Die Bundesregierung hat ein umfassendes „Sicherheitspaket“ vorgelegt, das drei zentrale Schwerpunkte umfasst: Verschärfungen im Waffenrecht, Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus und Änderungen im Aufenthaltsrecht. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die innere Sicherheit in Deutschland zu stärken. Doch was genau steckt hinter den geplanten Regelungen? Ein Überblick.
Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus
Die Befugnisse zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung sollen ausgebaut werden, unter anderem durch erweiterte Finanzermittlungen. Das Instrument der Verbote islamistischer Vereine wird die Bundesregierung weiterhin konsequent anwenden. Um Radikalisierungen, insbesondere von Jugendlichen, vorzubeugen, wird eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern und Praktikern beauftragt, Wege zu finden, wie sich die Radikalisierung über Online-Medien besser unterbinden lässt.
Ein weiterer zentraler Bestandteil des Pakets sind Maßnahmen zur Bekämpfung des gewaltbereiten Islamismus. Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden sollen in diesem Bereich erheblich ausgeweitet werden. So wird unter anderem der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) zur Analyse von Internetdaten ermöglicht. Diese – auch automatisierte – Auswertung von Online-Inhalten soll insbesondere zur Gesichtserkennung genutzt werden. Ermittlungsbehörden erhalten künftig die Befugnis, öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abzugleichen. Diese Möglichkeit soll auch dem Bundesamt für Migration zur Verfügung stehen, um die Identität von Schutzsuchenden besser überprüfen zu können.
Biometrische Massenüberwachung:
Laut dem Maßnahmenpaket sollen Ermittlungsbehörden das Internet nach Gesichtsbildern durchforsten und diese für biometrische Abgleiche nutzen dürfen. Die geplante Maßnahme wird als „Maßnahme gegen gewaltbereiten Islamismus“ dargestellt. Allgemein gibt es jedoch noch offene Fragen, was die Details der Befugnisse angeht. Zudem lassen sich viele dieser nun angedachten Maßnahmen bereits im vor etwa zwei Wochen geleakten BMI-Referentenentwurf für ein neues BKA-Gesetz finden, ausdrücklich die Idee weitreichender biometrischer Überwachung.
Die Bundesregierung behauptet, die neue Befugnis werde „unter Beachtung der KI-Verordnung“ und des Datenschutzes gewährt. Doch das ist widersprüchlich: Die KI-Verordnung verbietet es, KI-Systeme zur massenhaften Erfassung und Analyse von Gesichtsbildern aus dem Internet zu verwenden. Dieses Vorhaben widerspricht den bestehenden Datenschutzregelungen und der Verordnung zur künstlichen Intelligenz.
Zusätzlich plant die Regierung, polizeiliche Daten automatisiert zu analysieren und für das Testen von „KI-Anwendungen“ zu nutzen. Das bedeutet, dass bestehende Datenbanken zusammengeführt und für KI-gestützte Anwendungen verwendet werden sollen. Besonders fraglich scheint diese Entscheidung zu sein, wenn man die Fehleranfälligkeit der KI-Systeme berücksichtigt.
Der Chaos Computer Club (CCC) hat in einer Mitteilung auf seiner Webseite die Behauptung zurückgewiesen, dass die Polizei aufgrund unzureichender Befugnisse handlungsunfähig sei. Laut dem CCC verfügt die Polizei bereits über umfassende Befugnisse. Besonders kritisch sieht der Club den Vorschlag, polizeiliche Daten für das Testen und Trainieren von KI-Anwendungen zu nutzen. Der CCC befürchtet, dass dies zur Zusammenführung aller bisher erfassten Datenbanken in einer einzigen Anwendung führen könnte.
Im Beitrag des CCC heißt es weiter: „Die biometrischen Überwachungsmaßnahmen führen in eine dystopische Zukunft, in der niemand mehr anonym im öffentlichen Raum oder im Internet unterwegs sein kann.“
Ampel bricht Koalitionsvertrag
Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: „Den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab. Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.“ Mit den aktuellen Entscheidungen scheint diese Position jedoch aufgegeben worden zu sein. Die neue Regelung erlaubt es, alle im Internet verfügbaren Fotos für behördliche Abgleiche zu nutzen. Dies betrifft nicht nur Islamisten, sondern könnte die gesamte Gesellschaft umfassen. Es besteht die Befürchtung, dass ein solches System Missbrauchspotenzial birgt und möglicherweise weiter ausgedehnt wird. Am Ende könnte dies zu einer umfassenden Massenüberwachung führen.
Verschärfungen im Waffenrecht
Das Waffenrecht soll durch das Sicherheitspaket erheblich verschärft werden, insbesondere im Hinblick auf den Besitz und das Tragen von Messern. Künftig soll ein absolutes Messerverbot auf Großveranstaltungen wie Volksfesten, Sportereignissen, Messen und Märkten gelten. Auch an kriminalitätsbelasteten Orten, etwa Bahnhöfen, sowie im öffentlichen Nahverkehr, soll das Tragen von Messern verboten werden. Für den Fernverkehr sind bundeseinheitliche Regelungen geplant, die es der Bundespolizei erlauben, Menschen verdachtsunabhängig zu kontrollieren.
Besonders kontrovers ist das geplante generelle Verbot von Springmessern, von dem lediglich bestimmte Berufsgruppen ausgenommen sein sollen. Der Vorstoß zu diesen Verschärfungen wurde bereits vor dem Angriff von Solingen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) initiiert und soll nun konsequent umgesetzt werden. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) richten sich die Maßnahmen nicht gegen legale Waffenbesitzer. Dennoch war das Thema lange umstritten, da die FDP eine Verschärfung des Waffenrechts ursprünglich ablehnte.
Letztlich war das Führen der Tatwaffe in der Öffentlichkeit bereits durch das geltende Waffenrecht verboten. Durch die weiteren Einschränkungen lassen sich solche Taten nicht verhindern. Effektive Prävention erfordert eine umfassende Kontrolle, insbesondere in den festgelegten Verbotszonen. Messer bleiben weiterhin für Gastronomie, Verkaufsstände auf Märkten und Schausteller erlaubt. Ein Täter könnte daher leicht ein Messer auf einem Markt kaufen oder von einem Gastronomiebetrieb mitnehmen. Dies zeigt, dass ein solches Verbot allein keine Taten verhindern kann. Es sorgt bestenfalls dafür, dass Täter ihre Waffen nicht direkt zu Veranstaltungen mitbringen können, was jedoch in vielen Fällen praktisch schwer umzusetzen ist.
Änderungen im Aufenthaltsrecht
Die dritte Säule des Sicherheitspakets betrifft das Aufenthaltsrecht und zielt primär auf ausreisepflichtige Geflüchtete ab. Personen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden und zur Ausreise verpflichtet sind, sollen künftig keine Sozialleistungen mehr erhalten. Ausnahmen sind lediglich für die Finanzierung der Ausreise vorgesehen. Trotz dieser Leistungskürzungen betont die Bundesregierung, einen „menschenwürdigen Umgang“ mit den Betroffenen sicherstellen zu wollen.
Nur die heutige Erklärung zur Abschiebung von 28 Menschen nach Afghanistan lassen generell Zweifel an der Beachtung der Menschenwürde aufkommen: „Die Bundesregierung hält daran fest, solche Rückführungen durchzuführen. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands überwiegt klar das Schutzinteresse von Straftätern und Gefährdern.“
Zudem sollen die Dublin-Verfahren, welche die Rückführung von Asylsuchenden in den zuständigen EU-Staat regeln, beschleunigt werden. Dies soll durch eine bessere Koordination zwischen den Behörden von Bund und Ländern erreicht werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ermöglichung von Abschiebungen in Krisenländer wie Afghanistan und Syrien, insbesondere wenn es sich um Straftäter oder terroristische Gefährder handelt. Hierbei wird die Schwelle für ein „schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ gesenkt, um Abschiebungen zu erleichtern.
Asylberechtigte, welche ins Herkunftsland ausreisen, soll der Schutzstatus aberkannt werden, es sei denn, die Reise ist zur Erfüllung sittlicher Pflichten notwendig, wie zur Beisetzung naher Angehöriger. Für Geflüchtete aus der Ukraine soll es hingegen Sonderregelungen geben.
Wie geht es weiter?
Das Sicherheitspaket soll nun in Verhandlungen mit den Bundesländern und der Union, der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, diskutiert werden. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern aller drei Ampel-Parteien, wird sich in der kommenden Woche erstmals zusammenfinden, um die nächsten Schritte zu erörtern.
Mit diesem umfassenden Paket möchte die Bundesregierung einen bedeutenden Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit leisten. Viele der geplanten Maßnahmen sind jedoch höchst umstritten und werden in den kommenden Wochen und Monaten sicherlich intensiv diskutiert.
Quellen:
Eigene Recherche
CCC | Biometrischer Überwachungsexzess der Bundesregierung
240829_BMI_BMJ_BMWK_Sicherheitspaket.pdf (netzpolitik.org)
Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit (spd.de)
Pressemitteilung der Bundesregierung 208