Ich bin jetzt endlich dazu gekommen, Isabella Eckerles Buch »Von Viren, Fledermäusen und Menschen« fertig zu lesen und eine kurze Rezension zu schreiben. Worum geht es in dem Buch? Zum einen geht es generell um Zoonosen, daneben stellt Frau Eckerle aber auch ihre eigene Arbeit dar und versucht ihre Themen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Sie schreibt dabei sehr lebendig und anschaulich und – soweit ich das beurteilen kann – auch für jene mit geringem Vorwissen meist gut verständlich. Das Buch ergeht sich nicht in der Auflistung möglichst vieler Details zu Krankheitsverläufen oder zu molekularen Mechanismen, sondern hat den Fokus allgemeiner auf den Zusammenhängen von Viren, biologischer Vielfalt, menschlichem Handeln und wie daraus Übergänge von Krankheiten zwischen Arten hervorgehen. Dabei geht es fast nur um Viren, aber das ist letztendlich eine Stärke des Buchs, den neben allgemeinen Beschreibungen und anschaulichen konkreten Beispielen können so viele persönliche Blickwinkel zur eigenen Arbeit von Eckerle das Buch zu einem lebendigen Überblick über ein konkretes Forschungsgebiet machen.
Als Leser wird man mit ins Labor und ins Feld genommen, darf Faszination und Frustration des Forschungslebens miterleben und gewinnt dadurch auch ein besseres Verständnis dafür, woher das präsentierte Wissen stammt, welcher Aufwand hinter vielen Forschungsprojekten liegt, welche Fragen noch offen bleiben – und auch, warum es uns bisher nicht möglich war, diese zu beantworten. So erfahren wir, wie man Fledermäuse fängt, beprobt und unverletzt wieder freilässt, wie molekulare Diagnostik in den Klinikalltag einfließt und auch wie in der Wissenschaft Wettstreit und Zusammenarbeit in der SARS-CoV-2-Pandemie zusammen wirkten und welche Rolle das Teilen von Daten und Erkenntnissen in unserer heutigen digitalen Welt für die Wissenschaft bedeutet.
SARS-CoV-2 taucht zwar immer wieder auf, ist aber nur eine von vielen Zoonosen, um die es geht. Neben SARS, MERS, Ebola und Influenza geht es auch um Masern, Hanta, Hepatitis und mehr, eben um die ganze Bandbreite an Viren, die zwischen Tier und Mensch, aber auch umgekehrt oder von einer Tierart zur anderen übertragen werden können. Dabei wird immer wieder klar, dass es eben nicht das Virus an sich ist, sondern dass die ökologischen und gesellschaftlichen Umstände Übertragungen erst möglich machen und dann eine weitere Ausbreitung fördern oder behindern – und warum die Veränderungen, die die Menschheit anstößt, vor allem auch Biodiversitätskrise und Klimawandel, das Risiko solcher Übergänge steigern.
Die Fledermäuse treten dabei nicht nur im Titel, sondern auch im Buch immer wieder auf – als Reservoire für zoonotische Viren, aber auch als faszinierende und sympathische Tiere, die nicht nur wichtiger Teil von Ökosystemens sind, sondern deren Biologie vielleicht sogar Ansätze liefern könnte, besser mit Viren zurechtzukommen, die aber in unserer modernen Welt leider immer mehr unter Druck stehen. Wir erfahren ebenfalls, warum gerade diese Bedrohung von Arten für uns auch wieder zum Risiko werden kann.
Auch wenn die zunehmenden Gefahren durch Zoonosen ein Kernthema des Buchs sind, bringt Frau Eckerle auch Gründe für Optimismus, denn unser schnell wachsendes Wissen gibt uns eben auch die Mittel, gegenzuwirken und so gipfelt das Buch in einem starken Plädoyer für einen „One Health“-Ansatz, der nicht nur auf Krankheitsausbrüche reagiert, sondern ihnen vorbeugt – was vielfältige Maßnahmen im sozialen Bereich, im Tier- und Umweltschutz, aber insbesondere auch einen intelligenten Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel erfordert.
Die Zusammenschau verschiedener Wissensstränge, die Perspektivwechsel von Mensch zu Virus, zu Tier und zurück, machen das Buch in meinen Augen sehr lesenswert. Denn gerade dadurch entsteht ein umfassenderes Bild, das zum einen zeigt, dass virologische Forschung eben nicht in einem vom Rest der Welt isolierten Elfenbeinturm stattfindet und zum anderen, warum ein Blick über Klinik und aktuelle Pandemien hinaus so wichtig ist. Diese verschiedenen Aspekte machen es nicht nur zu einem guten Einstieg für alle, die sich generell zum Thema zoonotische Viren informieren wollen, ohne sich zu sehr in klinischen oder molekularen Details zu verlieren, auch für Lesende mit einem fachlichen Hintergrund bietet das Buch durch die verschiedenen Perspektivwechsel von Mensch zu Tier zur Ökologie interessante Ansätze, Viren und ihren Kontext neu zu betrachten.
»Von Viren, Fledermäusen und Menschen«
Prof. Dr. Isabella Eckerler
Droemer Knaur Verlag, München 2023
ISBN 9783426278987 – Gebunden, 288 Seiten, 22,00 € | E-Book, 18,99 €
Erscheinungstermin: 01.09.2023 – Lieferstatus: Verfügbar