Das Bild zeigt ein modernes Gebäude mit großen Glasfenstern und einem klaren blauen Himmel darüber. Vor dem Gebäude befindet sich eine Mauer mit der Aufschrift “THÜRINGER LANDTAG”. Über dem Bild liegt die Umrisskarte von Thüringen. SYMBOLBILD Thüringen, Wahlen 2024, Landtagswahl

Die Landtagswahl in Thüringen 2024 brachte ein historisches Ergebnis: Mit 32,8 % der Stimmen wurde die AfD zur stärksten Kraft, vor der CDU und dem BSW. Sofort wurden Forderungen laut, die AfD solle die Regierung übernehmen, da dies dem Wählerwillen entspräche. Doch ist ein Wahlsieg allein Grund genug für eine Regierungsbildung?

Die AfD muss in Thüringen regieren?!
Ein Kommentar von Steven Oberstein

Wahlen: Das Herzstück der Demokratie

Dass freie Wahlen ein elementarer Kern der Demokratie sind, sollte heute kein Geheimnis mehr sein, aber sie allein garantieren noch keine Regierungsbildung. Demokratie umfasst viele Aspekte, darunter den Schutz von Minderheitenrechten, die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung. Wahlen sind nur ein Ausdruck des Volkswillens, aber sie entscheiden nicht allein über die Regierungsbildung. Das bloße Wahlergebnis entscheidet nicht, wer die Regierung stellen darf, wenngleich es oft so ist. In einer repräsentativen Demokratie geht es nicht nur um die Mehrheit der Stimmen, sondern auch um das Aushandeln und Finden von Mehrheiten im Parlament.

Der Wahlsieger: Kein Automatismus zur Regierungsbildung

Entgegen der verbreiteten Meinung gibt es kein demokratisches Gesetz, das besagt, dass der Wahlsieger automatisch die Regierung stellen muss. In Deutschland und auch in Thüringen gilt vielmehr, dass eine handlungsfähige Regierung eine parlamentarische Mehrheit hinter sich versammeln muss. Selbst eine relative Mehrheit, wie sie die AfD erreicht hat, gibt der Partei keine direkte Legitimation zur Regierungsbildung, sondern erfordert eine Koalition oder zumindest geduldete Zusammenarbeit mit anderen Parteien. In Thüringen hat die AfD jedoch keine absolute Mehrheit erreicht und muss Koalitionspartner finden. Da andere Parteien die Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, bleibt ihre Fähigkeit zur Regierungsbildung fraglich.

Die Koalitionsbildung ist ein zentrales Element des parlamentarischen Systems in Deutschland. Da bei Wahlen hierzulande nur selten eine absolute Mehrheit erreicht wird, müssen Parteien zusammenarbeiten, um eine stabile Regierung zu bilden. Dieser Prozess fördert auch den Kompromiss und die Zusammenarbeit – was auch wesentlich für das Wesen der Demokratie ist. Obwohl die AfD die größte Stimmbasis erhalten hat, kann sie ohne Mehrheiten keine Regierung bilden. Es zeigt sich immer wieder, dass politische Mehrheiten nicht nur durch Stimmanteile bei Wahlen entstehen, sondern durch politisches Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, langfristige Bündnisse zu schmieden. Besonders brisant wird die Lage in Thüringen durch die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Landes-Verfassungsschutz.

Regierungsbildung ist mehr als AfD-Wahlsieg

Es ist ein Trugschluss, zu behaupten, die AfD müsse als Wahlsieger automatisch die Regierung in Thüringen stellen. In unserem demokratischen System muss ein Wahlsieger stabile Mehrheiten bilden können. Eine Koalition wird dabei meistens vom Wahlsieger ausgehend entwickelt und bildet dann oft die Regierung, jedoch eben nicht immer. Gerade bei den Landtags- und Bundestagswahlen sehen wir dies immer wieder. Insgesamt sehen wir in den vergangenen Jahren eine größere Aufteilung der Wählerstimmen. Die klassischen Volksparteien können immer weniger Menschen für sich begeistern. Gerade in dieser Zeit ist es immer entscheidender, dass die Parteien eine stabile Koalition bilden können. Der AfD dürfte dies nicht gelingen. Der Koalitionsbildungsprozess wird dabei zunehmend komplizierter, da ideologische Gräben zwischen den Parteien tiefer werden und neue, oft radikalere Parteien hinzukommen.

Andere Parteien haben das gute Recht, nicht mit dieser Partei zu kooperieren. Gerade mit der Höcke-AfD aus Thüringen wollen die meisten Parteien nicht zu tun haben. Bisher haben alle anderen Parteien der AfD eine Absage erteilt, da nützt am Ende auch der Wahlsieg nichts. Daran ist auch nichts antidemokratisch, denn immerhin haben über 70 Prozent die AfD nicht gewählt – ja über 70 Prozent, denn neben der Wählerschaft gibt es 26,4 Prozent Nichtwähler – und sie haben sich mehrheitlich nicht für die AfD entschieden. Das demokratische System sieht keine Verpflichtung zur Regierungsbeteiligung vor, nur weil eine Partei die meisten Stimmen erzielt hat. Es ist legitim, dass die anderen Parteien diese Mehrheit bedenken.

Gerade, wenn man den gesicherten Rechtsextremismus der Partei bedenkt. Diese Einstufung durch den Verfassungsschutz ist ein klares Signal dafür, dass andere Parteien guten Grund haben, eine Zusammenarbeit mit der AfD zu verweigern. Die AfD erhält aufgrund des Ergebnisses eine Sperrminorität, was es einer zukünftigen Regierung schon deutlich erschwert, bestimmte Änderungen durchzusetzen. Auch wenn es einige Medien anders sehen mögen, die AfD muss man nicht regieren lassen, man muss nicht mit ihnen zusammenarbeiten; die Partei kann man ignorieren, doch ihre Wählerschaft nicht. Eine bestimmte Klientel der Partei kann man nicht mehr zurückgewinnen; dies sollte allen klar sein. Es gibt genug Menschen, die diese Partei gerade wegen der extremen Aspekte wählen und es ihnen eben nicht nur egal ist. Rein faktisch kann man die AfD nicht stellen, aber man muss versuchen, den Menschen die Angst zu nehmen und nicht der radikalen Partei hinterherrennen. Abstiegsängste sind der Nährboden der AfD.

Die politischen Mechanismen in Thüringen zeigen, dass Wahlergebnisse nur ein Teil des demokratischen Prozesses ist. Eine Regierung muss auf einer stabilen Mehrheit und der Zusammenarbeit zwischen den Parteien basieren – und diese fehlt der AfD.

Bild (unbearbeitet): Landtag Thüringen, Michael Reichel)

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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