Jair Lapid vor dem zivilen Untersuchungsausschuss.

Am Vorabend der entscheidenden Abstimmung in der Knesset über das umstrittene Angemessenheitsgesetz im Juli 2023 erhielt der Oppositionsführer Jair Lapid nach eigenen Aussagen ein alarmierendes Sicherheitsbriefing vom Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar. Lapid zufolge wurde er mit „beispiellosen Warnungen“ über die sicherheitspolitischen Risiken des Gesetzes konfrontiert, das zu einer tiefen Spaltung innerhalb des Landes führen könnte.

Diese Enthüllungen machte Lapid jüngst vor einer unabhängigen zivilen Untersuchungskommission, die die Ereignisse und Versäumnisse im Vorfeld des verheerenden Terroranschlags der Hamas am 7. Oktober untersucht. Die umstrittene Justizreform, die von der Regierung im vergangenen Jahr mit Nachdruck vorangetrieben wurde, führte zu großen Demonstrationen in Israel. Gegner der Reform bezeichnen sie als einen „Staatsstreich“ und warnen vor den möglichen Folgen für die Demokratie und die nationale Sicherheit.

Lapids Aussagen deuten darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden wiederholt vor den wachsenden Gefahren gewarnt haben. Lapid wies die weitverbreitete Behauptung zurück, dass die Regierung keine Warnungen erhalten habe. „Sie war tatsächlich informiert. Ich war informiert, und das nachrichtendienstliche Material, das ich gesehen habe, wurde natürlich auch vom Premierminister und den Kabinettsministern gesehen“, betonte Lapid. Bereits in den Monaten vor dem Angriff habe es klare Anzeichen für eine zunehmende Bedrohung durch terroristische Organisationen gegeben, die signalisierten, dass „der Moment, auf den sie gewartet hatten, gekommen sei.“

Lapid berichtete weiter, dass er Ronen Bar direkt gefragt habe, ob diese Warnungen auch dem Premierminister und den Kabinettsministern übermittelt wurden. Die Antwort sei eindeutig gewesen: „Natürlich wurden sie das.“ Auch Präsident Isaac Herzog sei über das wachsende Sicherheitsrisiko informiert gewesen und habe diese Bedenken in Gesprächen mit Premierminister Netanyahu geteilt.

Am Tag der Abstimmung, so Lapid, führte er ein Gespräch mit Präsident Herzog, dies nur zwei Stunden vor der entscheidenden Abstimmung. Herzog informierte ihn darüber, dass Premierminister Netanyahu nach einem angespannten Treffen mit Justizminister Yariv Levin und auf Anraten der Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir von allen vorherigen Vereinbarungen abgerückt sei. Dieser Schritt führte dazu, dass das Gesetz in seiner ursprünglichen, radikalen Form zur Abstimmung gestellt wurde.

Lapid hob hervor, dass Verteidigungsminister Joaw Galant versucht habe, einen Kompromiss zu erzielen, wobei seine Motivation „rein sicherheitspolitisch“ gewesen sei. Lapid fügte in seiner Aussage hinzu: „Am 18. September 2023 war ich erneut im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung und sah einen weiteren Anstieg des Risikoniveaus, das in den Geheimdienstberichten dargestellt wurde. Für mich war das, was dort geschrieben stand, eindeutig: Die israelische Abschreckung ist dramatisch erodiert, unsere Feinde glauben, sie hätten eine seltene Gelegenheit, uns zu schaden.“

Premierminister Netanjahu weist Vorwürfe zurück

In einem hitzigen Schlagabtausch zwischen den politischen Lagern Israels hat das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu den Oppositionsführer Jair Lapid der Lüge bezichtigt. Dies geschah als Reaktion auf Lapids Behauptung, dass Netanjahu vor dem verheerenden Angriff vom 7. Oktober Warnzeichen ignoriert habe.

In einer scharfen Stellungnahme wies das Premierministerbüro (PMO) die Vorwürfe entschieden zurück. „Jair Lapid lügt wieder. Premierminister Netanjahu hat keinerlei Warnungen vor dem Krieg in Gaza erhalten – weder einen Monat vorher noch eine Stunde vor dem 7. Oktober. Die Protokolle beweisen das Gegenteil,“ erklärte das PMO. Die Anschuldigungen von Lapid wurden im Kontext einer unabhängigen zivilen Untersuchungskommission zum Angriff gemacht.

Das PMO warf Lapid zudem vor, sich in Sicherheitsfragen nicht glaubwürdig äußern zu können. „Lapid, der Arbeiter aus dem Gazastreifen ins Land holte und [Hazbollah-Führer Hassan] Nasrallah kostenloses Gas gab, während er versprach, dass dies einen Krieg verhindern würde, ist der Letzte, der in Sachen Sicherheit predigen kann,“ hieß es weiter.

Quelle:
Eigene Recherchen
Aussage von Jair Lapid
PMO

Bild: Screenshot ועדת החקירה האזרחית לאסון ה-7.10 Zivile Untersuchungskommission zur Katastrophe vom 7, Oktober

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content