Die Bundesregierung hat eine ablehnende Haltung gegenüber einem Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eingenommen, wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der ehemaligen Linksfraktion hervorgeht. In der Antwort 1 betont die Regierung, dass das Bundesverfassungsgericht wiederholt das verfassungsrechtliche Gebot einer effektiven Strafverfolgung unterstreicht und das Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont habe. Daher müsse der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden. Die Einräumung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus beruflichen Gründen bedürfe einer besonderen Legitimation und komme nur in Betracht, wenn besonders wichtige Interessen vorliegen. Die Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, einschließlich Mitarbeitenden in Fanprojekten, entspreche nicht dem Verständnis von Berufsgeheimnisträgern, wie es der Strafprozessordnung zugrunde liegt.
Ein Blick auf die aktuellen Herausforderungen und die Debatte um die notwendige Legitimation für berufsbedingte Zeugnisverweigerung.
Sozialarbeiter sehen massive Probleme
Bei obiaushv.de haben wir bereits früher über den schmalen Weg zwischen Sozialarbeit und Gefängnisstrafe geschrieben. Damals berichteten wir über die drohende Beugehaft für drei Mitarbeiter des Fanprojekts Karlsruhe, die im Zusammenhang mit einem Pyro-Eklat beim Heimspiel des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli im November 2022. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte angekündigt, innerhalb einer Woche über einen möglichen Antrag auf Beugehaft zu entscheiden. Die Sozialarbeiter Volker Körenzig, Sophia Gerschel und Sebastian Staneker verweigerten bei einer Befragung vor dem Amtsgericht die Aussage.
Nach dem deutschen Recht sind Sozialarbeitende, wie sie etwa in Jugendfreizeiteinrichtungen oder Fanprojekten anzutreffen sind, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nur haben diese Menschen kein Zeugnisverweigerungsrecht, anders als bei uns Journalisten. Ich bin Journalist und darf, die Aussage vor Gericht verweigern, um unter anderem meine Quellen zu schützen. Sozialarbeitende sind hier in einem Dilemma gefangen. Zum einen könnte die Aussage vor Gericht das Vertrauen zu den Nutzenden der Sozialarbeit verloren gehen lassen und zum anderen können es viele mit dem Ethos des Berufes nicht im Einklang bringen. Die Folgen der Verweigerung einer Aussage kann etwa mit Ordnungsgeld oder einer Beugehaft bestraft werden.
Diese Angelegenheit wirft natürlich Fragen auch außerhalb des Kontextes Fußball auf, wie der Verein Gangway und andere Organisationen im »Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit« zu bedenken geben. Gangway fragte sich, wie ein Vertrauen zum Adressatenkreis aufgebaut werden soll, wenn die Sozialarbeitenden im Zweifel vor Gericht gegen diese aussagen müssen? Und weiter geben sie zu bedenken, ob es überhaupt Vertrauen geben kann, „wenn es ‚blinde Flecken‘ in der Kommunikation gibt?“
Laut Gangway könnte dies auch dazuführen, dass die Mitarbeitenden nur noch einen Teil der Wahrheit kennen und so nicht mehr in der Lage wären, die Nutzenden der Sozialen Arbeit uneingeschränkt zu unterstützen. Der Paragraf 203 des StGB sieht für Sozialarbeitende eine Schweigepflicht vor. Eine Verletzung dieser kann mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden.
Schutz der Privatsphäre in Gefahr? – Debatte um Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter
Ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ist von entscheidender Bedeutung, da es die Grundlagen für eine effektive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen diesen Fachleuten und den Menschen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, schützt.
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter arbeiten in sensiblen Kontexten, eng mit Menschen in herausfordernden Lebenssituationen zusammen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht wird von vielen Experten jedoch als notwendig erachtet, um eine vertrauensvolle Beziehung zu den Klienten aufzubauen und ihre Privatsphäre zu schützen. In vielen Fällen sind Sozialarbeiter die Ersten, die auf potenzielle Probleme oder Krisen aufmerksam werden, und ein Zeugnisverweigerungsrecht könnte dazu beitragen, frühzeitig Unterstützung zu suchen und präventive Maßnahmen zu fördern.
Die Entscheidung darüber, ob das Zeugnisverweigerungsrecht erweitert wird oder nicht, wird voraussichtlich weiterhin kontrovers diskutiert werden.
Was bringt ein solches Recht? 5 Punkte-Wissen
1. Vertrauensvolle Beziehung zu Klienten: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter arbeiten eng mit Menschen zusammen, die häufig in schwierigen und sensiblen Lebenssituationen sind. Ein Zeugnisverweigerungsrecht schafft Vertrauen und ermöglicht den Klienten, sich offen mitzuteilen, ohne Angst vor möglichen rechtlichen Konsequenzen.
2. Förderung von Offenheit und Kooperation: Ein Zeugnisverweigerungsrecht fördert eine offene Kommunikation zwischen Sozialarbeitern und ihren Klienten. Klienten fühlen sich eher bereit, ihre persönlichen Herausforderungen und Probleme zu besprechen, wenn sie sicher sind, dass ihre Informationen nicht gegen sie verwendet werden können.
3. Schutz der Privatsphäre: Sozialarbeiter haben Zugang zu hochsensiblen Informationen über ihre Klienten, einschließlich familiärer, finanzieller und gesundheitlicher Angelegenheiten. Ein Zeugnisverweigerungsrecht schützt die Privatsphäre der Klienten und verhindert den unangemessenen Zugriff auf ihre persönlichen Daten.
4. Effektive Arbeit im Interesse der Klienten: Sozialarbeiter können ihre Aufgaben effektiver erfüllen, wenn sie in der Lage sind, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Klienten aufzubauen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht ermöglicht es den Fachleuten, im besten Interesse ihrer Klienten zu handeln, ohne dass rechtliche Bedenken ihre Handlungsweise beeinträchtigen.
5. Förderung von Prävention und Intervention: In vielen Fällen sind Sozialarbeiter die Ersten, die auf potenzielle Probleme oder Krisen aufmerksam werden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht ermutigt Klienten, frühzeitig Unterstützung zu suchen, was präventive Maßnahmen fördert und eine rechtzeitige Intervention ermöglicht.