In einem kürzlich aufgetretenen Vorfall zeigte ein Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf X (ehemals Twitter) Unkenntnis über Antisemitismus. Nachdem ein Nutzer die BVG auf ein Video mit antisemitischen Äußerungen in einer U-Bahn hingewiesen hatte, antwortete der für Störungsmeldungen zuständige BVG-Account unangemessen. Der Mitarbeiter behauptete, dass die Äußerungen nicht antisemitisch seien, da Palästinenser ebenfalls Semiten seien:
„Genau genommen sind Palästinenser ebenfalls Semiten (Abi in Geschichte) und somit sind die Rufe in der Bahn nicht per se antisemitisch aber Sie wollen vermutlich nur billig pöbeln und sind nicht daran interessiert etwas zu lernen. Deswegen wünschen wir Ihnen nice Nikolaus. 😉“
Diese Antwort löste eine Welle der Kritik aus, da sie die historische und aktuelle Bedeutung von Antisemitismus als Judenfeindlichkeit missachtete.
Der vom Account geschriebene Tweet auf X (ehemals Twitter)
Damit offenbarte er jedoch seine deutliche Unkenntnis zum Thema. Bevor wir die BVG mit dem Tweet konfrontierten, schrieben wir auf Twitter: „Liebe BVG, Antisemitismus ist pauschal erstmal Judenhass, Judenfeindlichkeit oder Judenfeindschaft und entstand als Eigenbezeichnung deutscher Judenfeinde um den Journalisten Wilhelm Marr. Seit der Shoah gilt dies als Sammelbegriff für Diskriminierung gegenüber jüdischen Menschen. Vielleicht sollte man sich bei der BVG lieber nur um die Beförderung kümmern?“
Tatsächlich ist es so, dass man unter Semiten ursprünglich Araber, Israelis, Aramäer, Malteser sowie mehrere Sprachgruppen in Äthiopien und Eritrea einsortierte, teilweise auch schon mit einer rassistisch aufgeladenen Bedeutung. Heute gilt der Begriff als ungenau und veraltet. Ursprünglich ging es dabei um die „Söhne des Sem“. Im Gegensatz zum Begriff Semiten, war Antisemitismus bereits von Anfang an ein Ausdruck von Hass gegen Juden. Es ist seinem Ursprung nach keine Fremdbezeichnung, sondern die Menschen bezeichneten sich um 1879 selbst so. Unter dem Begriff sammelten sich schon im Ursprung die Feinde von jüdischem Leben. Seit der Shoah (Holocaust) ist der Begriff zur Fremdbezeichnung von Menschen geworden, welche jüdische Menschen abwerten, ausgrenzen, diskriminieren, unterdrücken und verfolgen.
BVG: „In unserem Unternehmen und in unseren Fahrzeugen gibt es keinen Platz für Antisemitismus!“
Die BVG reagiert auf unsere Presseanfrage und teilte uns mit: „Wir möchten uns aufrichtig für diesen Tweet entschuldigen. Leider ist in diesem Fall die gesamte Konversation auf X vollkommen verunglückt. Das bedauern wir sehr. Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglicher Form von Gewalt, Diskriminierung und Rassismus. In unserem Unternehmen und in unseren Fahrzeugen gibt es keinen Platz für Antisemitismus!“
Auf Twitter wurde unter dem entsprechenden Tweet eine Entschuldigung geschrieben, jedoch blieb der ursprüngliche Tweet weiter stehen. Wir hätten von der BVG gerne erfahren, wie man die Sicherheit für jüdische Mitbürger in den Zügen und Bussen der BVG beurteilt, auf diese Frage gab es enttäuschenderweise keine Antwort.
Der Tweet spiegelt eine größere Herausforderung wider: die Notwendigkeit, Bewusstsein und Verständnis für die unterschiedlichen Facetten von Diskriminierung und Hassrede zu schärfen. Dieser Vorfall verdeutlicht die Bedeutung einer sensiblen Handhabung und eines angemessenen Umgangs mit solch komplexen Themen, insbesondere wenn öffentliche Institutionen involviert sind.
Einige Aktivisten und Nutzer äußerten nach dem Vorfall Bedenken darüber, wie gut die BVG auf derartige Vorfälle vorbereitet ist und wie effektiv sie darauf reagiert. Die Diskussion reicht dabei über die bloße Online-Kommunikation hinaus und wirft Fragen nach konkreten Maßnahmen für die Sicherheit aller Fahrgäste auf.
Der Vorfall erinnert daran, dass es in Zeiten verstärkter digitaler Präsenz und Online-Kommunikation von entscheidender Bedeutung ist, dass Organisationen – speziell öffentliche Institutionen – ein tiefgreifendes Verständnis für komplexe soziale und kulturelle Themen haben, um angemessen auf solche Anliegen reagieren zu können. Die Reaktion der BVG wird von einigen als ein erster Schritt gewertet, jedoch bleibt die Forderung nach konkreten Maßnahmen und klaren Positionierungen in Bezug auf die Sicherheit und das Wohlergehen aller Fahrgäste bestehen.