In der Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide hat die Geschäftsführung auf den hohen Krankenstand mit einer umstrittenen Maßnahme reagiert: Hausbesuche bei kranken Mitarbeitern. Laut einem Bericht des Handelsblatts sollen der Werkleiter André Thierig und Personalchef Erik Demmler während einer Betriebsversammlung am 19. September 2024 diese ungewöhnliche Vorgehensweise angekündigt haben.
Der Krankenstand in der Fabrik erreichte im August 2024 mit 17 Prozent einen Höchstwert. Das bedeutet, dass mehr als 2.000 der insgesamt 12.000 Mitarbeiter vorübergehend krankheitsbedingt nicht arbeitsfähig waren. Dieser Wert liegt deutlich über dem Branchendurchschnitt von 5,2 Prozent.
Hausbesuche: Reaktion auf „auffällige“ Krankmeldungen
Demmler erklärte, dass die Besuche nicht als Ausdruck eines Generalverdachts zu verstehen seien. Man habe 30 Mitarbeiter ausgewählt, die durch eine hohe Anzahl von Krankmeldungen aufgefallen seien. „Und was wir vorgefunden haben, war sehr, sehr gemischt“, sagte Demmler. Darunter waren neben Personen mit langem Krankenstand „auch viele Erstbescheide“. Während ein Mitarbeiter mit einer Tüte Schmerzmittel aus der Apotheke zurückkam, lud ein anderer die Chefs auf einen Kaffee ein. Einige Mitarbeiter reagierten jedoch ablehnend, schlugen die Tür vor der Nase zu oder drohten mit der Polizei. Demmler sprach von einer latenten „Aggressivität“, die ihm begegnet sei.
Tesla deutete an, dass Kündigungen das letzte Mittel seien, um Missbrauch vorzubeugen. „Es ist schade, aber das gehört doch scheinbar dazu, damit es wirklich verstanden wird“, sagte Demmler in Bezug auf mögliche Konsequenzen. Auch die firmennahe Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz unterstützt diese Maßnahme.
Teslas Anreize für Anwesenheit bleiben wirkungslos
Bereits im Sommer 2024 führte Tesla ein Bonusprogramm ein, um die Fehlzeiten zu senken. Mitarbeiter, die weniger als fünf Prozent ihrer Arbeitszeit fehlen, können einen „Goldstatus“ erreichen und eine Prämie von 1.000 Euro erhalten. Trotz dieser finanziellen Anreize blieb der Krankenstand jedoch hoch.
Werkleiter Thierig äußerte sich laut dem Bericht bereits im Juli 2023 kritisch über die Arbeitsmoral einiger Mitarbeiter. „Wir werden das nicht dulden, dass manche sich den Rücken krumm buckeln für andere, die einfach keinen Bock haben, zur Arbeit zu kommen“, sagte er damals auf einer Betriebsversammlung laut dem Handelsblatt.
Rechtliche Aspekte und Handlungsspielräume des Arbeitgebers
Arbeitnehmer haben in Deutschland bei Krankheit Anspruch auf bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung gemäß § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntFG). Hausbesuche durch den Arbeitgeber sind zwar rechtlich zulässig, jedoch liegt es im Ermessen des Arbeitnehmers, ob er den Arbeitgeber in seine Wohnung lässt.
Der Arbeitgeber hat in Fällen auffälliger Krankmeldungen die Möglichkeit, den Medizinischen Dienst (MD, früher medizinischer Dienst der Krankenkassen MDK) einzuschalten, um die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters überprüfen zu lassen. Gemäß § 275 Abs. 1a SGB V wird der MD tätig, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bestehen. Solche Zweifel können beispielsweise aufkommen, wenn Krankmeldungen besonders häufig oder nur für kurze Zeiträume ausgestellt werden, oder wenn diese regelmäßig an Arbeitstagen wie Montagen oder Freitagen beginnen. Der MD prüft dann, ob die Arbeitsunfähigkeit medizinisch gerechtfertigt ist.
Diese Untersuchungen sollen verhindern, dass Arbeitnehmer ihre Krankmeldungen missbräuchlich einsetzen. Mit dieser Möglichkeit hat der Arbeitgeber ein wirksames Mittel, um in Fällen wiederholter oder zweifelhafter Krankmeldungen gegen Missbrauch vorzugehen, ganz ohne Hausbesuch und psychischen Druck.
Die ungewöhnliche Maßnahme der Hausbesuche bei Tesla zeigt, wie angespannt die Situation in Grünheide ist. Ob dies jedoch zur gewünschten Reduzierung des Krankenstandes führt, bleibt fraglich. Insgesamt zeigt sich bei Tesla zumindest ein angespanntes Betriebsklima, was wohl durch die Hausbesuche nicht besser werden dürfte. Der Besuch bei einem Erstbescheid klingt zumindest zunächst gänzlich absurd.
Kurz & Bündig
Wie reagiert Tesla auf den hohen Krankenstand in der Grünheide-Fabrik?
Tesla hat auf den hohen Krankenstand in der Grünheide-Fabrik mit Hausbesuchen bei krankgeschriebenen Mitarbeitern reagiert. Diese Maßnahme soll dabei helfen, Missbrauch von Krankmeldungen zu verhindern.
Sind Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern rechtlich erlaubt?
Ja, Arbeitgeber dürfen Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern durchführen, allerdings können die Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob sie den Arbeitgeber in ihre Wohnung lassen.
Wie hoch ist der Krankenstand in der Tesla-Fabrik in Grünheide?
Im August 2024 erreichte der Krankenstand in der Tesla-Fabrik in Grünheide einen Höchststand von 17 Prozent, was weit über dem Branchendurchschnitt von 5,2 Prozent liegt.
Was ist das Bonusprogramm von Tesla?
Tesla hat ein Bonusprogramm eingeführt, bei dem Mitarbeiter, die weniger als fünf Prozent ihrer Arbeitszeit fehlen, einen „Goldstatus“ erreichen und eine Prämie von 1.000 Euro erhalten können.
Welche Rolle spielt der MD bei der Überprüfung von Krankmeldungen?
Der Medizinische Dienst (der Krankenversicherung) (MD, früher MDK) kann vom Arbeitgeber beauftragt werden, die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters zu überprüfen, wenn Zweifel an der Gültigkeit der Krankmeldung bestehen.
Was könnte die Ursache für die hohen Fehlzeiten bei Tesla sein?
Neben möglichen Missbräuchen von Krankmeldungen könnte auch der hohe Druck und die Arbeitsbelastung in der Tesla-Fabrik zu den hohen Krankenständen beitragen.
Quellen:
Eigene Recherche
€ Tesla Grünheide: Chefs machen Kontrollbesuche bei krank gemeldeten Beschäftigten (handelsblatt.com)