Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat die Parlamentswahlen in Österreich mit einem deutlichen Sieg für sich entschieden und beansprucht nun das Amt des Kanzlers. Gleichzeitig sorgen sich viele Österreicher über die mögliche Regierungsbeteiligung der Partei, die für ihre extremen Ansichten und ihre Nähe zu Russland bekannt ist. In Wien haben am Dienstag tausende Menschen gegen eine Koalition der FPÖ demonstriert. Die Regierungsbildung bleibt indes offen, denn eine Koalition unter der Führung von FPÖ-Chef Herbert Kickl stößt auf massiven Widerstand.
In der österreichischen Hauptstadt versammelten sich etwa 25.000 Menschen, um ein klares Zeichen gegen die FPÖ zu setzen. Die Demonstranten zogen durch die Wiener Innenstadt bis vor das Parlament und machten deutlich, dass sie eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ablehnen. Auf den Protestplakaten waren Slogans wie „Keine Koalition mit Nazis“ zu lesen. Ein auffälliges Plakat zeigte Kickl als Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin – eine Anspielung auf die prorussischen Positionen des FPÖ-Chefs. Die Organisatoren der Demonstration zählten etwa 25.000 Teilnehmer, während die Polizei keine offiziellen Angaben zu den Teilnehmerzahlen machte.
Kickls Kanzleranspruch trifft auf Ablehnung
Herbert Kickl erhebt Anspruch auf das Amt des Bundeskanzlers. Die FPÖ erhielt bei der Wahl 28,8 Prozent der Stimmen und wurde damit die stärkste Kraft im österreichischen Parlament. Kickl betonte, dass ihm Demokratie und Freiheitsrechte ebenso wichtig seien wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die meisten anderen Parteien schließen eine Koalition mit der FPÖ aus.
Die konservative ÖVP, die derzeit den Kanzler Karl Nehammer stellt, lehnt eine Zusammenarbeit nur mit FPÖ-Chef Kickl entschieden ab, wäre aber bereit, mit der FPÖ ohne ihn zu koalieren. Seitens der SPÖ, die mit 21,1 Prozent der Stimmen als drittstärkste Kraft ins Parlament einzog, lehnt man eine Koalition mit der FPÖ kategorisch ab.
Schwierige Koalitionsverhandlungen
Die Regierungsbildung gestaltet sich aufgrund der tiefen politischen Gräben schwierig. Sollte die ÖVP sich endgültig gegen eine Koalition mit der FPÖ entscheiden, bliebe eine knappe Mehrheit mit der SPÖ als mögliche Option. Zusammen verfügen die beiden Parteien jedoch nur über 92 der 183 Sitze im Nationalrat, was die Bildung einer stabilen Regierung erschwert. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Bündnis aus ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos, was jedoch ebenfalls komplizierte Verhandlungen erfordert.
Das Wahlergebnis hat die politische Landschaft in Österreich stark verändert. Während die FPÖ mit 28,8 Prozent einen deutlichen Zuwachs verzeichnete, fiel die ÖVP auf 26,3 Prozent zurück. Die Grünen, die bisher in einer Koalition mit der ÖVP regierten, erlitten schwere Verluste und landeten bei 8,2 Prozent. Die Neos konnten leicht zulegen und erreichten 9,1 Prozent. Kleinparteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde und schafften den Einzug ins Parlament nicht.
Die Rolle des Bundespräsidenten
Eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung spielt der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hat der Bundespräsident in Österreich eine weitreichende Befugnis bei der Ernennung des Regierungschefs. Van der Bellen ist nicht verpflichtet, dem Wahlsieger den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Er kann nach eigenem Ermessen entscheiden, wem er dieses Mandat überträgt, basierend auf seiner Einschätzung, welche Koalition eine stabile Regierung bilden kann.
Nach den Wahlen spricht der Bundespräsident traditionell mit allen Parteichefs, um auszuloten, welche Koalitionen möglich sind und welche Parteien bereit sind, stabile Mehrheiten zu bilden. Van der Bellen hat bereits deutlich gemacht, dass er die Regierungsbildung sorgfältig überwachen wird. „Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen darauf achten, dass bei der Regierungsbildung die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie respektiert werden“, betonte der Bundespräsident nach den Wahlen. Dies zielt besonders auf die FPÖ ab, deren Rhetorik und politische Ausrichtung in der Vergangenheit wiederholt für Spannungen gesorgt haben. Kickl selbst wurde nach der Ibiza-Affäre 2019, die zur Auflösung der damaligen ÖVP-FPÖ-Koalition führte, von Van der Bellen als Innenminister entlassen.
In der aktuellen Situation, in der die rechtspopulistische FPÖ zwar die stärkste Kraft ist, aber keine absolute Mehrheit besitzt, kommt Alexander Van der Bellen eine besondere Verantwortung zu. Er kann – und muss – sicherstellen, dass die zukünftige Regierung auf demokratischen Grundsätzen basiert und eine Parlamentsmehrheit hinter sich vereint.
Es ist jedoch auch möglich, dass Van der Bellen zunächst abwartet und den Parteien Raum für eigene Verhandlungen lässt, bevor er aktiv eingreift. Sollte keine Partei oder Koalition eine klare Mehrheit erzielen, könnte er schließlich selbst eine Expertenregierung einsetzen oder Neuwahlen anberaumen – beides Optionen, die bereits in der Vergangenheit in Österreich genutzt wurden. Wobei eine Beamtenregierung wohl eher als eine Lösung für einen Übergang angesehen werden dürfte. Die Regierung unter Brigitte Bierlein † (damals Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs) war nur 218 Tage im Amt.
„Österreich steht vor einer politischen Zeitenwende: Die rechtspopulistische ‚Freiheitliche Partei Österreichs‘ hat die Nationalratswahl mit 29,2 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Zum ersten Mal in der Geschichte der Alpenrepublik ist eine rechte Partei die stärkste Kraft im Parlament.“
FPÖ siegt bei Nationalratswahl in Österreich – Regierungsbildung bleibt ungewiss | obiaushv.de
Kurz & Bündig
Was bedeutet der FPÖ-Sieg für die Regierungsbildung in Österreich?
Der FPÖ-Sieg erschwert die Regierungsbildung, da viele Parteien eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei ablehnen. Eine stabile Mehrheit ist bisher nicht in Sicht.
Welche Rolle spielt der Bundespräsident bei der Regierungsbildung?
Der Bundespräsident hat in Österreich weitreichende Befugnisse bei der Regierungsbildung. Er entscheidet, welche Partei oder Koalition den Auftrag zur Regierungsbildung erhält.
Warum gab es Proteste nach dem Wahlsieg der FPÖ?
Viele Österreicher lehnen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ ab, da sie die Partei als (rechts)extrem und undemokratisch empfinden. Auch ihre prorussische Position sorgt für Kritik.
Könnte es Neuwahlen geben?
Ja, falls keine Partei oder Koalition eine stabile Mehrheit findet, könnte der Bundespräsident Neuwahlen anberaumen.
Welche Koalitionen sind möglich?
Mögliche Koalitionen wären ein Bündnis aus ÖVP und SPÖ oder eine Dreierkoalition mit den Neos. Beide Optionen wären jedoch schwer zu verhandeln.
Welche Position hat die ÖVP zur FPÖ?
Die ÖVP ist gespalten. Eine Koalition mit der FPÖ ohne Herbert Kickl könnte möglich sein, doch mit Kickl als Kanzlerkandidat wird eine Zusammenarbeit ausgeschlossen.
Quelle:
Eigene Recherche – ONS