Platz der Hamas-Geiseln ein Kommentar von Alexandra Enciu
Am Bebelplatz in Berlin, zwischen Metallzäunen, befindet sich ein Stück Israels. Die israelische Politik-Beraterin Melody Sucharewicz und die »For Yarden«-Stiftung initiierten eine Aktion, die an die israelischen Geiseln erinnert. Diese Aktion soll die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf das Leid und die Not der entführten Menschen lenken. Sie läuft noch bis zum 6. Juni und ist von Angehörigen der Geiseln initiiert worden.
Mit der Installation wurde mitten in Berlin ein Ort geschaffen, der daran erinnert, dass es eine gemeinsame Aufgabe ist, die Menschen zurück in ihr Leben zu bringen. Zu der Aktion seien auch Angehörige der Geiseln nach Berlin gekommen, um mit der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen.
Es geht um Hoffnung und Verzweiflung …
Gleich am Eingang fällt eine riesige Sanduhr mit der Überschrift „Die Zeit läuft davon“ ins Auge. Der rote Sand fließt langsam, aber stetig, um an die kostbare Zeit zu erinnern, die nicht verschwendet werden darf, um die Geiseln freizubekommen. Die Installation soll die Dringlichkeit der Situation verdeutlichen und daran erinnern, dass jede Minute zählt. Die „Wall of Hope“, drei weiße Tafeln, sind gefüllt mit unterschiedlichen Botschaften in verschiedenen Sprachen für die Angehörigen der Geiseln, für die Regierung und für die Zukunft. „Nunca más“ (Spanisch für „Nie wieder“), „Bringt them home!“, und „Bring them back!“ sind nur ein paar der Botschaften der Besucher:innen.
… um die Bedingungen
Das Projekt am Bebelplatz zeigt auch eine Replika eines Hamas-Tunnels, durch den man gehen kann. Dieser soll an das Tunnelnetz erinnern, das die Hamas-Organisation in die Erde Gazas gegraben hat und dort ein entscheidender Teil der Infrastruktur sei. Die Nachbildung des Tunnels ist ein Versuch, den Besuchern ein Gefühl für die klaustrophobischen und erschreckenden Bedingungen zu geben, unter denen die Geiseln gehalten werden. Freigelassene israelische Geiseln berichten, dass sie direkt nach ihrer Entführung am 7. Oktober 2023 stundenlang durch dieses Tunnelnetz geführt wurden. Es gab Berichte von unterirdischen, schlecht belüfteten Orten der Gefangenschaft. Eine Zeugin beschreibt, in den Tunneln fünf bis sechs Käfige mit Schlössern gesehen zu haben – mit einer Gefangenschaft dort sei ihr gedroht worden, so Medienberichte.
Am Samstag, dem 1. Juni, herrschte eine bedrückende Atmosphäre in der Luft. Zwar schien noch die Sonne, jedoch sammelten sich in der Ferne dunkle Wolken. Als es plötzlich anfing zu regnen, suchten die Menschen innerhalb der Ausstellung Zuflucht. Eine Besucherin nutzte hierbei den Eingang vom Tunnel und schaffte damit ein etwas beklemmendes Bild: Hamas-Tunnel als Zuflucht. Im Tunnelnachbau ist die Luft schwer, es wird beim Vorwärtsgehen schnell dunkel und immer lauter. An den Wänden hängen Lautsprecher: Schreie, Maschinengewehrfeuer und Weinen sind zu hören und tragen zu einer düsteren Atmosphäre bei.
… und Aktivismus
Die Hamas und ihre Unterstützer haben am 7. Oktober 2023 bei einem Angriff auf Israel etwa 1.200 Menschen ermordet und Frauen, Männer und Kinder entführt. 105 der mehr als 240 Geiseln kamen nach einer Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas nach knapp zwei Monaten frei. Das Schicksal der übrigen Geiseln ist unklar. Nach israelischen Angaben seien etwa 100 von ihnen noch am Leben.
Das israelische Militär entdeckte im Dezember 2023 ein weitverzweigtes Tunnelsystem in Gaza-Stadt. Freigelassene Geiseln berichteten, dass sie in den Tunneln festgehalten wurden. Die Entdeckung dieses Tunnelsystems hat die internationale Aufmerksamkeit auf die komplexe und gefährliche Infrastruktur der Hamas gelenkt. Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge tote Geiseln aus den Tunneln im Gazastreifen geborgen.
Am Bebelplatz schüttet es inzwischen und die weiteren Besucher:innen finden Zuflucht auf der Bühne, wo ein Klavier steht. Davor hatte der junge Mann, der am Instrument sitzt, gesungen und performt. Vor ihm steht ein Foto. Familie? Freund? Die Information ist nicht bekannt. Das Bild der Besucher:innen und dem Sänger auf der Bühne wärmt das Herz: Fremde helfen Fremden, den Schmerz zu überwinden. Diese Momente der Solidarität und des Mitgefühls zeigen, wie Kunst und gemeinsame Trauer Menschen zusammenbringen können.