Das Bild zeigt eine Flagge, die hauptsächlich rot ist. In der Mitte befindet sich ein weißer Stern und ein Halbmond. Der Stoff der Flagge scheint zu wehen oder zu flattern, was auf Bewegung oder Wind hindeutet. Im Vordergrund ist eine Hand zu sehen, die den Wolfsgruß zeigt. Merih Demiral Wolfsgruß Symbolbild

Beim Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Österreich und der Türkei sorgte der türkische Verteidiger Merih Demiral nicht nur durch seine sportliche Leistung, sondern auch durch eine kontroverse Geste für Aufsehen. Demiral, der maßgeblich zum 2:1-Sieg seines Teams beitrug, zeigte nach seinem zweiten Treffer den sogenannten »Wolfsgruß« – eine Handgeste, die als Symbol der rechtsextremen »Ülkücü«-Bewegung, auch bekannt als „Graue Wölfe“, gilt.

Demiral erzielte in Leipzig bereits nach 57 Sekunden das schnellste Tor in der K.O.-Runde einer EM und traf in der 59. Minute erneut. Nach dem Spiel wurde er von der UEFA als „Player of the Match“ ausgezeichnet.

Der „Wolfsgruß“ wird gebildet, indem Mittel- und Ringfinger den Daumen berühren, während Zeige- und kleiner Finger nach oben ragen und so die Ohren eines Wolfs nachahmen. Diese Geste ist ein bekanntes Erkennungszeichen der »Ülkücü«-Szene, die in Deutschland etwa 12.000 Mitglieder zählt und vom Bundesverfassungsschutz als nationalistisch und rechtsextrem eingestuft wird. Die Ideologie dieser Bewegung basiert auf Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus mit dem Ziel, ein Großreich zu schaffen, das alle Turkvölker von den Balken bis nach China umfasst. Bereits bei einigen Fan-Aufmärschen und Jubelfeiern nach den Spielen der türkischen Nationalmannschaft kam es im Zuge dieser EM zum Zeigen von Kennzeichen der »Ülkücü«-Bewegung. Neben dem sogenannten »Wolfsgruß« ist dies insbesondere eine Variation der Wolfskopf-Flagge.

Demiral sieht Geste als Ausdruck des Stolzes auf seine türkische Identität

Nach dem Spiel rechtfertigte Demiral seine Geste als Ausdruck des Stolzes auf seine türkische Identität und bestritt eine politische Botschaft. Dennoch sind die „grauen Wölfe“ als rechtsextreme Organisation bekannt, die für ihre Verfolgung von Kurden und Armeniern sowie ihre gewaltsame Ideologie berüchtigt ist. Die Ursprünge der Bewegung reichen ins Osmanische Reich des 19. Jahrhunderts zurück, und die „grauen Wölfe“ wurden offiziell 1968 gegründet, zunächst mit dem Ziel, Kommunisten zu bekämpfen.

Sie selbst bezeichnen sich als Ülkücü, was auf Deutsch so viel heißt wie Idealisten. Nach aktuellen Schätzungen bildet diese Gruppe die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland. In der Bewegung gilt das Führerprinzip (Başbuğ). Der Gründer der Partei MHP wurde als Führer verehrt und bildet auch heute noch einen Kern der Identität. Seine Ansichten verfolgen die Anhänger heute noch. Ende der 70er schlossen sich zahlreiche türkisch-rechtsextreme Verbände zur ADÜTDF (Türkische Föderation der Idealistenvereine in Deutschland, heute bekannt als Türk Federasyon) zusammen. Theoretisch ist dieser Verein ein unabhängiges Organ, doch die Verbindungen zur MHP sind stark gefestigt. Die MHP gilt als ein wichtiger Partner der AKP-Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Die Bundeszentrale für politische Bildung spricht von einer praktischen Tochterorganisation. Das Innenministerium sprach allein bei der Türk Federasyon von mehr als 7.000 Mitgliedern (2016), diese ist damit größer als die Heimat (ehemals NPD). Insgesamt geht der Verfassungsschutz von mehr als 12.000 Anhängern der Ülkücü-Bewegung in Deutschland aus.

Bereits Todesopfer der „grauen Wölfe“ in Deutschland

Trotz Bemühungen, sich gesetzeskonform zu verhalten, werden der Bewegung mehrere Morde zugerechnet, darunter der an dem armenischen Journalisten Hrant Dink 2007 und an christlichen Geistlichen in Trabzon und Malatya. Selbst in Deutschland verübten sie bereits Gewaltakte, in deren Folge es zu Toten kam. Am 5. Januar 1980 verteilte Celalettin Kesim mit weiteren Personen, viele davon Freunde des späteren Opfers, Flugblätter am Kottbusser Tor (Berlin). Später kam es zu einem Streit mit Personen aus der nahen Mevlana-Moschee. Für die Angreifer war die vierzig-Männer große Gruppe der Flugblattverteiler schnell als Teil des linksorientierten Türkenzentrums erkennbar.

Um die 70 türkischen Rechtsextremen und islamische Fundamentalisten griffen Kesim sowie seine Gruppe mit Ketten, Schlagstöcken und Messern an. Celalettin Kesim wurde dabei durch einen Stich in den Oberschenkel verletzt. Getroffen wurde eine Schlagader. In der Folge verblutete das Opfer. Von einigen seiner Genossen wurde er noch bis zur Kottbusser Brücke getragen, so lässt es sich den Akten entnehmen. Nach dem Angriff dauerte es etwa 30 Minuten, bis die ersten Sicherheitskräfte eintrafen. Ein Wagen der Berliner Feuerwehr brachte Kesim ins Urban-Krankenhaus, doch dort konnte man nur noch seinen Tod feststellen.

Im Verfassungsschutzbericht des Jahres 1980 wurde die Tat benannt und die Angreifer als zumeist rechtsextremistisch bezeichnet. Außerdem ist zu lesen, dass in elf weiteren Fällen türkische Rechtsextremisten versucht hätten, politische Gegner zu töten. „126 Personen, darunter auch Polizeibeamte“, erlitten Verletzungen, heißt es dort weiter. Uns sind insgesamt drei weitere Todesopfer im Kontext der „grauen Wölfe“ bekannt.

Quellen:
Eigne Recherche
Verfassungsschutzbericht 1980 und aktuell
Graue Wölfe – die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland | Rechtsextremismus | bpb.de
Nihal Atsız (1956): “Türk Ülküsü” [Die Türkische Idee], İstanbul 1956.
Rainer Werle/ Renate Kreile (1987): Renaissance des Islam. Das Beispiel Türkei. Hamburg, S. 90.
jb2016_nrw_uelkuecue.pdf (im.nrw)
Merih Demiral (@Merihdemiral) / X

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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