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Palästina-Kongress und die Auswirkungen des Angriffs

Palästina-Kongress

Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich das Leben der Bevölkerung in Gaza grundlegend verändert. Der Angriff der Hamas auf Israel trifft auch den von ihr kontrollierten Gazastreifen. Nahrung und lebensnotwendige Güter sind knapp, auch weil die Hamas und andere Terrorgruppen sich an den humanitären Lieferungen bedienen. Unterschiedliche Organisationen haben sich solidarisch mit der Bevölkerung gezeigt und die aktuelle Situation kritisch ausgewertet. Die Wassermelone wurde weltweit zum Solidaritätssymbol bekannt. Vom 12. bis zum 14. April sollte in Berlin der „Palästina-Kongress“ stattfinden, jedoch stieß die Veranstaltung auf Probleme.

Um die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten, so die Organisatoren, wurde erst am Tag der Veranstaltung, Freitag, dem 12. April, über den Telegramm-Kanal und Instagram bekannt gemacht, wo der „Palästina-Kongress“ stattfinden soll. Die Berliner Polizei schrieb auf Instagram: „Guten Tag Berlin, bis Sonntag findet in Berlin eine Versammlung unter dem Namen ‘Palästina-Kongress’ statt. Dafür sind wir heute mit rund 930 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz“. Kurz danach kam durch denselben Instagram Account eine weitere Nachricht, dass die Teilnehmerzahl aufgrund von baulichen Gegebenheiten auf 250 beschränkt worden sei. Die Pressestelle der Versammlung teilte im Vorfeld mit, dass eine persönliche Teilnahme von Pressevertretern vor Ort nicht geplant war. Stattdessen wurde darauf hingewiesen, dass die Veranstaltung online verfolgt werden konnte. Vor Ort waren dennoch Journalist:innen anwesend, jedoch teils zum Unmut der Veranstalter.

Strom aus

Etwa zwei Stunden später wurde der Livestream ohne einen Grund bekannt zu geben unterbrochen. Im Nachhinein erhielten die Teilnehmer, die online zugeschaltet waren, die Nachricht, dass die Polizei den Raum gestürmt hatte, in dem eine Videobotschaft von Salman Abu Sitta, einem palästinensischen Wissenschaftler, gezeigt wurde. Dieser solle in Deutschland ein politisches Betätigungsverbot haben. Die Polizist:innen sollen den Strom ausgeschaltet und die Mikrofone von der Bühne entfernten haben. Erst später äußerte sich die Polizei in den sozialen Medien dazu: „Aufgrund rechtlicher Überprüfungen im Zusammenhang mit Redebeiträgen wird der Livestream der Versammlung zeitweise durch Abschalten des Stroms unterbunden. Wir bitten um Ihre Geduld“. Die Polizei befürchtete, dass es zu einer Wiederholung verbotener Aussagen kommen wird.

Kritik dazu äußerten nicht nur die Organisator:innen, sondern auch weitere assoziierte Verbände, wie zum Beispiel „Occupy Against Occupation“. Um 17:29 kam über den „Palästina Kongress – Wir klagen an!“-Telegram-Channel eine zweisprachige Nachricht: „!! Der Palästina Kongress wurde soeben von der Polizei grundlos verboten !! !! The Palestine Conference has just been banned by the police without reason !!“ Darauf reagierten die knapp 1480 Abonnenten des Kanals mit wütenden Emojis.

Über die nächsten Minuten wurden immer wieder Videos hochgeladen, die versuchten, die Situation zu dokumentieren. Die meisten davon, mit dem Ziel zu zeigen, dass die Polizei übergriffig sei.

Verbot, Verhaftungen, Vehemenz

Samstagvormittag übertrugen die Organisatoren eine Online-Pressekonferenz über unterschiedliche Plattformen live, wo über die ergriffenen Maßnahmen am vorherigen Tag gesprochen wurde. Die Redner:innen kritisierten sowohl das Verhalten der Polizei, als auch das der deutschen Politiker:innen, wie Nancy Faeser (Bundesinnenministerin) und Kai Wegner (Bürgermeister von Berlin), die die harte Aktion der Polizei gelobt hätten. Unter dem Motto „Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen“ hielt das Plenum der Konferenz leidenschaftliche Reden. Dabei waren Wieland Hoban (Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden und Mitglied von Revolutionäre Linke), Dror Dayan (Dokumentarfilmemacher), Yuval Gal (niederländischer Politiker) und Nadija Samour (Rechtsanwältin). Deutschland wurde mit der Türkei verglichen und es wurde betont, dass Tendenzen eines autoritären Staates bemerkbar sind und dies besorgniserregend sei.

Treffen am Neptunbrunnen

Trotz des Verbotes der Veranstaltung am Samstag und Sonntag durch die Polizei, versammelten sich zahlreiche Unterstützer:innen am Neptunbrunnen, um gegen die ergriffenen Maßnahmen zu demonstrieren und ein Zeichen zu setzen. Die Berliner Polizei zeigte mit Unterstützung aus anderen Bundesländern Präsenz. Über den Instagram Account teilten sie mit: „Guten Tag Berlin, wir sind heute mit ca. 900 Einsatzkräften zur Durchsetzung des Verbots des ‚Palästina-Kongress’ und zum Schutz angezeigter Versammlungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt im Einsatz.“

Nur langsam versammelte sich die Masse am Alexanderplatz. Schönes Wetter und das Wochenende hatten auch Touristen angelockt, sodass der Platz um den Neptunbrunnen noch lebendiger war als ohnehin. Durch die mittlerweile weltweit bekannten Umhängetücher und Plakate konnte man die Demonstrant:innen von den Passant:innen unterscheiden. Trotz der Tatsache, dass die Veranstaltung für 14 Uhr geplant war, teilten das Organisationsteam gegen 14:10 mit, dass zuerst die Demo-Regeln vorgelesen werden müssen. Während sich die Anzahl der Teilnehmer des Protestzugs um den Neptunbrunnen herum erhöhte, versammelten sich auf der gegenüberliegenden Seite der Spandauer Straße Menschen zur Gegendemonstration: Die Flagge Israels wehte im Wind. Es kam noch vor dem offiziellen Anfang zu kurzen Spannungen zwischen zwei Teilnehmern der beiden Gruppierungen, jedoch beruhigte sich die Situation schnell.

Ähnlich wie der Kongress wurde auch die Demo online übertragen, sodass über den Livestream Parolen wie „Shame on you“ („Schämt euch“) zu hören waren. Gegen 15:30 Uhr hielt jemand zum ersten Mal eine längere Rede. Die Beendigung des Kongresses wurde als „Schande“ und „Willkür“ bezeichnet. Dann sprach eine Aktivistin von der jüdischen Stimme. Sie bezeichnete die Unterbrechung des Kongresses als „sehr schlechte Nachricht für die Zivilgesellschaft in Deutschland“ und fügte hinzu, dass „wir nicht zum Schweigen gebracht werden“. Außerdem betonte sie: „Wir fordern nicht nur einen Waffenstillstand, sondern eine umfassende Lösung mit gleichen Rechten für alle.“ Kurz darauf setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung und pilgerte Richtung Friedrichstraße, Ecke Unter den Linden.

Laut Angaben der Polizei kam es in der Nähe der Straße Unter den Linden, gegen Ende des Protests zu Festnahmen, als Demonstrant:innen Einsatzkräfte angegriffen haben sollen. Als Polizisten mehrere Verdächtige festnahmen, brachen tumultartige Szenen aus. Kurz darauf setzten sich zahlreiche Demonstranten auf den Boden und riefen: „Lasst sie frei!“

Wir werden hier bleiben, bis Palästina frei ist“

Die Organisation „Occupy Agains Occupation“ nutzte auch andere Maßnahmen, um Aufmerksamkeit auf die jetzige Situation in Gaza zu lenken. Ab dem 8. April besetzten sie die Wiese südlich des Bundeskanzleramtes. Sie forderten: „ein sofortiges Ende aller Waffenexporte an Israel, die sofortige Wiedereinsetzung aller Gelder für das UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees), die sofortige Aufhebung der Belagerung des Gazastreifens, ein sofortiges Ende des Völkermordes und ein Ende des Schweigens und der Kriminalisierung von pro-palästinensischen Solidaritätsstimmen hier in Deutschland“ und betonten: „Wir werden hier bleiben, bis Palästina frei ist“.

Am Camping-Platz boten sie zahlreiche Aktivitäten an, wie Yoga, Workshops oder Konzerte. Am Samstag stürmte jedoch die Polizei während einer musikalischen Performance das Camp. Laut Angaben der Organisation handelte es sich um „einen gewaltsamen Angriff“. Videos und Bilder von der Aktion sammelten in den sozialen Medien zahlreiche wütende und solidarische Reaktionen. Sowohl am vorherigen Tag als auch am Tag der Stürmung kam es zu Festnahmen. Trotzdem wurde am Montag, dem 15. April, auf dem Instagram-Profil der Gruppierung „besetzunggegenbesatzung“ hochgeladen: „Still standing after yesterday’s police attack“ („Nach dem gestrigen Angriff auf die Polizei sind wir noch immer auf den Beinen“).

Kein Ende

Am späten Sonntagabend wurde in die Telegram-Gruppe die Resolution des Palästina Kongresses hochgeladen und die Abonnent:innen wurden dazu aufgefordert, diese zu lesen und zu unterschreiben. Die Resolution wirft Israel vor, durch Angriffe und Vernichtung Gaza und seine Bevölkerung zu zerstören. Des Weiteren wird Deutschland beschuldigt, den Völkermord durch massive Waffenlieferungen zu unterstützen. Die deutsche Regierung wird angeklagt, einen Genozid zu leugnen und die israelische Hungerpolitik zu unterstützen. Die Resolution kritisiert die Einschränkung von Möglichkeiten zum Protest in Deutschland und fordert einen sofortigen Waffenstillstand, den Rückzug der Armee und die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Es wird zu breiter Unterstützung für Boykott und Sanktionen gegen Israel und zur Mobilisierung zu Großdemonstrationen aufgerufen.

Anmerkung des Chefredakteurs:

Der Konflikt im Nahen Osten, insbesondere im Zusammenhang mit Gaza, ist von vielen unterschiedlichen Meinungen und Ansichten geprägt. Jeder Journalist nähert sich dieser Thematik auf seine eigene Weise. Es ist verständlich, dass die Sichtweise einer jungen Nachwuchsjournalistin in diesem Artikel zum Ausdruck kommt.

Das Leiden der zivilen Bevölkerung in der Region ist zutiefst beunruhigend, ebenso wie die Terroranschläge der Hamas und das Schicksal der Geiseln. Bei obiaushv.de verfolgen wir die Lage in Israel genau und haben auch Kritik an der Staatsführung geäußert. Es ist legitim, Kritik zu äußern, sei es am Vorgehen der israelischen Truppen oder an anderen Aspekten. Gleichzeitig ist das Existenzrecht Israels für uns unumstößlich.

Der Nahostkonflikt ist jedoch komplex und lässt sich nicht einfach lösen. Es erfordert eine umfassende Herangehensweise, um nachhaltige Lösungen zu finden, die das Leiden der Menschen mindern und zu einem dauerhaften Frieden in der Region führen können.

Quellen: Polizei Berlin, Mitteilung der Organisatoren
Hinweis: Uns wurde eine Teilnahme an dem Kongress im Vorfeld verwehrt.

Beitragsbild zeigt die Demonstration in der Nähe des Brunnens.

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