Vor dem Landgericht Frankfurt (am Main) steht ein Frauenarzt, dem der Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge nach dem Tod einer Patientin im Zuge einer Schönheitsoperation gemacht wird. Der 61-jährige Frauenarzt hat zu Prozessbeginn die Verantwortung für den tragischen Vorfall im November 2019 übernommen. Die Anklage wirft ihm vor, während einer Fettabsaugung und Lidstraffung hygienische Standards missachtet und die Narkoseunverträglichkeit der Patientin ignoriert zu haben. Ein Blick in die Hintergründe dieses Prozesses wirft Licht auf die Herausforderungen und Risiken ästhetisch-plastischer Eingriffe sowie die Rolle der Qualifikation und Aufklärung der Patienten.
Die verhängnisvolle Schönheitsoperation
Die 34-jährige Patientin entschied sich für eine vergleichsweise routinehafte Schönheitsoperation, bei der eine Fettabsaugung am Nacken und eine Lidstraffung durchgeführt werden sollten. Beide Eingriffe zählen zu den häufigsten Schönheitsoperationen, wie die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) mitteilte. Die große Besonderheit in diesem Fall: Der operierende Mediziner war jedoch kein Facharzt für den entsprechenden Bereich. Die DGÄPC kritisierte in einer Pressemeldung „die mangelnde Qualifikation eines nicht dafür ausgebildeten Arztes“ und wie die im schlimmsten Fall enden könne.
Während der Operation, die an einem Samstag in einer Hausarztpraxis stattfand, traten Komplikationen auf. Die Patientin reagierte schlecht auf die Narkose und erlitt einen Herzstillstand. Zusammen mit der Praxisinhaberin belebte der Angeklagte die 34-jährige Patientin wieder. Aufgrund der erlittenen Hirnschäden verstarb die Frau jedoch zwei Wochen nach der Operation.
Ignorierte Narkoseunverträglichkeit
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Frauenarzt vor, die Narkoseunverträglichkeit der Patientin ignoriert zu haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, nicht nach den Standards der ärztlichen Kunst gehandelt und hygienische Vorschriften missachtet zu haben.
Zu Beginn des Prozesses übernahm der angeklagte Frauenarzt die Verantwortung für den Tod der Patientin und drückte sein Bedauern aus. Dennoch bestritt er einige Punkte der Anklage. Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage, ob die Patientin angemessen über die Risiken der Operation aufgeklärt wurde und ob sie unter diesen Umständen in den Eingriff eingewilligt hätte.
Die Staatsanwaltschaft erhebt Vorwürfe wegen Nichteinhaltung ärztlicher Standards, Missachtung hygienischer Vorschriften und Ignorieren der Narkoseunverträglichkeit. Der Prozess ist auf sechs Verhandlungstage bis Anfang Februar angesetzt.
Fachärzte üben massive Kritik
Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie übt Kritik an die Möglichkeit, dass Schönheitsoperation auch von fachfremden Ärzten ausgeübt werden können. Vor allem geht es dabei um ästhetisch-plastische Operationen, welche nichts mit der jeweiligen Facharztausbildung bzw. mit dem eigentlichen Fachgebiet zu tun haben. Sie bringen ihre Sorge zum Ausdruck, dass die Patienten sich von mangelhaft qualifizierten Ärzt:innen operieren lasen.
„Die Antwort hierauf liegt auf der Hand: Weil es bisher keine klare gesetzliche Regelung gibt und im Prinzip jeder Arzt und jede Ärztin nach Abschluss des Medizinstudiums sich selbst mit nicht geschützten Titeln wie Schönheitschirurg, Experte/in für Ästhetische Chirurgie, Beauty Doc, und ähnlichem schmücken darf. Das führt zwangsweise zu einer Irreführung bei den Patient*innen“, mahnt Dr. med. Helge Jens, Präsident der DGÄPC und Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie.
„Großes Informationsleck auf Seite der Patient*innen“
Erschwerend komme hinzu, so Dr. Jens weiter, „dass es ein großes Informationsleck auf Seite der Patient*innen“ existiere. Das bestätigte die DGÄPC Statistik 2023. In der jährlichen Patientenbefragung der Fachgesellschaft sticht eine Zahl besonders ins Auge: Die Unkenntnis der Patient*innen über die Qualifikation der behandelten Ärzt*innen. Ein Großteil der Patient*innen kenne den Unterschied zwischen Fachärzt*innen für Plastische und Ästhetische Chirurgie und selbst ernannten Beauty Docs, Schönheitschirurg*innen und Expert*innen für Ästhetische Medizin nicht.
Der größte Wert liegt primär bei den unter 30-Jährigen vor. Hier kennen 52,8 Prozent der Patient:innen nicht den Unterschied zwischen einem Facharzt/einer Fachärztin mit langjähriger, fundierter Ausbildung und einer selbst verliehenen Titulierung wie „Schönheitschirurg:in“, Beauty Doc und ähnlichem. An dieser Stelle müsste sich auch die Politik fragen, ob es nicht Zeit wäre, mit entsprechenden Regelungen zu reagieren.
Laut Dr. med. Helge Jens würden die Fälle „von fehlverstandener Qualifikation für ästhetisch-plastische Operationen“ zunehmen. Aus seiner Sicht sei dies „nicht nur ethisch unmoralisch seitens des Arztes/der Ärztin“. Er rät den Patientinnen und Patienten die Ausbildung und Fähigkeiten des Arztes/der Ärztin zu „hinterfragen“.