Panne oder absichtliche Vorverurteilung der »Letzten Generation«? Von Razzien in Deutschland und der Beschlagnahme der Website.
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Bundesweite Razzien gegen die Vereinigung Letzte Generation
Aus den Schlagzeilen kommt die selbst ernannte »Letzten Generation« nur selten heraus, doch heute geht es nicht um die Protestaktionen, sondern um bundesweite Maßnahmen gegen die Gruppierung. Doch was war passiert?
Die Generalstaatsanwaltschaft München, genauer die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET), führt ein Ermittlungsverfahren gegen die »Letzte Generation« durch. Im Zuge der Ermittlungen wurden heute 15 Objekte im Bundesgebiet durchsucht. Zahlenmäßiger Schwerpunkt war dabei die Bundeshauptstadt Berlin, dort wurden vier Objekte durchstöbert. Neben den Ermittlungen wurden zwei Kontobeschlagnahmebeschlüsse und ein Vermögensarrest vollstreckt.
Laut Generalstaatsanwalt wird gegen sieben Beschuldigte ermittelt, welche zwischen 22 und 38 Jahre alt sein sollen.
Den Beschuldigten wird von der Generalstaatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass diese zur Finanzierung weiterer Straftaten Spendengelder in Höhe von mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen. Das Bündnis wird beschuldigt, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Laut den aktuellen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden, sei das Geld überwiegend zu Begehung von Straftaten eingesetzt worden. Durch Medienberichte wurde bekannt, dass die »Letzte Generation« durchaus Strafzahlungen für eigene Akteure zahlte. Festnahmen erfolgten allerdings jedoch nicht. Etwa 170 Beamte sollen im Einsatz gewesen sein. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte der Funke-Mediengruppe gegenüber, dass die Maßnahmen zeigten, „dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt“.
Mögliche Vorverurteilung durch LKA und Generalstaatsanwaltschaft
Neben der Einfrierung der Finanzmittel wurde auch die Website der Letzten Generation beschlagnahmt. Statt der Homepage sollte ein Text angezeigt werden, dies ist bei einer Beschlagnahmung nicht ungewöhnlich. Nur stellte der angezeigte Text womöglich eine Vorverurteilung der Gruppierung dar.
Statt der eigentlichen Website wurde ein Bild angezeigt, auf diesem war Folgendes zu lesen:
„Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!“
Für eine solche Aussage bedarf es jedoch einer richterlichen Feststellung, sprich ein Urteil und davor ein Prozess. Somit veröffentlichte man eine Vorverurteilung auf der eignen Homepage der Gruppierung, was sicherlich ein Nachspiel haben dürfte. Zumindest erkannte man bei der Staatsanwaltschaft diesen Fehler nach einigen Stunden (und mehrmaligen Nachfragen durch Journalist*innen) und ließ den Text abändern.
Der aktuelle Text spricht nur noch von einer Beschlagnahmung der Website. Bei einigen Internetnutzern wurde dieser Text jedoch nicht angezeigt, dies kann verschiedene technische Gründe haben. Eine Beschlagnahme einer Website bzw. Domain kann auf verschiedene Arten erfolgen. Bisher hat man nur Kontrolle über den Server, durch den DNS Anbieter Cloudflare wird die Adresse letztegeneration.de auf das Twitterprofil der Bewegung weiter verlinkt. Wer, das Bild auf einem offiziellen Server der bayrischen Polizei anschauen möchte, kann dies hier (klicken) tun oder in dieser Galerie:
Die Pressemitteilung des bayrischen Landeskriminalamtes sprach hingegen von Anfang an nur von einer Beschlagnahme und verurteilte die Gruppierung nicht vor. Auf Nachfrage wurde jedoch die Aussage auf dem Bild als echt bestätigt. Die Staatsanwaltschaft sah sich nach vielen Anfragen offenbar doch gezwungen, die Änderung des Textes zu veranlassen. Mit dem neuen Text sollen insbesondere Missverständnisse vermieden werden, so die Antwort aus München. Am Ende klingt diese jedoch eher nach Ausrede statt Einsicht.
Äußerungen der »Letzten Generation«
Auf dem eigenen Twitteraccount erklärte die Gruppierung die Aktion für „völlig bekloppt“ und man kündigte weiteren Protest an. Die Äußerung spielte auf eine Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz an, welcher vor Schüler*innen in Kleinmachnow die Aktionen des Bündnisses als „völlig bekloppt“ bezeichnete.
Sprecherin der Gruppe, Aimee van Baalen, erklärte auf einer Pressekonferenz, dass die Durchsuchungen sehr hart sein. „Sie machen uns Angst“, sagte sie weiter. Jedoch dürfe man in der Angst nicht verharren. Die Regierung würde Deutschland „sehenden Auges in eine Klimahölle fahren“. Van Baalen betonte jedoch auch an den Rechtsstaat zu glauben und sehe dem Prozess nicht mit Angst entgegen.
Unterstützung aus Politik und von Extinction Rebellion
Unterstützung gab es aus der Politik, Linken-Vizechef Lorenz Gösta Beutin bezeichnete die Razzia als „völlig überzogen“. Die »Letzte Generation« setze „auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen“.
Auch vonseiten der Aktivisten von »Extinction Rebellion« gab es Unterstützung, sie erklärten sich mit den Beschuldigt*innen solidarisch. Auf Twitter schrieben sie: „Lobbys und Konzernen legen wir das Handwerk nur gemeinsam“. Die Begründung der Razzien, mit der Bildung einer kriminellen Vereinigung, solle „umfassende Überwachung ermöglichen, Rechte und Demokratie aushebeln und vor allem: von den wahren Kriminellen ablenken“.
Update von 17:00 Uhr
Ersatzwebsite auf neuen Server online
Um das technische Verständnis ist es bei deutschen Behörden nicht immer gut bestellt. Wenigstens ist man aufseiten der Aktivisten offensichtlich besser aufgestellt. Die Behörden hatten bisher nur Kontrolle über den Server bei Strato, jedoch nicht über die eigentliche Domain. Dank dem DNS-Anbieter Cloudflare kann man die Domain für sich weiter nutzen und verlinkt nun auf eine neue Domain, samt Website.
Aus letztegeneration.de wird so letztegeneration.org. Clever und aus technischer Sicht hervorragend gemacht. 😉
Frühere Informationen? Dann folge uns auf Twitter:
Vorverurteilung von #LetzteGeneration?
— OBIausHV 📯 (@Obiaushv) May 24, 2023
Die Website wurde beschlagnahmt, als Ersatz tauchte bzw. taucht folgendes Bild auf, welche die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung bezeichnet und nicht nur von einem Verdacht spricht.
Zum Vergleich: Die Pressemitteilung vom LKA pic.twitter.com/syDndbo5Ku