Am heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit hat Reporter ohne Grenzen (RSF) ihre neueste Rangliste zur Pressefreiheit veröffentlicht. Die aktualisierte Liste wirft ein Licht auf die Lage der Pressefreiheit weltweit und zeigt sowohl positive als auch besorgniserregende Entwicklungen, insbesondere in Deutschland.
Tag der Pressefreiheit
Die Deklaration von Windhoek, die am 3. Mai 1991 von Journalistinnen und Journalisten verabschiedet wurde, rief nach freien, unabhängigen und pluralistischen Medien auf, sowohl auf dem afrikanischen Kontinent als auch weltweit. Dieser Tag wurde später von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Pressefreiheit erklärt, um die Bedeutung freier Berichterstattung zu betonen. Jedes Jahr am 3. Mai wird daran erinnert, wie wichtig eine unabhängige Presse für eine demokratische Gesellschaft ist.
Deutschland verbessert sich auf Platz 10
In der Rangliste konnte sich Deutschland auf Platz 10 verbessern, jedoch ist hierzulande nicht alles optimal für eine freie Berichterstattung. Reporter ohne Grenzen erfasste letztes Jahr 41 Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Zum Vergleich lag die Zahl 2022 bei 103, es war der Negativrekord in Deutschland. Allgemein haben jedoch die pressefeindlichen Tendenzen zugenommen. In diesem Jahr finden nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland Wahlen satt (Europawahl, Landtagswahl in Sachsen, Thüringen und Brandenburg). Im Hinblick darauf sagte Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF):
„Das zunehmende Ausmaß der Gewalt gegenüber Medienschaffenden, die über Wahlen berichten, ist eine erschreckende Entwicklung. Autokraten, Interessengruppen und Feindinnen der Demokratie wollen mit allen Mitteln unabhängige Berichterstattung verhindern.“
Trotzt der deutlichen Verbesserung von Platz 21 auf Platz 10, sei die Gewalt gegen Medienschaffende weiterhin besorgniserregend. Besonders aus dem rechtsextremen Milieu und der verschwörungsmythologischen Szene besteht weiterhin Gefahr. 18 von 41 Übergriffe kam aus diesem Bereich, so Reporter ohne Grenzen (RSF). Man geht dabei jedoch von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Weitere Fälle wurden von RSF zwar gesammelt oder festgestellt, mangels Zeugen konnten diese jedoch oft nicht verifiziert werden. Seit der Pandemie lässt sich allgemein ein höheres Gewaltpotenzial beobachten. 2019 gab es nur 13 Übergriffe, so RSF.
Pressefeinde werden vorwiegend im Netz aktiv
Pressefeinliche Tendenzen in Deutschland haben besonders im Internet zugenommen. Drohungen gehören für viele Journalistinnen und Journalisten schon zum Alltag. Beleidigungen und Morddrohungen kommen regelmäßig vor. Wir bei obiaushv.de können diese Entwicklung bestätigen. Bei uns ist die Zunahme vor allem seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober auf Israel zu beobachten. Seitdem erhalten wir regelmäßig Diffamierungen, antisemitische Beleidigungen und Morddrohungen.
„Ganz neu ist dies für uns nicht, doch die Anzahl stieg erheblich an. Kaum ein Tag vergeht ohne Beleidigungen oder Drohungen. Regelmäßig erhalten wir Drohungen nach Berichten über antisemitische Aktivitäten. In der Redaktion gehört dies förmlich schon zum Alltag.“
Steven Oberstein, Chefredakteur von obiaushv.de
Auch RSF hat vermehrte Übergriffe auf den sogenannten Pro-Palästina-Demonstrationen verzeichnet. Neu für die Organisation ist die Ausprägung der pressefeindlichen Aktivitäten aus der Landwirtschaft: In mehreren Bundesländern blockierten Landwirtinnen und Landwirte mindestens fünfmal mit Traktoren die Auslieferung von Zeitungen. Dies stelle einen eindeutigen Angriff auf das Recht auf Information dar.
Berlin führt Vorfallliste an
Vor kurzem wurde ebenso eine wichtige Studie des „European Center for Press and Media Freedom (ECPMF)“ veröffentlicht, diese spricht von 69 Fällen von physischen Angriffen auf Journalist:innen im Jahr 2023. Besondere Gefährdung haben demnach die Medienschaffenden rund um Demonstrationen. Berlin hat Sachsen als negativer Spitzenreiter abgelöst. In der Bundeshauptstadt gab es nach der Studie 25 Übergriffe. 21 waren dabei im Umfeld der sogenannten Pro-Palästina-Demonstrationen.
„Medienfeindlichkeit äußert sich nicht mehr ‚nur‘ in den mittlerweile zum Alltag von Journalist:innen gehörenden ‚Lügenpresse‘-Rufen, Beleidigungen und Bedrohungen, sondern seit vier Jahren auch in einer erhöhten Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Journalist:innen“, sagt Patrick Peltz, Co-Autor der Studie.
Auch in Sachsen stieg jedoch die Anzahl der Attacken. Waren es 2022 noch 11 Übergriffe, wurden nach ECPMF verganges Jahr 13 Vorfälle gezählt.
Sicherheitsbedenken wirkt sich auf Lokaljournalismus aus
Zusammen mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hat das ECPMF auch im vergangenen Jahr die Bedrohungslage des Lokaljournalismus beobachtet. Insgesamt seien die physischen Angriffe auf Lokaljournalist:innen gesunken. Laut Studie gab es sieben physische und acht nicht-physische Angriffe. 2022 lag die Zahl der physischen Angriffe bei 12.
Einige der angegriffenen Journalist:innen wurden bereits wiederholt Opfer eines solchen Angriffes. Die Studie sieht in der fehlenden Anonymität im Lokalen ein Sicherheitsproblem. Lokaljournalist:innen sind oftmals in der Region bekannt und können so leichter als Ziel ausgemacht werden.
Seit 2015 sind rund 33 Prozent der Vorfälle in Sachsen zu finden (117 von 390). Besonders in Regionen, in welchen rechtsextreme in den ländlichen Raum hineinwirken und verbreitet sind, zeige sich eine Selbstzensur der Lokaljournalist:innen. Aufgrund der wahrgenommenen permanent Bedrohungslage werden Themen ausgespart.
„Erzählungen von Lokaljournalist:innen, dass sie selbst oder Kolleg:innen aus Sorge um ihre Sicherheit teilweise nicht über bestimmte Akteur:innen und Bewegungen berichten, ist eine sehr bedenkliche Entwicklung für die Pressefreiheit in Deutschland“, so Patrick Peltz.
Blick auf Spitzenreiter und Schlusslichter
Wie auch schon in den vergangenen Jahren sind die skandinavischen Länder Spitzenreiter in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF). Zum bereits achten Mal in Folge steht Norwegen dabei auf Platz 1. Die gute Platzierung resultiert unter anderem aus der starken Unabhängigkeit der Medien von der Politik, dem gesetzlichen Schutz der Informationsfreiheit und dem traditionellen Pluralismus in der norwegischen Medienlandschaft. Ähnlich gut sieht es in Dänemark (2), Schweden (3), Niederlande (4) und Finnland (5) aus.
Schlusslichter sind Afghanistan (178), Syrien (179) und Eritrea (180). Afghanistan ist unter den Taliban 26 Plätze gefallen, dies liegt unter anderem an drei getöteten Journalisten und der zwischenzeitlichen Inhaftierung von 25 Medienschaffenden. In dem Land müssen Reporter und Reporterinnen mit einer Festnahme durch die Taliban rechnen, so RSF. Besonders Journalistinnen werden in der Ausführung ihrer Arbeit beschränkt.