Die Meyer Werft in Papenburg, eine der renommiertesten Schiffbauwerften Deutschlands und bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe, steht aufgrund der erheblich gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise vor einer schweren finanziellen Krise. Um das Unternehmen zu retten und die Arbeitsplätze zu sichern, hat der Bundestag nun einem umfassenden Rettungspaket zugestimmt.
Staatliche Unterstützung für Meyer Werft
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat grünes Licht für die Bereitstellung von 200 Millionen Euro durch den Bund gegeben. Diese Mittel sind Teil eines umfassenden Rettungsplans, der auch eine signifikante Übernahme von Unternehmensanteilen durch den Staat vorsieht. Geplant ist, dass der Bund zusammen mit dem Land Niedersachsen rund 80 Prozent der Anteile an der Meyer Werft übernimmt. Die Meyer-Eignerfamilie soll vorübergehend etwa 20 Prozent der Anteile halten, mit einer späteren Rückkaufoption. Ein fixes Datum für das Ende der Staatsbeteiligung steht bisher nicht fest. Das Land Niedersachsen will sich auch mit einem Beitrag von 200 Millionen Euro beteiligen. Der dortige Haushaltsausschuss muss noch zustimmen und will heute ebenfalls darüber beraten. Mit der Zustimmung wird jedoch gerechnet, es handelt sich dabei eher nur um eine Formalität.
Zusätzlich zur direkten finanziellen Unterstützung wollen der Bund und das Land Niedersachsen Bürgschaften in Höhe von jeweils rund einer Milliarde Euro gewähren. Diese Bürgschaften sollen dazu dienen, die Finanzierung neuer Schiffsprojekte abzusichern und die Kreditaufnahme der Werft zu erleichtern.
Finanzielle Lage und Herausforderungen
Die Krise bei der Meyer Werft resultiert hauptsächlich aus Verträgen, die vor der Corona-Pandemie zu niedrigen Preisen abgeschlossen wurden und offenbar keine Absicherung gegen steigende Rohstoffpreise enthalten. Normalerweise sind Preisgleitklauseln bei solchen Verträgen Standard, insbesondere in Branchen, in denen zwischen Auftragsvergabe und Fertigstellung viel Zeit verstreichen kann. Diese Klauseln ermöglichen eine Anpassung der Preise, wenn sich die Kosten für Rohstoffe erheblich ändern. In Deutschland sind solche Klauseln grundsätzlich verboten, es gibt jedoch Ausnahmen.
Ein Beispiel ist die Stoffpreisgleitklausel, die eine Anpassung der Preise ermöglicht, wenn der Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung der Einkaufspreise für Baustoffe hat. Die durch die seitdem stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise verursachten finanziellen Belastungen wurden durch diese Vertragsbedingungen zusätzlich verschärft. Zudem wird in der Schiffbauindustrie üblicherweise 80 Prozent des Baupreises erst bei der Auslieferung des Schiffs gezahlt. Daher muss das Unternehmen die Baukosten über Kredite zwischenfinanzieren, was in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt.
Das Unternehmen muss bis Ende 2027 mehr als 2,7 Milliarden Euro für die Finanzierung neuer Schiffsprojekte aufbringen. Das Auftragsbuch der Meyer Werft ist jedoch gut gefüllt und umfasst derzeit zehn Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff sowie den Stahlbau von vier Offshore-Konverterplattformen. Der Gesamtwert dieser Projekte beläuft sich auf rund elf Milliarden Euro.
Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Region
Die Meyer Werft ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor in der Region Emsland. Direkt und indirekt sind etwa 17.000 Arbeitsplätze mit dem Unternehmen und seinen Zulieferern verbunden. Alleine am Standort Papenburg arbeiten mehr als 3.000 Menschen. Diese Arbeitsplätze sind nicht nur zahlreich, sondern auch vergleichsweise viel Lohn zahlt, da das Unternehmen tarifgebunden ist.
In der strukturschwachen Region ist die Werft ein wesentlicher wirtschaftlicher Motor. Die Schiffbauindustrie setzt traditionell stark auf inländische Zulieferer, was die wirtschaftliche Bedeutung der Meyer Werft zusätzlich unterstreicht. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (VSM) schätzt den Anteil der innerdeutschen Wertschöpfung in der deutschen Schiffsbaubranche auf mehr als 70 Prozent.
Neben der Sicherung der Arbeitsplätze dürfte auch die strategische Bedeutung der Meyer Werft eine Rolle bei der Rettungsentscheidung gespielt haben. Die Werft ist nicht nur auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert, sondern auch in der Ausrüstung und dem Bau von Marinefahrzeugen tätig. Ein Beispiel hierfür sind die Marinebetriebsstoffversorger der Klasse 707, von denen die Bundeswehr zwei neue Versorgungsschiffe beauftragte, um die Schiffe der Rhön-Klasse zu ersetzen. Das erste Schiff befindet sich seit 2023 im Bau. Die Kiellegung des zweiten Schiffs erfolgte am 29. Februar 2024. Der Auftrag über 870 Millionen Euro wurde im Juli 2021 an die Lürssen-Werft vergeben. Diese arbeitet gemeinsam mit der Meyer Werft an dem Projekt. Ein Großteil der Fertigung wird auf der Neptun Werft in Rostock, die zur Meyer Werft gehört, durchgeführt, während die Konstruktion in Papenburg stattfindet. Allerdings wird nun erwartet, dass die Schiffe erst ab 2025 an die Marine übergeben werden. Eine dritte Einheit ist nach dem „Zielbild für die Marine ab 2035“ vorgesehen. Es gibt jedoch noch keine öffentlichen Informationen über die Beschaffung eines solchen Schiffs. Bei der Vergabe des Verfahrens wurden nur nationale Unternehmen zugelassen.
Zukunftsperspektiven und Kreuzfahrtnachfrage
Die Nachfrage nach Kreuzfahrten hat sich nach der Pandemie erholt und zeigt Anzeichen von weiterem Wachstum. Laut der Cruise Lines International Association (CLIA) unternahmen im vergangenen Jahr fast 32 Millionen Menschen eine Kreuzfahrt, was einem Anstieg von sieben Prozent gegenüber 2019 entspricht. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Absatzmarkt für Kreuzfahrten, und im vergangenen Jahr machten hierzulande 2,5 Millionen Menschen Urlaub auf Kreuzfahrtschiffen.
Mit der jetzt genehmigten staatlichen Unterstützung hoffen die Verantwortlichen, die Meyer Werft erfolgreich zu stabilisieren und die bedeutenden Arbeitsplätze in der Region zu erhalten. Die Rettungsaktion stellt sicher, dass das Unternehmen seine Projekte fortsetzen und die Herausforderungen der aktuellen wirtschaftlichen Lage bewältigen kann.
FAQ – Fragen und Antworten
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Warum befindet sich die Meyer Werft in einer Krise?
Die Meyer Werft steht aufgrund stark gestiegener Energie- und Rohstoffpreise sowie aufgrund von Verträgen, die vor der Corona-Pandemie zu niedrigen Preisen abgeschlossen wurden, vor einer finanziellen Krise. Diese Verträge enthalten keine ausreichende Absicherung gegen die gestiegenen Kosten.
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Wie will der Bundestag der Meyer Werft helfen?
Der Bundestag hat ein Rettungspaket in Höhe von 200 Millionen Euro genehmigt, um die Werft finanziell zu unterstützen. Ebenso werden der Bund und das Land Niedersachsen etwa 80 Prozent der Unternehmensanteile übernehmen und Bürgschaften in Höhe von jeweils rund einer Milliarde Euro gewähren. Das Land Niedersachsen will ebenfalls 200 Millionen Euro beitragen, dies muss noch bestätigt werden.
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Wie lange wird die staatliche Unterstützung dauern?
Die genaue Dauer der staatlichen Unterstützung ist weiterhin nicht festgelegt. Die bisherigen Eigentümer der Meyer Werft werden vorübergehend etwa 20 Prozent der Anteile behalten, mit einer Option auf Rückkauf. Ein fixes Ausstiegsdatum für die Staatsbeteiligung steht derzeit nicht fest.
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Welche Rolle spielt die Meyer Werft in der Marineindustrie?
Die Meyer Werft ist auch in der Ausrüstung und dem Bau von Marinefahrzeugen tätig. Beispielsweise baut die Werft derzeit Marinebetriebsstoffversorger der Klasse 707 für die Bundeswehr. Diese Schiffe sollen die Schiffe der Rhön-Klasse ersetzen.
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Wie wird die Finanzierung neuer Schiffsprojekte gesichert?
Neben der direkten finanziellen Unterstützung stellt der Bund Bürgschaften von etwa einer Milliarde Euro zur Verfügung, um die Finanzierung neuer Schiffsprojekte abzusichern und die Kreditaufnahme der Werft zu erleichtern.
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Wie wirkt sich die Krise auf die Schiffsprojekte der Meyer Werft aus?
Die Meyer Werft hat derzeit ein volles Auftragsbuch, das unter anderem zehn Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff und den Stahlbau von vier Offshore-Konverterplattformen umfasst. Die Krise hat jedoch die Finanzierung dieser Projekte erschwert.
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Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Region Emsland?
Die Meyer Werft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region Emsland. Die Rettungsmaßnahmen sind entscheidend, um die wirtschaftliche Stabilität der Region zu erhalten, da die Werft zahlreiche Arbeitsplätze bietet und einen bedeutenden Beitrag zur lokalen Wirtschaft leistet.
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Wie ist die Nachfrage nach Kreuzfahrten derzeit?
Nach der Pandemie hat sich die Nachfrage nach Kreuzfahrten erholt und zeigt Anzeichen von weiterem Wachstum. Im vergangenen Jahr unternahmen fast 32 Millionen Menschen eine Kreuzfahrt, was einem Anstieg von sieben Prozent gegenüber 2019 entspricht. Deutschland ist nach den USA der wichtigste Absatzmarkt für Kreuzfahrten.
Quellen:
Eigene Recherchen
Cruise Lines International Association (CLIA)
Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (VSM)
Bundeswehr u.a. – Marine bekommt zwei neue Tankschiffe bis 2026 (bundeswehr.de)
Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)