Kreuzerlass Symbolbild

Kreuze in bayerischen Behörden: Ein jahrelanger Rechtsstreit um den Kreuzerlass – ein Symbol für geschichtliche Prägung oder ein Verstoß gegen die Neutralität des Staates? Erfahre mehr über die Kontroversen, Klagen und die jüngste Gerichtsentscheidung in diesem Diskurs.

Kreuzerlass: Symbol der Kultur oder Verletzung der Neutralität?

Seit Juni 2018 müssen in jedem staatlichen Gebäude in Bayern gut sichtbare Kreuze hängen. Das hat die bayerische Landesregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beschlossen. Der Kreuzerlass soll ein Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns sein. Doch er stößt auf heftige Kritik von Kirchen und Bürgerrechtsorganisationen. Sie sehen darin eine Instrumentalisierung des Kreuzes, eine Verletzung der weltanschaulichen Neutralität des Staates und eine Diskriminierung von Andersgläubigen und Nichtgläubigen.

Der Kreuzerlass gilt für rund 1.100 Behörden des Landes Bayern, wie Finanzämter, Polizeistationen oder Gerichte1. Er besagt, dass im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes „als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen“ sei. Dabei soll es sich nicht um ein religiöses Symbol handeln, sondern um ein „Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“2.

Doch diese Begründung überzeugt viele nicht. Die katholische und evangelische Kirche in Bayern haben den Kreuzerlass als eine Vereinnahmung des Kreuzes für politische Zwecke kritisiert. Sie betonen, dass das Kreuz ein Zeichen des christlichen Glaubens und der Nächstenliebe sei, das nicht für andere Zwecke missbraucht werden dürfe3.

Der Bund für Geistesfreiheit (bfg), eine Organisation für konfessionslose Menschen in Bayern, hat gegen den Kreuzerlass geklagt. Er sieht darin einen Verstoß gegen das Grundgesetz, das die weltanschauliche Neutralität des Staates und die Religionsfreiheit garantiert. Der bfg argumentiert, dass der Kreuzerlass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und die Bürgerinnen und Bürger, die die Behörden aufsuchen, dazu zwinge, sich mit dem Kreuz zu identifizieren oder sich ihm zu unterwerfen. Das sei eine unzumutbare Beeinträchtigung ihrer negativen Religionsfreiheit, also dem Recht, keiner Religion anzugehören oder sich zu einer Religion zu bekennen.

VGH: Kreuz als „passives Symbol“

Der bfg hat zunächst mit 25 Einzelpersonen (Unternehmer, Künstler und Politiker) vor dem Verwaltungsgericht München geklagt, das die Klage jedoch abgewiesen hatte. Gegen diese Entscheidung wurde Berufung eingelegt und der bfg ist vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gezogen. Doch auch dieser hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte 2022 die Argumentation des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen bestätigt und hinzugefügt, dass der Kreuzerlass auch keine Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht darstelle, da er keine Bevorzugung oder Benachteiligung einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringe. Das Gericht hat auch die Annahme zurückgewiesen, dass das Kreuz eine „Zwangsbekehrung“ oder eine „Unterwerfungsgeste“ bedeute. Das Kreuz sei vielmehr ein „passives Symbol“, das niemanden zu etwas verpflichte oder beeinflusse.

Bund für Geistesfreiheit legte Revision ein

Die Organisation hat sich mit dieser Entscheidung nicht zufriedengegeben und ist vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. Dieses hatte am 21. September und 14. Dezember 2023 über den Fall verhandelt. „Da der Bund für Geistesfreiheit als ‚Konkurrent‘ der christlichen Glaubensgemeinschaften durch die staatliche Anweisung, das zentrale christliche Symbol schon im Eingangsbereich der durch die Verfassung zur Neutralität verpflichteten Behörden gut sichtbar anzubringen, in seinen Grundrechten auf Gleichbehandlung (Art.3 Abs.3 GG) und auf Religionsfreiheit (Art.4 Abs.1 GG) verletzt ist, erwarten wir, dass unsere Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht Erfolg hat. Andernfalls werden wir die Klage vor das Bundesverfassungsgericht bringen.“, so die Initiatorin der Klage und Vorsitzende des bfg München, Assunta Tammelleo.

Außerdem befürwortet man den Vorschlag von Dr. Heribert Prantl, einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung, der im Bayerischen Rundfunk am 25. Mai 2022 angeregt hat, den ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ in allen Behörden und öffentlichen Einrichtungen des Staates aufzuhängen.

„Hinter diesem Artikel, der von keiner politischen Mehrheit veränderbar ist, können sich alle Menschen stellen, die auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen“, so Tammelleo.

Kein Anspruch auf Entfernung von Kreuzen

Der Freistaat Bayern ist nicht verpflichtet, die im Rahmen des „Kreuzerlasses“ in Dienstgebäuden angebrachten Kreuze zu entfernen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO), der die Anbringung gut sichtbarer Kreuze in Eingangsbereichen vorsieht, keine Rechte der Kläger verletzt.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Kreuzerlass lediglich eine bloße Verwaltungsvorschrift sei, ohne rechtliche Außenwirkung, und somit keine Rechte der Kläger verletze. Die angebrachten Kreuze würden zwar als christliches Symbol betrachtet, jedoch seien die Kläger als kollektive Grundrechtsträger nicht in ihren Freiheitsgewährleistungen gemäß Art. 4 GG beeinträchtigt.

Des Weiteren hob das Gericht hervor, dass die Anbringung der Kreuze im Eingangsbereich keine Identifikation des Freistaates Bayern mit christlichen Glaubenssätzen darstelle. Vielmehr solle das Kreuz laut der Regelung des § 28 AGO die geschichtliche und kulturelle Prägung Bayerns zum Ausdruck bringen. Dem Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber verschiedenen Glaubensrichtungen stehe dies nicht entgegen.

Die Forderung nach einer Empfehlung an sonstige Personen des öffentlichen Rechts, die im Einklang mit Art. 36 AGO Kreuze angebracht haben, diese zu entfernen, sei bereits unzulässig. Eine derartige Empfehlung ohne rechtliche Außenwirkung sei nicht zu begründen, entschied das Gericht.

  1. Bürgerservice – AGO: § 28 Anbringen von Kreuzen in Dienstgebäuden (gesetze-bayern.de) []
  2. Zit. nach Wolfgang Wittl, Schnell, polarisierend, kontrollierend: Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder demonstriert, was er unter Regieren versteht, in: Süddeutsche Zeitung (SZ), 28./29.4.2018. []
  3. Kardinal Reinhard Marx warf Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, „Spaltung, Unruhe, Gegeneinander“ ausgelöst zu haben. „Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden“, sagte er 2018 der Süddeutschen Zeitung []

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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