Der libanesische Geheimdienstchef steht unter Verdacht, sensible Geheimdienstinformationen an die Hisbollah weitergegeben zu haben. Dies geschah offenbar im Kontext des fragilen Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Gruppe, wie die britische Zeitung The Times berichtet. Die Enthüllungen werfen ein Schlaglicht auf die Spannungen und Verstrickungen innerhalb des Libanons.
Libanesischer Geheimdienstchef
Laut dem Bericht handelt es sich bei dem Beschuldigten um Suhil Bahij Gharb, den Leiter des militärischen Geheimdienstes für den Südlibanon. Er soll Informationen aus einem Sicherheitskontrollraum weitergegeben haben, der von den USA, Frankreich und den Vereinten Nationen betrieben wird. Dieser Kontrollraum dient der Überwachung des Waffenstillstands, der nach intensiven Kämpfen im November 2024 von den USA und Frankreich vermittelt wurde.. Die Weitergabe der sensiblen Daten soll auf Drängen des Hisbollah-Kommandeurs Wafiq Saffa erfolgt sein, der im Oktober 2024 nur knapp einen israelischen Angriff in Beirut überlebt haben soll.
Systematische Unterstützung für die Hisbollah?
Die Times zitiert nicht näher benannte Geheimdienstquellen, die vermuten lassen, dass Gharb nicht allein gehandelt habe. Ein „internationaler Geheimdienstbericht“ legt nahe, dass Dutzende libanesische Offiziere aktiv die Hisbollah unterstützen. Unter anderem sollen sie die Gruppe vor geplanten Razzien gewarnt haben, wodurch deren Mitglieder rechtzeitig fliehen konnten.
Besonders brisant ist, dass der Bericht keine Angaben dazu macht, welches Land die Geheimdienstinformationen vorgelegt hat. Diese Unklarheit lässt Raum für Spekulationen über die politischen Hintergründe und Motive der Veröffentlichung.
Hintergrund des Waffenstillstands
Der Waffenstillstand sollte die Kämpfe beenden, die seit Oktober 2023 über 3.000 Todesopfer im Libanon und 72 in Israel gefordert hatten. Ein zentraler Punkt der Vereinbarung war, dass die Hisbollah südlich des Litani-Flusses keine militärischen Aktivitäten mehr durchführen darf. Die libanesische Armee und UN-Friedenstruppen übernahmen die Kontrolle über die Region und sollten Waffenlager der Hisbollah konfiszieren. Im Gegenzug hätte Israel bis Sonntag, den 26. Januar 2025, seine Truppen aus dem Südlibanon abziehen sollen.
Allerdings verweigerten die israelischen Streitkräfte den vollständigen Rückzug, solange die Waffenstillstandsbedingungen nicht vollständig umgesetzt seien. Das Weiße Haus hat angekündigt, dass die Frist für den israelischen Abzug bis zum 18. Februar verlängert wurde.
Reaktionen und politische Implikationen
Das libanesische Militär hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Angesichts der angespannten Lage im Südlibanon und der zentralen Rolle der Hisbollah in der libanesischen Politik dürften die Enthüllungen jedoch weitreichende Konsequenzen haben. Die Hisbollah, die als politischer Akteur und bewaffnete Miliz gleichermaßen agiert, wird vom Iran unterstützt und steht regelmäßig im Fokus internationaler Kritik. Dass hochrangige libanesische Militärs in die Machenschaften der Gruppe verwickelt sein könnten, untergräbt das Vertrauen in die Neutralität der Streitkräfte und gefährdet die ohnehin fragile Stabilität in der Region.
Mit dem Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hisbollah steht eine wichtige Säule des regionalen Friedensprozesses auf dem Spiel. Die Vorwürfe gegen Gharb und andere könnten die Spannungen zwischen den beteiligten Akteuren weiter verschärfen. Die internationale Gemeinschaft wird genau beobachten, wie der Libanon auf diese Enthüllungen reagiert – und ob dies zu einer Neuordnung der Machtverhältnisse im Land führt.
Welche Rolle spielt die Hisbollah im Libanon?
Die Hisbollah ist sowohl eine politische Partei (»Partei Gottes«) als auch eine bewaffnete Terrororganisation und erhält Unterstützung aus dem Iran. Sie hat erheblichen Einfluss auf die Politik und Sicherheit des Libanons. Zudem lehnt die Organisation einen Frieden mit Israel ab und strebt das Ziel der vollständigen Vernichtung eines israelischen Staates an.1 Allgemin wird sie häufig auch als Schattenstaat bezeichnet.2 Mit der Miliz übt man militärische Kontrolle aus und nutzt diese gegen Gegner im In- und Ausland, auch für Terror.
Durch die Partei übt man im Libanon direkt politische Kontrolle aus. Bis zu seinem Tod 2024 im israelisch-palästinensischen Konflikt war Hassan Nasrallah der Anführer der Hisbollah. Seit der Parlamentswahl 2018 stellt sie mit 13 Mandaten etwa 10 Prozent der Parlamentsabgeordneten.3 Neben dieser politischen Kontrolle engagiert man sich zudem in der sozialen Infrastruktur und betreibt verschiedene karitative Einrichtungen und auch Krankenhäuser. In diesen Einrichtungen wirbt man für seine politischen Ziele und inszeniert sich als leistungsfähiger als das in Teilen marode staatliche Gesundheitssystem.
Das Staatsverständnis der Hisbollah baut auf einem obersten geistlichen Führer, Mohammad Hussein Fadlallah. Man selbst sieht sich als Gemeinschaft aller gläubigen Muslime. Man arbeitet daher an der Schaffung eines islamischen Staates unter der Herrschaft religiöser Rechtsgelehrter.4 Die Hisbollah war die erste Institution im Libanon, die im Sinne Fadlallahs die Gründung eines islamischen Staates in ihrer Heimat forderte und sich offen für den Ausschluss der christlichen Bevölkerung aus der Politik aussprach. Zudem setzte sich die Hisbollah für „soziale Gerechtigkeit“, die „Befreiung des Libanon“ und den „Kampf gegen ausländische Unterdrückung“ ein.
Der Hisbollah-Sender Al-Manar behauptet, das Judentum sei „ein Projekt, das gegen die gesamte Menschheit gerichtet ist.“ Weiter heißt es, „wer Israel bekämpfe, verteidige nicht nur sich selbst, sondern die gesamte Welt“. Laut dem Sender existiere der Zionismus nicht, sondern nur das Judentum. Zudem wurde auf Al-Manar der Holocaust mehrfach geleugnet.5
Schon gelesen?
Deutsche Welle in der Kritik: Fragwürdige Berichterstattung über Hisbollah-Versteck | obiaushv.de
Kurz & Bündig
Was wird Suhil Bahij Gharb vorgeworfen?
Er soll sensible Informationen an die Hisbollah weitergegeben haben, die aus einem Sicherheitskontrollraum stammen, der von internationalen Kräften betrieben wird.
Wie wirkt sich der Vorfall auf den Waffenstillstand aus?
Die Vorwürfe könnten die fragile Stabilität des Abkommens gefährden und die Spannungen zwischen Israel und dem Libanon weiter verschärfen.
Quellen:
Eigene Recherchen
(€)Lebanese army chief ‘leaked military secrets to Hezbollah’
- Hizbollah promises Israel a blood-filled new year, Iran calls for Israel’s end[↩]
- https://magazin.zenith.me/de/politik/die-hizbullah-und-die-protestbewegung-im-libanon[↩]
- Martin Gehlen: Die neue Macht der Hisbollah[↩]
- Ute Meinel: Die Intifada im Ölscheichtum Bahrain. LIT Verlag, Berlin / Hamburg / Münster 2003, ISBN 3-8258-6401-4, S. 206.[↩]
- Stephan Grigat: „Antisemitic Anti-Zionism: Muslim Brotherhood, Iran, and Hezbollah.“ In: Armin Lange, Kerstin Mayerhofer, Dina Porat, Lawrence H. Schiffman: Confronting Antisemitism in Modern Media, the Legal and Political Worlds. De Gruyter, Berlin/Boston 2021, S. 149–172, hier S. 166[↩]