Ein heißer Kakao mit Schuss – das klingt zunächst nach einem harmlosen Wintergetränk, wie es auf Weihnachtsmärkten zahlreich angeboten wird. Doch hinter dem Namen „Lumumba“, unter dem das Getränk bekannt ist, steckt eine hitzige Debatte. Der Frankfurter Weihnachtsmarkt hat angekündigt, den Namen zu ändern, da er angeblich negative Assoziationen mit Patrice Lumumba, einem kongolesischen Freiheitskämpfer, wecken könnte. Die Diskussion um diese Entscheidung beleuchtet ein grundlegendes Spannungsfeld: Wie interpretieren wir historische Kontexte, und wie gehen wir mit kultureller Sensibilität in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft um?
Kritik an der Berichterstattung
In vielen Artikeln wird behauptet, der Name „Lumumba“ sei abwertend oder eine Verhöhnung des kongolesischen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba, weil es einen Alkoholzusatz („mit Schuss“) beschreibt – eine Verbindung zu seinem gewaltsamen Tod wird impliziert. Dieser Zusammenhang ist jedoch spekulativ und nicht belegt. Auch die Augsburger Allgemeine und Watson vermerken, dass die Namensherkunft bis heute ungeklärt ist. Gleichzeitig wird suggeriert, dass die Verwendung des Namens per se problematisch sei, da sie rassistische Stereotype bedienen könne.1 2
Solche Berichte versäumen es jedoch, die Tatsache zu beleuchten, dass Patrice Lumumba in den 1960er-Jahren in linken Kreisen oft als Symbol für antikolonialen Widerstand geehrt wurde. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Getränk ursprünglich zu seinen Ehren benannt wurde. Die einseitige Interpretation vieler Medien, die keine alternativen Kontexte aufzeigen, ignoriert diesen möglichen positiven Ursprung und trägt zur emotionalisierten Debatte bei.
Wer war Patrice Lumumba?
Patrice Lumumba (1925–1961) war der erste Premierminister der Demokratischen Republik Kongo nach deren Unabhängigkeit von Belgien. Als charismatischer Politiker und führender Kämpfer gegen die koloniale Unterdrückung galt er in den 1960er-Jahren als Symbolfigur des antikolonialen Widerstands. Sein Engagement für nationale Souveränität brachte ihm nicht nur Bewunderung, sondern auch Feinde ein: Im Januar 1961 wurde Lumumba unter Beteiligung belgischer und US-amerikanischer Akteure ermordet. Sein Tod machte ihn posthum zur Ikone der afrikanischen Freiheitsbewegung und zum Märtyrer des Kampfes gegen Imperialismus. In linken politischen Kreisen in Europa wurde Lumumba zu einem Vorbild, das für Gerechtigkeit und Unabhängigkeit stand.
Namensgebung: Hommage oder Geschmacklosigkeit?
Die Verbindung zwischen einem alkoholischen Getränk und einem Freiheitskämpfer mag auf den ersten Blick irritieren. Tatsächlich existieren jedoch keine belastbaren Belege, die erklären, wie und warum das Getränk „Lumumba“ diesen Namen erhielt. Es wird vermutet, dass die Bezeichnung in den 1960er- oder 1970er-Jahren entstand – einer Zeit, in der Lumumba in Europa vorwiegend in linken Kreisen große Anerkennung genoss.
Wie viele andere Getränke oder Speisen, die nach prominenten Persönlichkeiten benannt sind – von „Austern Rockefeller“ bis zum „Bismarckhering“ –, könnte auch der Name „Lumumba“ ursprünglich eine Würdigung gewesen sein. Die Interpretation, er sei abwertend oder rassistisch gemeint, ist historisch nicht belegt, sondern eine Deutung, die aus der heutigen Perspektive erfolgt.
Kritiker hingegen sehen den Namen problematisch. Sie argumentieren, dass die Verbindung eines alkoholischen Getränks mit Lumumbas Namen eine Verhöhnung seines gewaltsamen Todes darstelle. Besonders die Anspielung auf „mit Schuss“ wird als geschmacklose Erinnerung an seine Ermordung verstanden. Medienberichten zufolge äußerte Jutta Ditfurth, Fraktionsvorsitzende von Ökolinx im Stadtparlament, bereits im Februar dieses Jahres, dass der Name des Getränks eine höhnische Anspielung auf den Mord an Patrice Lumumba, eine Verachtung seiner Person und einen rassistischen Bezug zur antikolonialen Bewegung Afrikas darstelle. Die Benennung von Speisen und Getränken nach Persönlichkeiten ist aber auch eine jahrhundertealte Praxis, die in der Regel als Ehrung gedacht ist.
Warum der Name als rassistisch interpretiert werden kann
Die Kritik an der Bezeichnung „Lumumba“ basiert auf zwei zentralen Punkten:
- Die Verbindung zum gewaltsamen Tod von Patrice Lumumba: Kritiker wie Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland argumentieren, dass ein Getränk „mit Schuss“ eine geschmacklose Anspielung auf den gewaltsamen Tod Lumumbas sei, der 1961 durch Erschießen ums Leben kam.
- Reduktion einer historischen Figur: Lumumba war eine zentrale Figur des Widerstands gegen Kolonialismus und Rassismus. Ihn in diesem Kontext auf ein Genussmittel zu reduzieren, empfinden einige Menschen als abwertend und unpassend.
Warum der Name auch eine Ehrung sein kann
Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass die Benennung des Getränks ursprünglich positiv gemeint war:
- Symbol des antikolonialen Widerstands: In den 1960er- und 1970er-Jahren war Patrice Lumumba eine Ikone für linke Bewegungen in Europa. Die Namensgebung könnte eine Würdigung seines Mutes und seiner politischen Ideale gewesen sein.
- Kulturelle Praxis der Namensgebung: Getränke und Speisen werden oft nach bekannten Persönlichkeiten benannt – von wie „Beef Wellington“ bis zu „Sandwich“. In vielen Fällen geschieht dies aus Anerkennung oder als Ausdruck von Bewunderung, nicht zur Herabsetzung.
Mediale Verkürzungen und ihre Folgen
Die öffentliche Diskussion über die Umbenennung zeigt, wie leicht historische Kontexte in einer stark emotionalisierten Debatte verloren gehen können. Viele Medienberichte greifen die Kritik an der Namensgebung auf, ohne die historischen Hintergründe umfassend zu beleuchten. Dabei wird oft nur die Interpretation betont, dass der Name rassistisch motiviert oder abwertend sei, während alternative Sichtweisen – etwa die Möglichkeit einer ursprünglichen Ehrung – kaum Erwähnung finden.
Kritische Stimmen – etwa von Schaustellern oder sozialen Netzwerken – sehen hierin eine übermäßige Sensibilität, die kulturelle Praktiken ohne belastbare Beweise infrage stellt. Eine differenzierte Auseinandersetzung, die verschiedene Perspektiven einbezieht, bleibt oft aus.
Diese Verkürzung der Diskussion birgt Risiken. Einerseits verstärkt sie die Polarisierung im öffentlichen Diskurs, andererseits verhindert sie eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Geschichte Lumumbas und seiner Bedeutung als Symbolfigur des Widerstands.
Eine Chance für Erinnerungskultur
Die Entscheidung, den Namen des Getränks zu ändern, mag kurzfristig dem Wunsch nach kultureller Sensibilität entsprechen. Doch sie birgt auch Gefahren. Patrice Lumumba ist heute vielen Menschen in Europa kaum noch bekannt. Eine vollständige Umbenennung könnte dazu führen, dass seine Errungenschaften und sein tragisches Schicksal noch weiter in Vergessenheit geraten. Eine Streichung des Namens würde die Sichtbarkeit dieser bedeutenden Figur des antikolonialen Widerstands weiter reduzieren und damit eine Chance verspielen, über seine Errungenschaften und seinen tragischen Tod aufzuklären.
Statt den Namen zu streichen, könnte die Diskussion eine Chance für Aufklärung und Erinnerung bieten. Weihnachtsmärkte oder ähnliche Veranstaltungen könnten den Namen „Lumumba“ bewusst beibehalten und mit begleitenden Hinweisen über die historische Figur und ihre Bedeutung ergänzen. Informationsmaterialien oder kleine Ausstellungen könnten Besucher über Lumumbas Leben und die Hintergründe des Getränkenamens aufklären.
Warum Aufklärung wichtiger ist als Streichung
Statt Namen reflexartig zu ändern, könnte die öffentliche Diskussion genutzt werden, um über Patrice Lumumba und seine Bedeutung zu informieren:
- Bildung durch Kontext: Veranstalter von Weihnachtsmärkten könnten Infotafeln oder kleine Broschüren aufstellen, die erklären, wer Lumumba war und welche Botschaften er in seinem Leben vermittelte.
- Einbindung in öffentliche Diskussionen: Der Name des Getränks könnte der Anlass sein, um über Kolonialismus, Rassismus und die Bedeutung des antikolonialen Widerstands ins Gespräch zu kommen, statt den Namen einfach auszulöschen.
- Stärkung der kulturellen Erinnerung: Die bewusste Beibehaltung des Namens mit einer begleitenden Erklärung könnte Patrice Lumumba als Symbolfigur im Bewusstsein halten und damit zu einer differenzierteren Wahrnehmung beitragen.
Fazit: Differenzierte Debatten fördern kulturelles Verständnis
Die Diskussion um das Getränk „Lumumba“ zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, historische Kontexte nicht vorschnell zu bewerten. Eine Umbenennung mag als Zeichen für kulturelle Sensibilität wirken, löst jedoch nicht das grundlegende Problem mangelnder historischer Bildung und Einordnung.
Statt Namen reflexhaft zu ändern, sollten wir die Gelegenheit nutzen, durch Aufklärung und Diskussion historische Figuren wie Patrice Lumumba im öffentlichen Bewusstsein zu halten. So könnte aus einer hitzigen Debatte ein Beispiel für gelungene Erinnerungskultur werden – und ein Kakao mit Schuss mehr sein als nur ein Getränk.
Haben Sie eine andere Perspektive oder möchten Sie etwas ergänzen?
Wir freuen uns über Ihre Kommentare und einen respektvollen Diskurs!
Die Streichung des Namens „Lumumba“ ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Sensibilität im Umgang mit historischen Figuren und ihren Bedeutungen. Patrice Lumumba war ein Symbol des Widerstands gegen Kolonialismus und Rassismus, und es ist problematisch, eine zentrale Figur dieser Tragweite mit einem alkoholischen Getränk zu assoziieren. Dies kann leicht als Verharmlosung oder gar Abwertung seiner Errungenschaften verstanden werden, insbesondere vor dem Hintergrund seines brutalen Todes.
Auch wenn die ursprüngliche Namensgebung möglicherweise positiv gemeint war, spiegelt sie nicht die heutigen gesellschaftlichen Werte wider. Statt einer möglichen Ehrung wird der Name im heutigen Kontext oft als respektlos empfunden. Die Streichung ermöglicht es, auf andere Weise – etwa durch Bildungsinitiativen – Lumumbas Geschichte und Bedeutung zu würdigen. Es geht darum, Respekt zu zeigen und den Schmerz, den solche Assoziationen hervorrufen können, ernst zu nehmen.
Die Umbenennung des Getränks „Lumumba“ ist ein vorschneller Schritt, der eher symbolisch wirkt als zur Lösung tieferliegender Probleme beiträgt. Patrice Lumumba war eine herausragende Figur des antikolonialen Widerstands, und die Namensgebung des Getränks könnte ursprünglich eine Anerkennung seiner Verdienste gewesen sein. Eine Streichung des Namens würde dazu führen, dass Lumumba in der breiten Öffentlichkeit noch unsichtbarer wird, anstatt seine Bedeutung hervorzuheben.
Anstatt den Namen zu verbannen, sollten wir die Gelegenheit nutzen, aufzuklären. Warum nicht erklären, wer Patrice Lumumba war, und so eine Diskussion über Kolonialismus und seine Folgen anstoßen? Die Auseinandersetzung mit schwierigen Themen darf nicht durch Eliminierung ersetzt werden. Nur durch Bildung und Kontextualisierung kann echte Veränderung erreicht werden – nicht durch das Löschen von Namen.
Das Format „Ansichtssache“ von obiaushv.de bietet eine differenzierte Betrachtung aktueller Themen und Debatten. Ziel ist es, verschiedene Perspektiven darzustellen, historische und gesellschaftliche Kontexte zu beleuchten und den Leser:innen fundierte Informationen für eine eigene Meinungsbildung an die Hand zu geben.
Das Ziel ist, nicht nur die Debatte zu reflektieren, sondern auch zum Nachdenken anzuregen und Raum für konstruktiven Austausch zu schaffen.
Kurz & Bündig
Wie ist die Bezeichnung des Getränks entstanden?
Die genaue Herkunft ist unklar. Vermutungen reichen von einer Ehrung bis zu einer neutralen Bezeichnung.
Warum wird der Name als problematisch angesehen?
Kritiker sehen eine geschmacklose Verbindung zwischen einem alkoholischen Getränk und Lumumbas gewaltsamem Tod.
Ist die Umbenennung des Getränks sinnvoll?
Das hängt von der Perspektive ab. Während manche die Sensibilität begrüßen, sehen andere darin eine Verdrängung von Geschichte.
Welche Alternativen zur Umbenennung gibt es?
Informationsmaterialien und begleitende Veranstaltungen könnten Aufklärung fördern, anstatt den Namen zu löschen.
Warum war Patrice Lumumba so bedeutend?
Lumumba war ein zentraler Führer im Kampf gegen Kolonialismus und ein Symbol des afrikanischen Widerstands.
Wie können wir besser mit solchen Themen umgehen?
Durch Bildung und Diskussion statt reflexhafter Änderungen können kulturelle Sensibilität und historisches Bewusstsein gestärkt werden.
Hinweis: Der Text entstand unter der Mitwirkung von Jennifer Oberstein. Dieser Artikel soll verschiedene Sichtweisen darstellen und als Anstoß für eine Debatte dienen. Wir laden euch ein, an einem Austausch in den Kommentaren teilzunehmen. Beachtet bitte jedoch unsere Netiquette.
Quellen:
Eigene Recherche
- „Lumumba“-Verbot? Umstrittene Bezeichnung für heißen Kakao mit Schuss[↩]
- Warum ist “Lumumba” als Name für Kakao mit Schuss problematisch?[↩]