Wie das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) heute bekannt gab, wurde die als rechtsextremistisch, rassistisch und antisemitisch eingestufte Vereinigung „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ („Artgemeinschaft“) einschließlich aller Teilorganisationen verboten. Zu diesen Teilorganisationen gehören die sogenannte „Gefährtschaften“, „Gilden“, „Freundeskreise“ und das „Familienwerk e.V.“.
Razzien in zwölf Bundesländern!
Die Einsatzkräfte der Polizei durchsuchen seit den frühen Morgenstunden 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und die Räumlichkeiten des Vereins. Betroffen davon sind zwölf Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen).
In Bayern soll demnach das Haus der Vorsitzenden Sabrina S. und der Schatzmeisterin des Vereins durchsucht werden.
Seit mehr als einem Jahr wurde das Verbot laut BMI vorbereitet. Die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der Landesämter für Verfassungsschutz spielten eine entscheidende Rolle, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Bei diesem Vereinsverbot sollen die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern eng kooperiert haben.
Arzt unter den Durchsuchten
In Essen wurden die Staatsschutz-Fahnder aktiv, dort wurde die Praxis und Wohnung von Dr. Gerhard H. durchsucht. In dieser Angelegenheit ist die Spezialeinheit BFE aktiv, da die Ermittler festgestellt haben, dass der Arzt und seine Söhne Zugang zu Waffen haben, und einige von ihnen im Internet mit Gewehren posierten. Dr. Gerhard H ist bekennender Anthroposoph und war einige Zeit für die Waldorfschule Essen als Schularzt tätig.
Sein Sohn Felix ist in rechten Kreisen ebenso kein Unbekannter und zeigte sich in sozialen Netzwerken immer wieder mit Gewehren oder war in rechten Gruppierungen aktiv. Bei einem Rechtsrockkonzert in Ostritz war er als Sicherheitskraft der „Arischen Bruderschaft“ tätig. Felix H. war ebenso bei der Blockade der CDU-Zentrale in Berlin durch Identitären Bewegung beteiligt und war lange Zeit in deren Umfeld aktiv.
Der Bruder Clemens H. ist mit Alruna Kubitschek liiert und wohnt zusammen mit ihr und ihren Eltern in Sachsen-Anhalt. Ihr Vater ist der Rechtsextremist Götz Kubitschek. Seit vielen Jahren etabliert Kubitschek in Schnellroda, Sachsen-Anhalt, seinen extrem rechten Thinktank „Institut für Staatspolitik“ (IfS) und entwickelte dort weitere rechte Strukturen und vermittelt ihren Mitgliedern eine ideologische Grundlage.
Die Familie H. pflegt allgemein ein Umgang zu diversen rechten Organisationen, wie AfD, Burschenschaften und rechten Bünden oder Identitäre Bewegung. Es sollen außerdem Verbindungen zum Hannibal-Netzwerk gegeben haben, dies berichtete lsa-rechtsaussen.net.
Indoktrination von Kindern
Die „Artgemeinschaft“ war bis zuletzt mit anderen rechten Strukturen stark vernetzt. Innerhalb der Gruppierung gab es verschiedene Strömungen und verband daher auch eher okkulte Rechtsextreme mit weltlichen Anhängern der Menschenfeindlichkeit.
„Mit der ‚Artgemeinschaft‘ verbieten wir eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung. Das ist ein weiterer harter Schlag gegen den Rechtsextremismus und gegen die geistigen Brandstifter, die bis heute NS-Ideologien verbreiten. Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen“, teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einer Mitteilung für die Presse mit.
Mit dem heutigen Verbot wurde jegliche Fortführung der Vereinsaktivität untersagt.
Rechte Pädagogen
Besonders heimtückisch ist die Gruppierung, weil man bereits Kinder und Jugendliche gezielt mit seinen Ansichten versuchte zu beeinflussen. Es wundert daher auch nicht, dass in der Gruppierung sogar Lehrer tätig waren. Ein Beispiel dafür ist der rechtsextreme ehemalige Waldorflehrer Wolf-Dieter Schröppe, welcher Jahrzehnte Mitglied der Vereinigung war. Selbst nach Bekanntwerden dieser Mitgliedschaft konnte er noch mehrere Monate an der Mindener Waldorfschule bleiben, weil sich sein Kollegium für ih aussprach.
Aufgeflogen war diese Mitgliedschaft, weil Schüler seinen Namen in einem Artikel fanden, welcher sich mit einem Friedhof für Alt-Nazis beschäftigte. Wolf-Dieter Schröppe war eben nicht nur der Waldorflehrer für „Handwerk und Künstlerisches“ sondern auch Vorsitzender des Trägervereins des Friedhofs.
Trotzt, dieser Enttarnung konnte der Lehrer noch einige Zeit weiter machen. Ein Teil der Schülerschaft wendete sich an die Lehrerschaft, doch bissen dort sprichwörtlich auf Granit. Ursprünglich fing Schröppe dort als Hausmeister an und konnte das Vertrauen der Kolleg:innen gewinnen. Die Schüler:innen fanden bei ihren Recherchen sogar ein Bild, welches ihren Lehrer mit dem NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke zeigte. Die Aufnahme stammte aus einer Schule in Argentinien, welche unter Leitung von Priebke stand. In dieser feierte man offen den Geburtstag von Adolf Hitler.
Landesarbeitsgemeinschaft Waldorf NRW sah die Hände gebunden
Die Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus NRW machten darauf aufmerksam, dass die Gesinnung von Schröppe nicht nur dort sichtbar wurde. Wolf-Dieter Schröppe sei Aktivist und Autor in extrem rechten, völkischen und neonazistischen Netzwerken, zudem habe er Kontakte zu Mitgliedern der AfD und der rechtsextremen Identitären Bewegung gehabt. Auf diese Fakten reagierten „führende Teile des Kollegiums“ ablehnend. Die Gesinnung des Kollegen konnte man sich schlicht nicht vorstellen oder wollte es sich selbst nicht eingestehen, einen solchen Menschen in den eigenen Reihen zu haben.
Der Bund der Freien Waldorfschulen gab sich demonstrativ handlungsunfähig. Wilfried Bialik, damals Landesarbeitsgemeinschaft Waldorf NRW, meinte zu der Thematik:
„Wir haben keine Möglichkeit, direkt in Arbeitsverträge und sonstiges von Schulen einzugreifen. Die Schulen sind gemeinnützige Vereine, die sind von Eltern und Lehrern selber organisiert, und alle Maßnahmen, die da getroffen werden, können und dürfen nur von der Schule getroffen werden.“
Gesichert war seine Mitgliedschaft in der sektenähnlichen Vereinigung ab dem Jahr 2005. Die Enttarnung geschah erst 2015. Zu dem Zeitpunkt leitete er den Trägerverein der „Ahnenstätte Conneforde“ bei Oldenburg schon mehrere Jahre, dort war er seit 2008 immerhin Leiter. 1 Das Wolf-Dieter Schröppe der Polizei seit Jahren bekannt war, dürfte zu diesem Zeitpunkt also niemanden mehr überrascht haben. Der Staatsschutz fertigte Listen über die Teilnehmer:innen eines Treffens im Dezember 2005 an. Darauf der Name „Wolf Schröppe“ und ebenso der Name seiner Frau, wie auch der Kinder. Die Weiterleitung der Daten an das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Land NRW sind bestätigt.
Vier Monate durfte Schröppe nach Bekanntwerden noch an der Waldorfschule unterrichten. Der Arbeitsvertrag wurde durch die Schule aufgehoben und der Lehrer erhielt eine Abfindung in unbekannter Höhe. 2
Was ist die „Artgemeinschaft“?
Laut dem BMI handelt es sich hierbei um eine neonazistische, rassistische, fremden- und demokratiefeindliche Vereinigung mit rund 150 Mitgliedern. Beobachter der rechten Szene bezeichnen die Gruppierung eher als Sekte oder sektenähnliche Gruppierung. 1 Eine Einladung zu Treffen dieser Gemeinschaft erhielt nicht jeder Mensch und auch nicht zufällig. Entweder musste man sich in der Szene gut auskennen, also vernetzt sein, oder über eine entsprechende Bekanntheit verfügt haben.
Die Vereinigung richtete sich bis zum Schluss gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Insbesondere agierte man mit antisemitischen Inhalten und setzte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung ein. Unter dem Glaubensgerüst, welches das BMI als „Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens“ bezeichnete, verbreitete man ein zutiefst rechtsextremes, rassistisches, fremden- und demokratiefeindliches Weltbild. Als Ziel setzte man sich die Erhaltung und Förderung der eigenen „Art“, im Grunde meinte man damit nichts anderes als eine der anderen Menschen überlegenden „Rasse“.
Die Ideologie der Rassenlehre war dabei jedoch nur ein menschenverachtender Bestandteil dieser Gruppierung. Symbolik, Narrative und Aktivitäten des Vereins zeigten zudem weitere Parallelen zum Nationalsozialismus auf.
Arische Ehe – Gattenwahl
Mitglieder des Vereins sollten laut den internen Anweisungen nur die nord- und mitteleuropäischen „Menschenart“ zur Gattenwahl in Betracht ziehen. Die Parallele zur arischen Ehe kommt einem dabei nicht nur zufällig in den Sinn. Es sollte damit das richtige Erbgut weitergegeben werden, so die Ideologie der Gruppe. Menschen aus anderer Herkunft wurden damit zusätzlich herabgesetzt, als förmlich unwürdig.
Zweck der Gruppierung
Einziger Zweck der Gruppierung war es im Grunde, die eigene Ideologie weiterzugeben. Erfolgt ist dies vorwiegend durch die Vermittlung der eignen Ansichten an Kinder und Jugendliche. Dafür wurde einschlägige Literatur genutzt, teils aus der NS-Zeit stammende Werke. Der Verein verfügte dafür über einen Bücherdienst. Dieser Dienst sowie die Präsenzen in sozialen Medien waren auch Nicht-Mitgliedern zugänglich. Damit wurde für die eigne Ideologie geworben und auch Nachwuchs für den Verein gesucht.
Für andere Gruppierung, wie „Sturm-/Wolfsbrigade 44“ und der „Heimattreuen Deutschen Jugend e.V.“, bildete die Gemeinschaft eine ideologische Grundlage. Die beiden anderen genannten Vereinigungen wurden bereits verboten.
Rechte Akteure an Waldorfschulen sind kein Einzelfall und kommen immer wieder vor.
Der geschätzte Kollege Oliver Rautenberg hat auf seinem Blog einiges zu diesem Thema zusammengetragen: https://anthroposophie.blog/.
Der Mord an einem Nazi – Anthroposophie.blog
Der Waldorflehrer und die anthroposophischen UFOs – Anthroposophie.blog
Kein Unterschied zwischen Waldorf und der NPD – Anthroposophie.blog