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Migrationsgipfel findet statt: Union sagt Teilnahme zu – Streit um Grenzkontrollen und Zurückweisungen bleibt

Das Bild zeigt eine symbolische Darstellung einer Kluft zwischen zwei Klippen. Auf der linken Seite ist die Flagge Deutschlands (schwarz, rot und goldene horizontale Streifen) zu sehen, und auf der rechten Seite die Flagge der Europäischen Union (blau mit einem Kreis aus gelben Sternen). Ein Radiergummi löscht einen Teil der Klippe unter den Füßen von menschlichen Silhouetten, die von der EU-Seite zur deutschen Seite gehen. Symbolbild Union nimmt am Migrationsgipfel teil, Grenzkontrollen beginnen im September.

Das Bild zeigt eine symbolische Darstellung einer Kluft zwischen zwei Klippen. Symbolbild

Nach anfänglichem Zögern hat die Union doch ihre Teilnahme am geplanten Migrationsgipfel zugesagt. Damit wird das für diesen Dienstag anvisierte Treffen zwischen der Bundesregierung, der Union und den Ländern stattfinden. CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor Bedingungen für eine Teilnahme gestellt, insbesondere klare Vorschläge der Ampel-Koalition zur Eindämmung der irregulären Migration. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat indes vorübergehende Grenzkontrollen an allen deutschen Landesgrenzen angeordnet, die ab dem 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern sollen.

Regierung setzt auf Grenzkontrollen – Union fordert weiterhin Zurückweisungen

Die Entscheidung Faesers, vorübergehende Kontrollen an den deutschen Grenzen einzuführen, zielt darauf ab, die Zahl unerlaubter Einreisen zu verringern und die innere Sicherheit vor islamistischem Terror sowie grenzüberschreitender Kriminalität zu stärken. Obwohl die Union die Einführung der Kontrollen begrüßt, bleibt die Forderung nach Zurückweisungen von Migranten ein zentraler Streitpunkt. Die CDU/CSU-Fraktion erwartet, dass Menschen ohne gültige Papiere oder bereits in einem anderen EU-Land registrierte Geflüchtete an den Grenzen zurückgewiesen werden. Nicht alle Länder in der EU werden dieses Manöver mittragen. Die österreichische Regierung hat bereits mitgeteilt, dass man zurückgewiesene Asylsuchende nicht aufnehmen werde.

Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden“, sagte Innenminister Gerhard Karner von der ÖVP der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. „Da gibt es keinen Spielraum.“ Er habe den Chef der österreichischen Bundespolizei angewiesen, „keine Übernahmen durchzuführen“. Falls Hinweise darauf vorliegen, dass ein anderer Mitgliedstaat gemäß den „Dublin“-Regelungen zuständig ist, müsste ein formelles Konsultationsverfahren eingeleitet werden. Eine Überstellung kann erst erfolgen, wenn der betreffende Mitgliedstaat seine Zustimmung erteilt.

Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte in den Tagesthemen, dass Zurückweisungen „ein entscheidendes Kriterium“ für die Union seien. Er zeigte sich überzeugt, dass solche Maßnahmen auch in anderen europäischen Ländern zu einem Dominoeffekt führen könnten: „Innerhalb von Tagen, wenn nicht Stunden käme man zu einem effektiveren europäischen Außenschutz.“ Frei betonte zudem, dass eine Einigung bei diesem Thema eine „große Leistung“ für Deutschland wäre.

Rechtslage umstritten: Sind Grenzkontrollen und Zurückweisungen zulässig?

Sowohl die geplanten Grenzkontrollen als auch die Zurückweisungen sind rechtlich umstritten. Die Freizügigkeit innerhalb der EU, die durch das Schengen-Abkommen garantiert wird, erlaubt Grenzkontrollen nur unter bestimmten Bedingungen und zeitlich begrenzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der Vergangenheit bereits ähnliche Maßnahmen, wie die von Österreich 2015 eingeführten Grenzkontrollen, als rechtswidrig eingestuft. Der EuGH hob in dem Fall hervor, dass die Einführung und wiederholte Verlängerung von Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien im September 2015 sowie die erneute Einführung von Kontrollen ab dem 11. November 2017 für mehrere aufeinanderfolgende sechsmonatige Perioden gegen EU-Recht verstießen. Dieses Urteil wurde am 26. April 2022 in der Rechtssache C-368/20 gefällt.

Die Situation wird noch komplexer bei den von der Union geforderten Zurückweisungen. Nach der Dublin-III-Verordnung müssen Asylsuchende ihren Antrag in dem EU-Land stellen, in dem sie zuerst ankommen. Zwar gibt es Ausnahmeregelungen, doch die Auslegung dieser Regeln bleibt umstritten. Rechtsprofessor Daniel Thym sieht die rechtliche Basis für flächendeckende Zurückweisungen skeptisch und verweist darauf, dass der EuGH solche Alleingänge von Mitgliedsstaaten bislang nicht akzeptiert hat 1.

Die Grundidee sei zwar, dass die Länder an den EU-Außengrenzen die meisten Asylanträge bearbeiten, erklärt er im Verfassungsblog. Dennoch könne Deutschland Asylsuchende nicht einfach abweisen. Stattdessen schreibe die Dublin-III-Verordnung ein aufwendiges Verfahren vor, wenn jemand an der Grenze Asyl beantragt. Eine Überstellung in den zuständigen Staat sei erst möglich, nachdem ein Verwaltungsgericht zugestimmt habe. Laut Thym müsse Deutschland zunächst eine Notlage bei der EU melden, bevor von diesen Regelungen abgewichen werden könne.

Bundesregierung setzt auf Risiko

Trotz der rechtlichen Unsicherheiten setzt die Bundesregierung auf die Einführung der Grenzkontrollen und die Möglichkeit von Zurückweisungen. Sollten Betroffene rechtlich dagegen vorgehen, könnten Jahre vergehen, bis der EuGH entscheidet. Bis dahin könnten die Maßnahmen vorerst in Kraft bleiben. Diese Strategie birgt jedoch das Risiko, dass die Entscheidungen im Nachhinein als rechtswidrig erklärt werden. Zudem droht eine Spaltung innerhalb der EU. Der Alleingang von Deutschland dürfte insgesamt auf keinen großen Zuspruch stoßen.

Kanzler Olaf Scholz betonte gegenüber der Parteizeitung »Vorwärts«, dass die Ampel-Koalition ernsthaft an einer Lösung mit der Union interessiert sei: „Unser Angebot ist ehrlich gemeint.“ Die Bundesregierung habe bereits Gesetze zur Migration auf den Weg gebracht, darunter das kürzlich vorgestellte „Sicherheitspaket“.

Kritik von links und aus der Wirtschaft

Während die Union die Grenzkontrollen unterstützt, kommt von den Grünen heftige Kritik. Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, warf Friedrich Merz „Erpressungsversuche“ vor und kritisierte das Verhalten der Union scharf gegenüber dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland«. Linken-Parteichef Martin Schirdewan ging noch weiter: „Alle reden von Abschottung. Wir nicht. Statt den Rechten weiter hinterherzulaufen, um vom nächsten Kürzungshaushalt abzulenken, braucht es endlich eine Investitionswende für ein gerechtes, sicheres und funktionierendes Zusammenleben in unserem Land.

Auch die Wirtschaft sieht die geplanten Grenzkontrollen kritisch. Dirk Jandura, Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands (BGA), warnte gegenüber dem »Handelsblatt«, dass Einschränkungen der Personenfreizügigkeit zu Verzögerungen und Kostensteigerungen führen könnten.

Gipfel mit ungewissem Ausgang

Trotz der Zusage der Union bleiben die Positionen zwischen Regierung und Opposition in der Migrationspolitik weit auseinander. Während die Ampel-Koalition auf Grenzkontrollen setzt, fordert die Union weitergehende Maßnahmen wie Zurückweisungen. Der heutige Migrationsgipfel wird zeigen, ob eine Einigung in diesem zentralen Thema möglich ist – oder ob der Konflikt weiter schwelt. Klar ist, dass die Migrationspolitik auch in den kommenden Monaten eines der bestimmenden politischen Themen bleiben wird.

  1. Wie lange dauern die geplanten Grenzkontrollen an?

    Die Grenzkontrollen sollen ab dem 16. September 2024 für eine Dauer von zunächst sechs Monaten eingeführt werden. Eine Verlängerung ist möglich, hängt aber von der weiteren Entwicklung der Migration und der politischen Debatte ab.

  2. Was sind die rechtlichen Herausforderungen bei den Grenzkontrollen und Zurückweisungen?

    Grenzkontrollen und Zurückweisungen sind in der EU rechtlich umstritten, da sie gegen das Schengen-Abkommen und die Freizügigkeit innerhalb der EU verstoßen könnten. Die Dublin-III-Verordnung schreibt vor, dass Asylsuchende ihren Antrag in dem Land stellen müssen, in dem sie zuerst ankommen. Eine direkte Zurückweisung ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich.

  3. Welche wirtschaftlichen Folgen könnten die Grenzkontrollen haben?

    Die Grenzkontrollen könnten den Warenverkehr behindern, zu Verzögerungen in der Logistikbranche führen und die Kosten für Unternehmen erhöhen. Deutschland ist stark auf offene Grenzen für den Handel angewiesen, und Störungen könnten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen.

  4. Was ist der Migrationsgipfel und warum ist er wichtig?

    Der Migrationsgipfel ist ein Treffen zwischen der Bundesregierung, den Bundesländern und der Union, bei dem über Lösungen zur aktuellen Migrationskrise diskutiert wird. Themen wie die Eindämmung der „irregulären Migration“, Grenzkontrollen und Asylverfahren stehen im Mittelpunkt. Der Gipfel ist wichtig, da er die politische Richtung Deutschlands in der Migrationspolitik maßgeblich beeinflussen kann.

  5. Welche Bedingungen stellte Friedrich Merz für die Teilnahme am Migrationsgipfel?

    Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, forderte von der Ampel-Koalition klare Vorschläge zur Eindämmung der „irregulären Migration“. Ein zentrales Thema ist dabei die Forderung, Migranten ohne gültige Papiere oder bereits in anderen EU-Ländern registrierte Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückzuweisen.

  6. Was ist irreguläre Migration?

    Irreguläre Migration bezeichnet den Aufenthalt oder die Einreise von Personen in ein Land ohne die erforderlichen Genehmigungen oder Papiere. In Deutschland überschreiten Asylsuchende häufig die Grenzen ohne Erlaubnis, da legale Einreisemöglichkeiten für viele von ihnen fehlen. Diese Einreise wird zunächst als unerlaubt registriert, doch in vielen Fällen werden die Verfahren gegen die betroffenen Personen wegen Geringfügigkeit eingestellt. Tatsächlich wird der illegale Grenzübertritt in der Praxis häufig nicht strafrechtlich verfolgt.

    Sobald jedoch ein Asylantrag gestellt wird, ändert sich der Status der Person. Asylsuchende erhalten mit der Stellung ihres Antrags eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis, die ihnen erlaubt, sich legal in Deutschland aufzuhalten, bis über ihren Antrag entschieden wird. Wird der Asylantrag abgelehnt, sind die betroffenen Personen grundsätzlich verpflichtet, das Land zu verlassen. Dieser Status macht ihren Aufenthalt jedoch nicht automatisch illegal. Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Abschiebung nicht sofort erfolgt oder überhaupt ausgesetzt wird. Zu diesen Gründen zählen unter anderem Konflikte oder Krieg im Herkunftsland, gesundheitliche Probleme oder der Umstand, dass die Person bereits eine Ausbildung in Deutschland begonnen hat.

    In solchen Fällen kann eine „Duldung“ gewährt werden, was bedeutet, dass der Aufenthalt zwar nicht rechtmäßig ist, jedoch auch nicht als strafrechtlich illegal angesehen wird. Diese Duldung stellt eine temporäre Aussetzung der Abschiebung dar, bis sich die Umstände ändern oder die Voraussetzungen für eine Ausreise gegeben sind. Dies zeigt, dass irreguläre Migration ein komplexer rechtlicher Status ist, der nicht immer mit einem klaren Verstoß gegen das Rechtssystem gleichzusetzen ist.

Quellen:
Eigene Recherche
Tagesthemen – tagesthemen | tagesschau.de (Stand: 09.09.2024 23:59 Uhr)
Zurückweisungen an Grenzen: „Österreich wird keine Personen entgegennehmen“ (faz.net)
C‑368/20 und C‑369/20 – CURIA – Dokumente (europa.eu)
Union nimmt an Migrationstreffen teil – Olaf Scholz: Angebot zu Kooperation bei Migration ist ernst gemeint (rnd.de)
Morning Briefing: An Deutschlands Grenzen gehen die Schlagbäume runter (handelsblatt.com)

  1. Nun also doch? Zurückweisungen von Asylbewerbern aufgrund einer „Notlage“ – Verfassungsblog[]
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