Website-Icon obiaushv.de

Widerstand gegen das Sicherheitspaket der Ampel: Überwachungsmaßnahmen und Asylrechtsverschärfungen im Fokus

Das Bild zeigt das Reichstagsgebäude, das als Sitz des Deutschen Bundestages dient. Über dem Reichstag ist eine Überwachungskamera grafisch überlagert, sodass es den Anschein erweckt, als würde die Kamera aus dem Gebäude heraus überwachen. SYMBOLBILD Widerstand gegen das Sicherheitspaket der Ampel wegen Überwachungsmaßnahmen und Asylrechtsverschärfungen

Das Bild zeigt das Reichstagsgebäude, das als Sitz des Deutschen Bundestages dient. Über dem Reichstag ist eine Überwachungskamera grafisch überlagert, sodass es den Anschein erweckt, als würde die Kamera aus dem Gebäude heraus überwachen. SYMBOLBILD

Die Ampelkoalition sieht sich im Zusammenhang mit ihrem geplanten Sicherheitspaket zunehmendem Widerstand gegenüber. Während das Gesetzesvorhaben mit großer Eile durch den Bundestag gebracht wurde, mehren sich die Stimmen, die Bedenken gegen die geplanten Maßnahmen äußern. Besonders der Umgang mit Asylsuchenden und die Ausweitung von Überwachungsbefugnissen stehen im Zentrum der Kritik.

Änderungsbedarf und Proteste

Wie die Rheinische Post berichtet, besteht innerhalb der Regierungskoalition noch Abstimmungsbedarf. Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese betonte, dass die Kritik, die bei der Anhörung von Experten und zivilgesellschaftlichen Gruppen geäußert wurde, ernst genommen werde. Besonders die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider hatte das Vorhaben als unverhältnismäßig und rechtswidrig bewertet. Laut Wiese stehe jedoch weiterhin fest, dass das Paket „so schnell wie möglich“ beschlossen werde.

Die geplanten Änderungen im Asylrecht haben unterdessen breiten Protest ausgelöst. Das Gesetz zielt unter anderem darauf ab, Sozialleistungen für bestimmte Asylsuchende, die über andere EU-Länder eingereist sind, zu kürzen. Dies könnte laut Pro Asyl zu „einer bis heute in Deutschland unbekannten Obdachlosigkeit“ führen, da betroffene Menschen nach der geplanten Regelung nur noch zwei Wochen lang Leistungen wie Nahrung und Unterkunft erhalten würden.

Kritik an Überwachungsmaßnahmen

Ein weiterer umstrittener Aspekt des Sicherheitspakets betrifft die geplante Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten. So sollen Polizeibehörden künftig mit biometrischer Gesichtserkennung im Netz nach Verdächtigen suchen dürfen. Dies ruft sowohl bei Datenschutzexperten als auch bei Menschenrechtsorganisationen heftigen Widerspruch hervor. Die Organisation AlgorithmWatch warnt vor einem Bruch der kürzlich verabschiedeten EU-KI-Verordnung, die das Scraping von Gesichtsbildern im Netz verbietet. Die geplanten Maßnahmen stellen nicht nur eine Gefährdung der Grundrechte dar, sondern könnten auch zu einer unkontrollierten Erhebung biometrischer Daten führen. „Die in den Gesetzentwürfen vorgesehene Befugnis zum nachträglichen biometrischen Überwachen sämtlicher öffentlich zugänglicher Daten aus dem Internet kann ohne den Einsatz dieser EU-weit verbotenen KI-Systeme nicht umgesetzt werden“, schreibt AlgorithmWatch.

Besonders besorgniserregend sei, dass die biometrische Suche nicht auf schwere Straftaten beschränkt ist. Bereits bei Verdacht auf Sozialhilfebetrug könnte eine solche Überwachung eingesetzt werden. Dies sei unverhältnismäßig und schaffe ein enormes Risiko für den Missbrauch von Überwachungsdaten, so die Bundesdatenschutzbeauftragte Specht-Riemenschneider.

Die Organisation AlgorithmWatch weist ferner in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Regierung die im Koalitionsvertrag gemachten Versprechen bricht. Damals hatte die Ampelkoalition betont, „das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet“ sicherstellen zu wollen.

Matthias Marx, Sprecher des Chaos Computer Clubs, äußerte starke Bedenken gegenüber den Plänen der Regierung: „Die Bundesregierung lässt sich von den Faschisten treiben und schwenkt in Rekordzeit von ‚Anonymität wahren‘ zu ‚alle biometrisch überwachen‘. Es gibt aber keine technischen Lösungen für soziale Probleme. Wenn dieser Gesetzesentwurf verabschiedet wird, dann genügt es nicht mehr, schöne Stellungnahmen zu schreiben und alle drei Jahre eine Demo gegen die Vorratsdatenspeicherung zu organisieren. Künftig müssten wir dazu anleiten, Überwachungsmaßnahmen zu sabotieren und abzuschalten.

Breiter zivilgesellschaftlicher Widerstand

Mehr als 20 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Amnesty International, Seawatch und Wikimedia, haben in einem offenen Brief ihre Ablehnung gegenüber dem geplanten Sicherheitspaket formuliert. Besonders die Verschärfungen im Asylbereich stießen auf breite Ablehnung. So demonstrierten vor der SPD-Zentrale in Berlin rund 1.000 Menschen gegen die geplanten Änderungen.

Ein offener Brief aus der SPD selbst, der von Bundestags- und Europa-Abgeordneten unterschrieben wurde, zählt mittlerweile über 7.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Auch Kirchenvertreter, Sozialverbände und sogar Polizeigewerkschaften äußerten Kritik an dem Vorhaben.

Forderung nach mehr Gründlichkeit

Trotz der Proteste und Bedenken beharrt die Ampelkoalition auf einen schnellen Beschluss des Gesetzes. Dabei werden jedoch immer mehr Stimmen laut, die eine gründlichere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten des Gesetzes fordern. Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) betonte, dass jede der Neuerungen eine eigene Anhörung verdient hätte. Die Fülle der geplanten Befugnisse für Sicherheitsbehörden und die Auswirkungen auf Asylsuchende ließen sich in der kurzen Zeit nicht umfassend bearbeiten, so Lincoln.

Besonders die Befugnisse zur biometrischen Überwachung, die Schaffung von Super-Datenbanken und die geplanten anlasslosen Kontrollen stellen tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte dar. So soll die Polizei zukünftig ohne Anlass Menschen anhalten und durchsuchen dürfen – eine Maßnahme, die laut GFF ein hohes Stigmatisierungspotenzial birgt und Tür und Tor für rassistische Kontrollen öffnet.

Fazit: Ein umstrittenes Gesetz mit weitreichenden Folgen

Das geplante Sicherheitspaket der Ampelkoalition hat das Potenzial, die Sicherheitsarchitektur Deutschlands grundlegend zu verändern. Die heftige Kritik und der zunehmende Protest aus der Zivilgesellschaft sowie von Fachleuten und Verbänden zeigen, dass der eingeschlagene Weg der Regierung alles andere als unumstritten ist. Angesichts der weitreichenden Eingriffe in die Grundrechte, die mit dem Gesetz einhergehen, fordern viele eine gründlichere Prüfung und eine weniger überhastete Umsetzung. Die kommenden Wochen dürften entscheidend dafür sein, ob die Ampelkoalition ihre Pläne wie vorgesehen umsetzen kann oder ob der Widerstand weiter wächst.

Kurz & Bündig

Was ist das Ziel des Sicherheitspakets der Ampelkoalition?

Das Sicherheitspaket zielt darauf ab, die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland zu verschärfen. Dies betrifft unter anderem die Ausweitung von Überwachungsbefugnissen und die Verschärfung des Asylrechts.

Welche Kritik gibt es an der biometrischen Gesichtserkennung?

Datenschützer kritisieren, dass die biometrische Gesichtserkennung eine massive Verletzung der Privatsphäre darstellt und gegen EU-Regelungen verstoßen könnte. Zudem besteht die Sorge, dass diese Technologie missbraucht werden könnte.

Warum gibt es Proteste gegen die Verschärfung des Asylrechts?

Die geplanten Verschärfungen im Asylrecht zielen darauf ab, Sozialleistungen für bestimmte Asylsuchende zu kürzen. Kritiker warnen, dass dies zu Obdachlosigkeit und humanitären Problemen führen könnte.

Welche Organisationen protestieren gegen das Sicherheitspaket?

Über 20 Organisationen, darunter Amnesty International, Seawatch und Wikimedia, haben in einem offenen Brief ihre Ablehnung gegenüber dem Sicherheitspaket formuliert.

Alphabetisch sortiert (nicht vollständig):
1. AlgorithmWatch
2. Amnesty International
3. Chaos Computer Club
4. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt
5. Die Datenpunks
6. Digitale Freiheit e.V.
7. Digitale Gesellschaft e.V.
8. Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfFl e.V.)
9. Gesichtserkennung Stoppen
10. Humanistische Union e.V.
11. Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.
12. Komitee für Grundrechte und Demokratie
13. #LeaveNoOneBehind
14. LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik
15. Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
16. netzbegrünung – Verein für grüne Netzkultur e.V.
17. Sea-Watch e.V.
18. Seebrücke
19. SUPERRR Lab
20. Topio e.V.
21. Wikimedia Deutschland e. V.

Was sagt die SPD zur Kritik an den geplanten Maßnahmen?

Innerhalb der SPD gibt es sowohl Unterstützung als auch Widerstand. Einige SPD-Abgeordnete fordern eine gründlichere Auseinandersetzung mit den Maßnahmen, während andere auf eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes drängen.

Welche Auswirkungen könnte das Sicherheitspaket auf die Grundrechte haben?

Kritiker befürchten, dass die geplanten Überwachungsmaßnahmen und die Verschärfungen im Asylrecht gravierende Eingriffe in die Grundrechte darstellen. Besonders die biometrische Überwachung und die Kürzung von Sozialleistungen könnten weitreichende negative Folgen haben.

Quellen:
Eigene Recherche
Das umstrittene Sicherheitspaket der Bundesregierung: Scharfe Kritik an Überwachungsmaßnahmen | obiaushv.de
Deutscher Bundestag – Anhörung zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems
20(4)483 – BfDI – Stellungnahme Verbesserung der Terrorismusbekämpfung – 20-12806 (bundestag.de)
Deutscher Bundestag – „Sicherheitspaket“ im Ausschuss zurückhaltend bewertet
Deutscher Bundestag – Mediathek
2024-06-24.CCC_Stellungnahme_BDSG.pdf
Keine Gesichtserkennung zur Massenüberwachung (gesichtserkennung-stoppen.de)

Offener Brief:

„Haltung zeigen – Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

mit den Gesetzentwürfen zum sogenannten Sicherheitspaket schlagen die Fraktionen der Ampel-Koalition die Verschärfungen des Asylrechts und die Einführung massenhafter biometrischer Überwachung vor. Trotz schwerwiegender offener Fragen bezüglich der Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihrer Konformität mit EU-Recht und dem Grundgesetz soll dieses Paket in Rekordzeit verabschiedet und umgesetzt werden.

Das Sicherheitspaket sieht Maßnahmen vor, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vermuteten Gewinn an Sicherheit stehen. In einigen Bereichen besitzen die Regelungen reinen Symbolcharakter und werden die Sicherheitsbehörden im Vollzug mit neuen Aufgaben belasten, die sie davon abhalten, ihren eigentlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Gleichzeitig stützen die vorgeschlagenen Verschärfungen des Asylrechts autoritäre Narrative, die die Rechte „Anderer“, in diesem Fall asylsuchender Menschen, infrage stellen, und tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei. Asylsuchenden, für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, sollen zukünftig nach zwei Wochen alle Sozialleistungen gestrichen werden. Das untergräbt die Menschenwürde und ist inakzeptabel und völkerrechtswidrig. Die geplante Ausweitung anlassloser Kontrollen durch die Polizei ist ein Einfallstor für Racial Profiling.

Wir fordern Sie dazu auf, sich dem kopflosen Aktionismus, der mit dem Sicherheitspaket einhergeht, entgegenzustellen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.

Eingeführt werden soll auch die Befugnis zum biometrischen Abgleich des gesamten Internets mit Bildern und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen. Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen diese Befugnis nicht nur zur Bekämpfung von Terrorismus, sondern auch als neues Standardinstrument erhalten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sogar ohne Anfangsverdacht einer Straftat, nur um die Identität von Personen festzustellen. Eine solche Maßnahme ist technisch jedoch nur möglich, wenn riesige, unterschiedslose Gesichtsdatenbanken angelegt werden. Solche Gesichtsdatenbanken sind nach Artikel 5 der KI-Verordnung eine verbotene Praxis, da sie Massenüberwachung ermöglichen und zu schweren Verstößen gegen die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, führen können. Es gibt zwar Ausnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit, aber ein Verbot des Einsatzes von biometrischen Fernidentifizierungssystemen ist laut KI-Verordnung ausdrücklich möglich und kann von den Mitgliedsstaaten rechtlich eingeführt werden.

Der Schutz von Menschenrechten darf nicht unter Vorbehalt stehen. Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren.

Wir fordern Sie daher auf, sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.

Im Koalitionsvertrag verpflichten sich die Regierungsparteien gleich an zwei Stellen, biometrische Überwachung in Deutschland zu verhindern: Die „[b]iometrische Erkennung im öffentlichen Raum“ wie auch der „Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken“ werden explizit abgelehnt.

Es ist jetzt an der Zeit, ein Verbot biometrischer Überwachung konsequent zu verfolgen und Einschnitte in Grundrechte wie die ausufernden Ideen zur automatisierten Datenanalyse, die anlasslose IP-Adressdatenspeicherung, Videoüberwachung und Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, Onlinedurchsuchung für den Verfassungsschutz und die allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal abzulehnen.

Wir fordern Sie auf, sich für den Schutz aller Menschen und das Recht auf ein Leben frei von Massenüberwachung und Kontrolle einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Alphabetisch sortiert:

1. AlgorithmWatch
2. Amnesty International
3. Chaos Computer Club
4. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt
5. Die Datenpunks
6. Digitale Freiheit e.V.
7. Digitale Gesellschaft e.V.
8. Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfFl e.V.)
9. Gesichtserkennung Stoppen
10. Humanistische Union e.V.
11. Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.
12. Komitee für Grundrechte und Demokratie
13. #LeaveNoOneBehind
14. LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik
15. Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
16. netzbegrünung – Verein für grüne Netzkultur e.V.
17. Sea-Watch e.V.
18. Seebrücke
19. SUPERRR Lab
20. Topio e.V.
21. Wikimedia Deutschland e. V.“

Die mobile Version verlassen