Das Bild zeigt das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland. Vor dem modernen Gebäude mit großen Fensterfronten und einem Eingang befindet sich ein gepflegter Rasen. Auf einem Betonblock vor dem Gebäude steht der Schriftzug “BUNDESVERFASSUNGSGERICHT”. SYMBOLBILD Bundesverfassungsgericht Urteil zum hessischen Verfassungsschutzgesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag entschieden, dass das hessische Verfassungsschutzgesetz in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz verstößt. Insbesondere die weitreichenden Befugnisse zur Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten verletzen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Mit dieser Entscheidung erklärte das Gericht zentrale Bestimmungen des Gesetzes für verfassungswidrig und betonte die Wichtigkeit des Schutzes der informationellen Selbstbestimmung.

Hintergrund der Entscheidung

Das Gesetz, das 2019 verabschiedet wurde, gab dem Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen umfangreiche Befugnisse, um personenbezogene Daten zu sammeln und zu übermitteln. An der Verfassungsbeschwerde waren die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Humanistische Union (HU), die Datenschützer Rhein Main und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung beteiligt. Der Rechtswissenschaftler Tobias Singelnstein fungierte als Verfahrensbevollmächtigter. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts urteilte nun, dass mehrere Regelungen des Gesetzes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz) verstoßen, speziell in Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung.

Zwei der insgesamt fünf Beschwerdeführer:innen sind in Organisationen aktiv, die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements selbst vom Verfassungsschutz überwacht werden. Zwei weitere vertreten als Anwält:innen Mandant:innen, die ebenfalls unter Beobachtung stehen. Der fünfte Beschwerdeführer ist Journalist und hat regelmäßig Kontakt zu Personen, die für den hessischen Landesgeheimdienst von Interesse sind.

„Der lange Atem für die Grundrechte lohnt sich. Das Bundesverfassungsgericht weist den hessischen Verfassungsschutz in die Schranken und festigt damit seine grundrechtsfreundliche Rechtsprechung zu den Geheimdiensten. Der Hessische Verfassungsschutz darf nicht einfach nach Belieben verdeckte Ermittler*innen losschicken und Handys orten. Jetzt muss der hessische Gesetzgeber nachjustieren“, betont David Werdermann, Verfahrenskoordinator bei der GFF.

Werdermann verweist dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2022, das zahlreiche Befugnisse des ebenfalls angefochtenen Bayerischen Verfassungsschutzes beanstandete. Obwohl daraufhin eine Novellierung erfolgte, ist bereits eine neue Verfassungsbeschwerde anhängig, die sich vor allem gegen die Weitergabe von Informationen an private Stellen richtet.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Detail

Das Urteil betrifft mehrere Kernbereiche des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG):

  1. Ortung von Mobilfunkendgeräten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 HVSG): Die Befugnis, Mobiltelefone zu orten, wurde als verfassungswidrig eingestuft, da keine ausreichende Eingriffsschwelle vorhanden ist. Die Richter kritisierten, dass eine solche Überwachung eine intensive und lang anhaltende Kontrolle der Bewegungen ermöglicht, ohne dass eine angemessene Begründung für diesen schweren Eingriff vorliegt.
  2. Besondere Auskunftsersuchen bei Verkehrsunternehmen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HVSG): Auch die Möglichkeit, Daten von Verkehrsunternehmen und Fluggesellschaften abzufragen, wurde bemängelt. Das Gericht sah hier ebenfalls keinen ausreichenden Grund, der die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigen könnte.
  3. Einsatz verdeckter Mitarbeiter (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HVSG): Der Einsatz verdeckter Ermittler wurde als verfassungswidrig erklärt, da die bestehenden Regelungen keine hinreichenden Schutzmechanismen gegen schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre der betroffenen Personen bieten. Besonders kritisch sah das Gericht die langfristige und intensive Überwachung, die ohne ausreichende rechtliche Grundlage erlaubt war.
  4. Übermittlung an Strafverfolgungsbehörden (§ 20a HVSG): Das Gesetz erlaubte die Übermittlung nachrichtendienstlich erhobener Daten an Strafverfolgungsbehörden, selbst bei Verdacht auf weniger schwerwiegende Straftaten. Dies verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen die Verhältnismäßigkeit, da die betroffenen Straftaten nicht von ausreichender Schwere sind, um solche Eingriffe zu rechtfertigen.

Folgen des Urteils

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die beanstandeten Regelungen entweder nichtig sind oder nur noch eingeschränkt gelten dürfen. Die problematischen Vorschriften bleiben jedoch bis zum 31. Dezember 2025 in Kraft, um dem Gesetzgeber Zeit zur Nachbesserung zu geben. In dieser Übergangszeit gelten strenge Maßgaben, um die Grundrechte der Betroffenen besser zu schützen. So darf etwa die Mobilfunkortung nur noch punktuell erfolgen, und die Übermittlung von Daten an andere Stellen ist nur unter strengeren Voraussetzungen erlaubt.

Signalwirkung für andere Bundesländer

Dieses Urteil könnte auch Auswirkungen auf ähnliche Gesetze in anderen Bundesländern haben. Bereits im Jahr 2022 hatte das Bundesverfassungsgericht das Bayerische Verfassungsschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Das aktuelle Urteil gegen das hessische Gesetz zeigt, dass die weitreichenden Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland weiterhin einer strengen verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegen.

Fazit

Mit seiner Entscheidung stärkt das Bundesverfassungsgericht den Schutz der informationellen Selbstbestimmung und setzt klare Grenzen für die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden. Insbesondere die Erhebung und Weitergabe von persönlichen Daten muss strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen, um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Hessens Gesetzgeber steht nun vor der Herausforderung, die Regelungen nachzubessern, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.

FAQ – Kurz und bündig

Was war der Hauptgrund für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen das hessische Verfassungsschutzgesetz?

Das Hauptproblem lag in den übermäßigen Befugnissen zur Datenerhebung und -weitergabe, die gegen Persönlichkeitsrechte verstießen.

Welche Regelungen des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes wurden als verfassungswidrig erklärt?

Unter anderem wurden die Ortung von Mobiltelefonen, Auskunftsersuchen bei Verkehrsunternehmen und der Einsatz verdeckter Ermittler als verfassungswidrig eingestuft.

Welche Folgen hat das Urteil für das hessische Verfassungsschutzgesetz?

Die beanstandeten Regelungen bleiben teils bis 2025 in Kraft, müssen aber vom Gesetzgeber nachgebessert werden. In der Zwischenzeit gelten strengere Auflagen.

Hat das Urteil Auswirkungen auf andere Bundesländer?

Das Urteil könnte Signalwirkung für andere Länder haben, insbesondere für Gesetze wie das Bayerische Verfassungsschutzgesetz, das bereits zuvor vom Bundesverfassungsgericht geprüft wurde.

Warum ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung so wichtig?

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Bürger davor, dass der Staat unkontrolliert personenbezogene Daten sammelt und verarbeitet. Es ist ein zentraler Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Deutschland.

Quellen:
Eigene Recherchen
Erfolg für die Grundrechte: Bundesverfassungsgericht weist Geheimdienst erneut in die Schranken – GFF Bundesverfassungsgericht – Presse – Hessisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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