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Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange für Menschen mit
Behinderungen, sprach anlässlich der zweiten Staatenprüfung bei den Vereinten
Nationen. Die Empfehlungen der UN-Kommission seien dabei „Maßstab und Richtschnur“ für seine Arbeit.

Schlechter Zugang zur Gesundheitsversorgung

Im Eingangsstatement erklärte er, dass immer noch „echte ‚Baustellen‘“ existieren, er nannte insbesondere die Bereiche „der Barrierefreiheit, der Teilhabe am Arbeitsleben und der Inklusiven Bildung.“ Besonders kritisierte er eine mangelnde Barrierefreiheit im Gesundheitssystem. Der schlechte Zugang für behinderte Menschen wird durch verschiedene Organisationen immer wieder angeprangert. Dusel erklärte weiter:
Insbesondere Arztpraxen und Rehakliniken sind aufgrund der
fehlenden gesetzlichen Verpflichtung häufig nicht barrierefrei, was oftmals zu einer
schlechteren Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen führt
.“

Freiwilligkeit reiche nicht

Laut seinen weiteren Ausführungen reiche es nicht „auf Vernunft und Freiwilligkeit zu setzen“ und verwies auf die Situation in anderen Länder. Etwa in Österreich, denn dort gibt es bereits seit dem Jahr 2016 das Gesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen für alle Unternehmen. Damit werden auch private Unternehmen und Dienstleister zur Barrierefreiheit verpflichtet, wenn Waren; Dienstleistungen und Informationen für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Laut Dusel wäre es „fatal, wenn diese Chance für mehr Barrierefreiheit wieder nicht entschlossen genutzt wird.“

Hohe Arbeitslosenquote

In Zeiten des Fachkräftemangels setzt man in Deutschland weiterhin nicht auf behinderte Mitarbeitende, dies wurde in weiteren Teilen seiner Stellungnahmen deutlich. Seit der letzten Staatenprüfung 2015 habe sich die Situation „nicht wesentlich geändert“. Schaut man sich die Arbeitslosenquote unter behinderten Menschen an, so bestätigt sich die Aussage deutlich. Nach wie vor ist die Anzahl der Arbeitslosen unter dieser Gruppe fast doppelt so hoch, wie von nicht behinderten Menschen. Dusel sagte weiter:

„Die Weiterentwicklung der Werkstätten ist dringend erforderlich, damit
das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in
einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen
Arbeitsmarkt frei gewählt werden kann, nicht nur auf dem Papier steht.“

Keine inklusive Bildung

Auch der Bereich der Bildung ist laut Dusel weiterhin eine solche „Baustelle“. Vor dem Gebäude der UN in Genf demonstrierten Betroffene und Eltern für eine bessere und inklusive Lösung. Viele Menschen haben nach wie vor keinen gleichen Zugang zum Bildungssystem, davon sind behinderte Menschen deutlich häufiger betroffen. Das in Deutschland immer noch anwachsende Sonderschulsystem gibt es in diesem Umfang in keinem anderen Land in der Europäischen Union. Die Zahl der Abgänge ohne Schulabschluss liegt bei 49 Prozent.1

Die Demonstrant:innen vor dem UN-Gebäude in Genf beklagen einen fehlenden Willen bei der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern. Derweil erwarte man vom Fachausschuss eine erneute Feststellung, dass Deutschland die in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebene Inklusion in den Schulen weiter vorantreiben müsse. Unter dem Hashtag #WirFahrenNachGenf berichten die Akteure in den sozialen Medien.

Dusel forderte eine bessere Zusammenarbeit des Bundes und der Länder, diese müssten „an
einem Strang ziehen.“

Kritik an der Beteiligung

Vorsichtige Kritik übte Dusel auch an der Beteiligung seiner Person, als des Beauftragten für die Belange
von Menschen mit Behinderungen. Die Bundesministerien sollen die beauftragte Person eigentlich bei allen Gesetzesvorhaben einbinden, wenn sich diese mit Fragen der Teilhabe
von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzten. Laut Dusel sei jedoch gesetzlich bislang nicht festgelegt, „wann und wie die Beteiligung zu erfolgen“ habe. Die Ministerien würden ihre Pflichten zur Beteiligung daher unterschiedlich auslegen. Dazu sagte Dusel weiter:

„Wirklich zielführend im Sinne
der Umsetzung der UN-BRK ist eine Beteiligung aber nur, wenn Sie frühzeitig, d.h.
spätestens gemeinsam mit den anderen Ministerien in der Ressortabstimmung stattfindet.
Nur so kann die beauftragte Person die Ministerien wirksam beraten.“

Für Februar plant der Behindertenbeauftragte Dusel gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) eine Konferenz zur Staatenprüfung zu veranstalten. Man möchte damit Bund, Länder und ebenso die Kommunen dazu bringen, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Diese Akteure sind gesetzlich verpflichtet, für „gleichwertige Lebensbedingungen“ zu sorgen.

Zur Staatenprüfung

Die Staatenprüfung findet bereits zum zweiten Mal statt. Der Dialog zwischen der Delegation der Bundesrepublik Deutschland und dem Ausschuss findet am 29. und 30. August 2023 in Genf statt.
Die Delegation wird dabei vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen befragt. Nach der ersten Prüfung erschien noch im selben Jahr (2015) die „Abschließenden Bemerkungen“, hierbei handelt es sich um die Ergebnisse der Befragung. Dort enthalten war also der Stand der Inklusion in Deutschland.

Grundlage für die aktuelle Befragung bildet der kombinierte zweite und dritte Staatenbericht und die jeweiligen Parallelberichte der Zivilgesellschaft und des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Beitragsbild dient nur der Bebilderung

  1. Bertelsmann Stiftung 2020 []

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