nicht nur seine Kompetenzen überschritten, sondern auch die Rechte der Abgeordneten verletzt habe. Maximilian Steinbeis, ein weiterer Verfassungsrechtler, sprach im WDR davon, dass Treutler „die Verfassung gebrochen“ habe.
Die CDU-Fraktion reagierte auf die Vorfälle, indem sie den Thüringer Verfassungsgerichtshof anrief. Sie argumentiert, dass Treutler durch sein Verhalten die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten massiv beschnitten habe. Andreas Bühl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, erklärte, dass die CDU nun „zum letzten Mittel“ gegriffen habe, um die chaotische Situation zu klären.
Der Verfassungsgerichtshof soll kurzfristig entscheiden, ob die Abgeordneten des Landtags eine neue Geschäftsordnung einführen dürfen. Eine Entscheidung wird innerhalb von 24 Stunden erwartet. Der Fortgang der konstituierenden Sitzung ist für Samstag geplant. Egal, wie die Entscheidung ausgeht, dürfte es im Landtag wohl weiter turbulent bleiben.
Schwierige Hürden für ein Parteiverbot
Ein mögliches Verbot der AfD wäre juristisch komplex und trifft auf hohe Hürden. Nach Artikel 21 des Grundgesetzes können Parteien verboten werden, wenn sie darauf abzielen, die demokratische Grundordnung zu beseitigen oder die Bundesrepublik zu gefährden. Eine solche Maßnahme darf allerdings nur das Bundesverfassungsgericht beschließen, und es muss die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Demokratie tatsächlich bedroht ist – dies wird als „Potentialität“ bezeichnet.
Der Thüringer Landesverband der AfD wird bereits als rechtsextremistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz überwacht. Ähnliche Beobachtungen gibt es auch im sächsischen AfD-Landesverband. Ob jedoch ein Parteiverbotsverfahren wirklich eingeleitet wird, bleibt ungewiss. Die Erfolgsaussichten für ein solches Verfahren erscheinen jedoch zunehmend realistischer. Zwar betont die AfD immer wieder ihren Respekt für die Demokratie, doch die gestrige Aktion zeigte deutlich, wie wenig ihr am Willen der Mehrheit der Thüringer gelegen ist. Die AfD stellt zwar die größte Fraktion im Landtag, doch die Mehrheit der Wähler hat ihre Stimme nicht für diese Partei abgegeben. Der Vorgang im Landtag kann somit nicht nur als Angriff gegen das Parlament verstanden werden, sondern auch als klare Missachtung dieser Wählerstimmen.
Ausblick: Eskalation der politischen Lage?
Die chaotische Sitzung hat nicht nur das Vertrauen in die Funktionsweise des Thüringer Landtags erschüttert, sondern auch die ohnehin angespannten politischen Fronten weiter verhärtet. Die AfD hat mit Björn Höcke eine zentrale Figur der extremen Rechten an der Spitze, deren Einfluss zunehmend auf Bundesebene spürbar wird. Wie sich die politische Lage in Thüringen in den kommenden Tagen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die gestrigen Ereignisse eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung zwischen der AfD und den übrigen Fraktionen im Parlament markiert haben.
Zu der Wahrheit gehört aber auch, dass man sich das ganze Problem hätte ersparen können. Die damalige Koalition der Grünen hat im letzten Landtag bereits einen Antrag eingereicht, der inhaltlich mit dem Antrag von CDU und BSW übereinstimmt. Thüringen und Deutschland wäre damit ein trauriges Spektakel erspart geblieben. Es war damit zu rechnen, dass die AfD den Alterspräsidenten stellen dürfte und auch der Wahlerfolg kam nicht überraschend. Der Freistaat Thüringen hat ein solches krudes Schauspiel nicht verdient, jedoch haben die Wähler:innen dafür gestimmt.
Kurz & Bündig
Wie realistisch ist ein Parteiverbot der AfD in Deutschland?
Ein Parteiverbot in Deutschland ist mit hohen Hürden verbunden. Es bleibt fraglich, ob ein solches Verfahren zeitnah erfolgreich umgesetzt wird. Es gab jedoch bereits Parteiverbote in Deutschland, auch wenn es gegen die NPD aus verschiedenen Gründen gescheitert war.
Welche rechtlichen Grundlagen gibt es für ein AfD-Verbot?
Die rechtliche Grundlage für ein Parteiverbot ist im Artikel 21 des Grundgesetzes festgelegt. Es muss nachgewiesen werden, dass die Partei aktiv die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet und auch dazu in der Lage ist, wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschied.
Quelle:
Eigene Recherche
Politisches Tauziehen im Thüringer Landtag: Erste Sitzung von Unterbrechungen und Konflikten geprägt | obiaushv.de
ONS
WDR – Thüringen: Landtagspräsidentenwahl wird zum Konflikt – WDR 5 Morgenecho Interview – WDR 5