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Ampelkoalition plant Änderungen beim Bürgergeld: Prämien und härtere Sanktionen

Das Bild zeigt eine Hand, die fünf 200-Euro-Banknoten hält. SYMBOLBILD Ampelkoalition plant Änderungen beim Bürgergeld mit Prämien und härteren Sanktionen

Das Bild zeigt eine Hand, die fünf 200-Euro-Banknoten hält. SYMBOLBILD

Die Ampel-Koalition plant umfassende Änderungen beim Bürgergeld, die darauf abzielen, Langzeitarbeitslosen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und dauerhafte Beschäftigung zu fördern. Ein zentrales Element dieser Reformen ist die sogenannte „Anschubfinanzierung“. Langzeitarbeitslose, die eine sozialversicherungspflichtige Anstellung aufnehmen und mindestens zwölf Monate im Job bleiben, sollen eine einmalige Prämie von 1000 Euro erhalten. Doch eine grundlegende Herausforderung bleibt bestehen: Es gibt nicht genug offene Arbeitsstellen für alle Erwerbslosen.

Prämie nach 12 Monaten Arbeit

Laut dem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), der die Formulierungshilfe der Bundesregierung vorliegen soll, die am Mittwoch im Kabinett beschlossen wurde, sollen Langzeitarbeitslose durch diese Prämie motiviert werden, eine langfristige Beschäftigung anzunehmen. Als langzeitarbeitslos gelten Personen, die länger als zwölf Monate ohne Arbeit sind. Die Prämie wird gezahlt, wenn die Beschäftigung in den letzten sechs Monaten „bedarfsdeckend“ sei, das heißt, den Lebensunterhalt ausreichend sichert. Zudem bestehe nach Erhalt der Prämie eine Sperrfrist von 24 Monaten, in der kein erneuter Anspruch besteht.

Die Prämie soll nicht als Einkommen auf andere Unterstützungsleistungen wie Wohngeld oder den Kinderzuschlag angerechnet werden. Das bedeutet, dass Personen, die trotz eines neuen Jobs Anspruch auf Wohngeld haben, diesen weiterhin geltend machen können, ohne durch die Prämie Einbußen befürchten zu müssen.

Kritik von der CDU

Trotz der positiven Absicht der Maßnahme, stößt die Prämie auf Kritik aus der Opposition. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete die Prämie als „absurd“ und warnte vor einem Missbrauchspotenzial. „Denn wer arbeiten kann, muss auch arbeiten – ansonsten gibt es keine Sozialleistung. Diese Selbstverständlichkeit muss auch für Bürgergeldempfänger gelten, die schon länger arbeitslos sind“, betonte Linnemann gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er stellte den grundsätzlichen Ansatz infrage, Langzeitarbeitslose zusätzlich zu belohnen, anstatt ihnen klarere Pflichten zur Arbeitsaufnahme aufzuerlegen.

Härtere Sanktionen für Bürgergeldempfänger

Neben der Einführung der Anschubfinanzierung plant die Bundesregierung auch strengere Sanktionen für Bürgergeldempfänger, die sich weigern, ein Jobangebot anzunehmen. Laut dem RND sieht die Formulierungshilfe vor, dass der Regelsatz bei einer Verweigerung nicht mehr schrittweise, sondern direkt um 30 Prozent gekürzt werden soll. Diese Kürzungen drohen auch, wenn Empfänger ihre Meldepflichten versäumen. Ein weiteres Element der Reformen betrifft die zumutbare Pendelzeit. Zukünftig soll es Bürgergeldempfängern zugemutet werden, bis zu drei Stunden für eine Arbeitsstelle zu pendeln, wenn die tägliche Arbeitszeit sechs Stunden beträgt.

Ampel und CDU ignorieren massives Problem

Die Ampel und die UNION, aus CDU und CSU, ignorieren dabei jedoch immer wieder den großen Elefanten im Raum. Es gibt schlicht genug offene Stellen für alle Menschen in diesem Land. Ein wichtiger Fakt, der immer wieder ignoriert wird. Bereits im Juni haben wir uns die Daten ausführlich angeschaut. Im Rahmen der Recherche zu diesem Artikel haben wir einen Teil der Grafiken überarbeitet.

Aktuelle Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeichnen ein alarmierendes Bild: Das Defizit an verfügbaren Arbeitsplätzen hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Im September 2024 meldete die Bundesagentur für Arbeit 696.006 offene Stellen, von denen nur 682.602 sozialversicherungspflichtig waren. Dies markiert einen deutlichen Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren. Bereits seit Mai 2022 lässt sich ein kontinuierlicher Abwärtstrend bei den offenen Stellen beobachten. Ein Fakt, der häufig in der öffentlichen Diskussion übersehen wird: Es gibt schlichtweg nicht genug Arbeitsplätze für alle Arbeitssuchenden in Deutschland. Im Jahr 2023 beispielsweise standen durchschnittlich 2,6 Millionen Arbeitslose lediglich 1,34 Millionen offene Stellen gegenüber.

Laut IAB kommen im Bundesdurchschnitt auf 100 offene Stellen 205 Arbeitslose. Besonders in Ostdeutschland ist das Missverhältnis noch größer, wo auf eine offene Stelle laut Bundesagentur für Arbeit 2,3 Arbeitslose entfallen, während es im Westen 2 Arbeitslose sind. Dies unterstreicht das strukturelle Problem auf dem Arbeitsmarkt, das durch die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren noch weiter verschärft werden dürfte.

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Fachkräftemangel in spezifischen Branchen

Trotz der Arbeitslosenzahlen wird in den vergangenen Jahren immer wieder vom Mangel an Arbeitskräften gesprochen. Tatsächlich handelt es sich jedoch weniger um einen allgemeinen Arbeitskräftemangel, sondern vielmehr um einen Fachkräftemangel, der sich auf bestimmte Branchen konzentriert. Die Bundesagentur für Arbeit identifizierte 2024 rund 200 sogenannte Engpassberufe, in denen qualifizierte Fachkräfte fehlen. Dies betrifft vorwiegend den technischen und medizinischen Bereich, aber auch das Handwerk und die IT-Branche.

Wichtig ist zudem, dass der sogenannte Arbeitsmarkt stets in Bewegung ist und die Anzahl an Erwerbslosen zwar konstant erscheinen kann, jedoch eine größere Fluktuation möglich ist. Im Jahr 2023 meldeten sich 2,2 Millionen Menschen arbeitslos, während 1,7 Millionen im selben Zeitraum eine neue Beschäftigung aufnahmen. Besonders auffällig: Das Beschäftigungswachstum im Jahr 2023 wurde ausschließlich durch ausländische Arbeitskräfte getragen. Diese Entwicklung zeigt, dass der inländische Arbeitsmarkt zunehmend Schwierigkeiten hat, den Bedarf an Fachkräften zu decken.

Rückgang bei kleinen und mittelständischen Betrieben besonders stark

Die IAB-Daten zeigen zudem, dass der Rückgang der offenen Stellen vorrangig kleine und mittelgroße Betriebe betrifft. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 sank die Zahl der offenen Stellen bei Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten um 29 Prozent. Mittelgroße Betriebe mit 50 bis 249 Mitarbeitern verzeichneten ebenfalls einen Rückgang um 25 Prozent. Lediglich große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten konnten ihre Zahl offener Stellen im Vergleich zum Vorjahresquartal leicht steigern.

Trotz des deutlichen Rückgangs sind nach wie vor rund 80 Prozent der offenen Stellen in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu finden. Diese Entwicklung zeigt, wie stark besonders kleinere Unternehmen unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen leiden, während größere Betriebe tendenziell stabiler auf dem Arbeitsmarkt agieren.

Dynamik des Arbeitsmarktes verschärft die Situation

Neben dem Fachkräftemangel und dem allgemeinen Defizit an Arbeitsplätzen wird die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt zusätzlich durch die Dynamik des Marktes verschärft. Nicht alle offenen Stellen sind sofort zu besetzen. Von den 1,34 Millionen gemeldeten Stellen im zweiten Quartal 2024 waren nur 1,06 Millionen sofort verfügbar. Der Rest soll erst zu einem späteren Zeitpunkt besetzt werden.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich damit im sechsten Quartal in Folge mit einem Rückgang der offenen Stellen, was laut IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis die strukturellen Herausforderungen Deutschlands in der Vermittlung von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen verdeutlicht.

Fazit: Ein Markt im Ungleichgewicht

Der deutsche Arbeitsmarkt steht vor erheblichen Herausforderungen. Während Fachkräfte in bestimmten Bereichen händeringend gesucht werden, stehen Erwerbslose vor der Schwierigkeit, überhaupt eine Stelle zu finden. Ohne eine umfassende Strategie, die sowohl das Stellendefizit als auch den Fachkräftemangel adressiert, wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen. Eine Wirtschaftsförderung könnte in der aktuellen Zeit sinnvoll sein. Es wird immer deutlicher, dass wir uns in einer wirtschaftlich schwachen Phase befinden. Mehrere größere Unternehmen haben zudem angekündigt, Stellen abzubauen oder dies zumindest zu erwägen.

Selbst bei Volkswagen rückt man von der Arbeitsplatzgarantie ab. Einsparungen werden bei verschiedenen Unternehmen diskutiert. Das Sparen in der Wirtschaftskrise oder zumindest in der wirtschaftlichen Stagnation ist für Deutschland als Volkswirtschaft gefährlich, dennoch will die Bundesregierung am Sparkurs festhalten. Die verminderten Ausgaben fehlen der deutschen Wirtschaft somit. Alleine mit dem Exportüberschuss dürfte es der deutschen Wirtschaft nicht gelingen, zu wachsen. Satt dem Dogma Schuldenbremse bräuchte es eine offene Diskussion abseits jeder Parteigräben. Besonders die FDP sperrt sich gegen Änderungen an dem System.

Kurz & Bündig

Was ist die Prämie für Langzeitarbeitslose?

Die Ampelkoalition plant eine Prämie von 1.000 Euro für Langzeitarbeitslose, die nach zwölf Monaten Arbeitslosigkeit eine bedarfsdeckende Beschäftigung aufnehmen und mindestens ein Jahr bleiben.

Wer hat Anspruch auf die Prämie?

Langzeitarbeitslose, die eine sozialversicherungspflichtige Arbeit annehmen und mindestens zwölf Monate in dieser Position bleiben.

Wird die Prämie auf andere Leistungen angerechnet?

Nein, die Prämie wird nicht auf andere Leistungen wie Wohngeld oder den Kinderzuschlag angerechnet.

Welche Sanktionen sind bei der Verweigerung eines Jobangebots geplant?

Der Regelsatz des Bürgergelds soll direkt um 30 Prozent gekürzt werden, wenn ein zumutbares Jobangebot verweigert wird.

Wie lange darf künftig zur Arbeit gependelt werden?

Es soll zugemutet werden, bis zu drei Stunden pro Tag zu pendeln, wenn die tägliche Arbeitszeit sechs Stunden beträgt.

Warum gibt es nicht genug Arbeitsplätze für alle Erwerbslosen?

Der Arbeitsmarkt in Deutschland weist ein strukturelles Defizit auf. Es gibt schlichtweg nicht genug offene Stellen, um alle Arbeitssuchenden zu versorgen.

Hinweis:
Die Bezeichnung „Arbeitslose“ wurde verwendet, da sie nach wie vor offiziell genutzt wird und ein Fachterminus ist. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erfasst Personen unter diesem Begriff. Obwohl wir diese Bezeichnung als veraltet betrachten, erleichtert sie den Abgleich mit den Daten der BA. Allgemein bevorzugen und empfehlen wir jedoch den Begriff „Erwerbslose“.

„Arbeitslos ist, wer keine Beschäftigung hat (weniger als 15 Wochenstunden), Arbeit sucht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Grundsicherung arbeitslos gemeldet ist. Nach dieser Definition sind nicht alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als arbeitslos zu zählen.“ Bundesagentur für Arbeit

Zu den Methoden:

Offene Arbeitsstellen gegenüber Arbeitslosenanzahl
Bei unseren Berechnungen wurde der Mittelwert des Jahres durch die Werte der Monate errechnet. Die Werte sind mit dem Stand 09.2024 berechnet worden. Neuere Daten lagen nicht vor. Einschränkungen sind entsprechend angegeben.

Quellen:
Eigene Recherchen
RND – Ampel plant 1000-Euro-Prämie für Langzeitarbeitslose, wenn sie Arbeit aufnehmen (rnd.de)
IAB – IAB-Stellenerhebung für das zweite Quartal 2024: Fast ein Viertel weniger offene Stellen als ein Jahr zuvor
Bundesagentur für Arbeit
Zeitreihen – Statistik der Bundesagentur für Arbeit (arbeitsagentur.de)
Monatsbericht-d-0-202409 (arbeitsagentur.de – PDF)
ONS-Data

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