Egal, ob es die Pflege zu Hause ist oder im Pflegeheim, die Kosten steigen seit Jahren immer stärker an. Viele Menschen können sich diese Kosten kaum noch leisten, und staatliche Leistungen decken nicht immer alles ab. Eine aktuelle Umfrage zeigt dies für die häusliche Pflege auf.
Für 40 Prozent der Befragten reichen die Pflegeleistungen nicht
Im Fokus der Politik und Berichterstattung werden oft nur die stationären Pflegeeinrichtungen beachtet, doch die Mehrheit wird zu Hause und durch Angehörige gepflegt. Grundsätzlich gibt es hier zwei Möglichkeiten: Pflegegeld oder Sachleistungen. Für 56 Prozent der Befragten reichen die Sachleistungen für den ambulanten Pflegedienst nicht mehr aus. 40 Prozent der Befragten können die Pflege zu Hause mit den aktuellen Pflegeleistungen bereits nicht mehr bezahlen, so die Umfrage des Informations- und Serviceportals pflege.de.
Steigender Kostendruck – Letzte Erhöhung 2017
Der gestiegene Kostendruck macht sich bei einem Großteil der Bevölkerung bemerkbar, auch bei den zu Pflegenden und ihren Angehörigen ist dies nicht anders. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) gab es gegen Ende 2021 etwa 5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. 1 Der größte Teil dieser Menschen wird durch ihre Angehörigen gepflegt. Laut dem Bundesamt liegt die Anzahl bei 84 Prozent, dies entspricht etwa fünf von sechs pflegebedürftigen Menschen. Der größte Teil davon nimmt nur das Pflegegeld in Anspruch (2,55 Millionen Pflegebedürftige).
Zuletzt wurde das Pflegegeld 2017 erhöht. Aktuell plant man zwar eine Anhebung der Leistung im nächsten Jahr um 5 Prozent und 2025 eine Steigerung um 4,5 Prozent. Allerdings bleibt die Erhöhung weit hinter der Inflation zurück. Allein 2023 liegt die Inflationsrate bei 5,9 Prozent (Berechnung durch obiaushv.de – Stand 30.08.2023). Viele Menschen müssen schon jetzt auf ihre Ersparnisse zurückgreifen, dies gaben auch 45 Prozent der befragten Personen an.
In Gesprächen mit Pflegekräften und Angehörigen wurde der Kostendruck sehr deutlich beschrieben. Vor allem haben zuletzt einige Pflegeeinrichtungen die Preise immer wieder angehoben. Der Eigenanteil für die stationäre Pflege lag 2021 bei monatlich 2.125 Euro. Dieses Jahr dürfte er etwa 2.411 Euro betragen (Durchschnittspreis).
Gründe für die Steigerung der Kosten gibt es viele, doch insbesondere die Inflation und die gestiegenen Lohnkosten dürften dabei den größten Wert ausmachen. Die Kosten für den Eigenanteil sind in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Häufig sind die Kosten im Osten der Republik noch deutlich niedriger, auch wenn diese in den vergangenen Jahren selbst stark angestiegen sind.
Tarifbindung
Die bundesweite Tarifbindung im Jahr 2022 sorgte teilweise für Steigerungen der Kosten um 40 Prozent, in Einzelfällen sogar noch stärker. Hintergrund dafür war die sogenannte Tariftreueregelung, welche ab September 2022 in Kraft getreten war. Für die Pflegekräfte bedeutete dies oft ein deutliches Plus, aber für die Bewohnerder Einrichtungen war dies meist mit einer drastischen Steigerung der Kosten verbunden. Die Bindung gilt ebenso für ambulante Pflegedienste und Tagespflegen.
In Gesprächen erzählten uns verschiedene Pflegekräfte, dass man sich zwar über die Gehaltssteigerung freut und diese seien oft auch nötig gewesen, nur führte dies oft zu Problemen und Spannungen. Beschwerden wegen der erhöhten Kosten gab es vorwiegend vonseiten der Angehörigen, so Cindy B*.
Cindy ist eine Pflegekraft in einem Altersheim in Brandenburg. Die Bewohner haben oft eher Angst bekommen und wussten nicht, wie sie die Kosten tragen sollen. In der Zusammenarbeit mit der Sozialarbeiterin sei man daher auf die Bewohner zugegangen und habe Beratungen angeboten.
Neben den Pflegekassen gibt es auch die Möglichkeit, beim Sozialamt einen Antrag auf Hilfe zur Pflege zu stellen. Für viele Bewohner sei dies allerdings eine unangenehme Situation gewesen. Einige haben zum ersten Mal in ihrem Leben Sozialleistungen beantragen müssen und sich dafür geschämt, so Cindy B*. Uns gegenüber berichtete sie auch davon, dass es in ihrer Einrichtungen Personen aus den alten Bundesländern gebe, welche sich das Heim wegen der geringen Kosten, im Vergleich zu einem Heim im ursprünglichen Bundesland, ausgesucht hätten.
Existenz der Pflegedienste bedroht?
Allerdings kam es auch in der mobilen Pflege zu steigenden Kosten, daneben geben immer mehr Pflegedienste an, nicht mehr wirtschaftlich arbeiten zu können. Personalnot und weiter steigende Kosten lasten schwer, so eine Umfrage des bpa-Arbeitgeberverbandes aus dem März dieses Jahres.
Nach dieser Umfrage sehen sich zwei Drittel der Pflegedienste in der Existenz bedroht. Es wurden 2.427 ambulante Pflegedienste, Heime und Tagespflege-Einrichtungen befragt. Von den Befragten gaben 77 Prozent an, in den letzten drei Monaten „signifikante negative Veränderungen“ ihres Betriebsergebnisses festgestellt zu haben. Die wirtschaftliche Existenz sahen 68 Prozent gefährdet.
„Hier bahnt sich eine Katastrophe für die Gesellschaft an“, sagte bpa-Präsident Bernd Meurer. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) macht für diese Lage die Kostensteigerungen durch anhaltende Pandemiefolgen, hohe Energiekosten, Tarifpflicht und eine allgemeine Inflation verantwortlich. Laut eigenen Angaben repräsentiert der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) mit über 13.000 aktiven Mitgliedseinrichtungen die umfangreichste Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland.
Zuschläge der Kassen verpufften förmlich
Laut den Verbraucherzentralen gab es 2022 eine deutliche Steigerung bei den Anfragen. Normalerweise spiele das Thema der Entgelterhöhung keine besondere Rolle. Die bundesweite Regelung sorgte allerdings teilweise zu großen Kostensteigerungen. So gab es besonders im Juli und August 2022 eine Häufung von Anfragen und Beschwerden. Seit Anfang 2022 wurde damit begonnen, Zuschläge zu zahlen, doch die Entgelterhöhungen verpufften so förmlich.
Die Zuschläge der Eigenanteile richten sich nach der Zeit im Heim aus, am Anfang weniger und mit den Jahren ansteigend. Der Zuschlag liegt im ersten Jahr bei fünf Prozent und ab dem dritten Jahr bei 70 Prozent.
Pflegeversicherung nur „Teilkasko“
Ein Problem liegt auch in der Ausgestaltung der Pflegeversicherung, diese ist im Grunde eher als eine Teilkaskoversicherung aufgebaut. Es werden also nicht die vollständigen Kosten übernommen. Menschen, welche die Leistungen in Anspruch nehmen müssen, sollen sich mit ihrem Vermögen an der Pflege beteiligen. Mittlerweile sind die Kosten jedoch so stark gestiegen, dass oftmals selbst gute Renten dafür nicht ausreichen.
Die Verbandspräsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, forderte daher schon 2022: „Die Pflegeversicherung muss daher endlich alle Pflegeleistungen übernehmen“. Auch verschiedene Landespolitiker forderten eine Entlastung der Pflegebedürftigen.
Angehörige opfern Geld und Freizeit
Das pflegende Angehörige, oftmals ihre eigene Freizeit und auch Geld für die Pflege opfern, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Die Versorgung durch mobile Pflegedienste ist nicht immer optimal abgedeckt. Angehörige müssen oftmals noch selbst tätig werden. In Deutschland kann jedoch nur eine der Leistungen vollständig bezogen werden: Pflegegeld oder Sachleistung (Ausnahme bildet etwa stationäre Verhinderungspflege). Werden auch Sachleistungen in Anspruch genommen, wird das Pflegegeld entsprechend gekürzt.
Änderung zum 1. Januar 2024: Erhöhung von Pflegeleistungen
Ab dem 1. Januar 2024 gibt es verschiedene Änderungen bei der Höhe der Pflegeleistungen. In den folgenden Tabellen sind diese zusammengefasst. Weitere Änderungen sind zum einen das Auskunftsrecht zu Pflegeleistungen: Die Pflegekasse muss ab dem Stichtag Auskunft über die in Anspruch genommen Leistungen geben, dies gilt für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten nach Inanspruchnahme der jeweiligen Leistung. Ebenso können die Pflegebedürftigen nun Abrechnungsunterlagen und abgerechnete Leistungen besser nachvollziehen. Die Kassen müssen auf Verlangen eine Übersicht an die versicherte Person weitergeben.
- Der Anspruch auf Verhinderungspflege bei Kindern mit dem Pflegegrad 4 und 5 wird auf 8 Wochen angehoben.
- Beschäftigte können bis zu 10 Arbeitstage (Akutsituation) der Arbeit fernbleiben, wenn dies nötig ist, um eine bedarfsgerechte Pflege für nahe Angehörige sicherzustellen. Dafür kann Pflegeunterstützungsgeld gewährt werden.
- Ab 1. Juli 2024: Mitnahmerecht von Pflegebedürftigen in stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen. Pflegepersonen können die pflegebedürftige Person in diese Einrichtungen mitnehmen. Kosten dafür übernimmt die Pflegekasse.
Pflegegrad | Pflegegeld bis 31.12.2023 | Pflegegeld ab 1.1.2024 |
2 | 316 | 332 |
3 | 545 | 573 |
4 | 728 | 765 |
5 | 901 | 947 |
Pflegesachleistungen
Pflegegrad | Pflegesachleistung bis 31.12.2023 | Pflegesachleistung ab 1.1.2024 |
2 | 724 | 761 |
3 | 1.363 | 1.432 |
4 | 1.693 | 1.778 |
5 | 2.095 | 2.200 |
Leistungszuschläge vollstationäre Pflege
Verweildauer im Heim | Leistungszuschlag bis 31.12.2023 | Leistungszuschlag ab 1.1.2024 |
0 –12 Monate | 5 Prozent | 15 Prozent |
13 – 24 Monate | 25 Prozent | 30 Prozent |
25 – 36 Monate | 45 Prozent | 50 Prozent |
mehr als 36 Monate | 70 Prozent | 75 Prozent |
* Name wurde verändert. Die Person ist der Redaktion bekannt.
An der Befragung nahmen 759 Personen teil.