Gaza-Bewohner stoßen an der ägyptischen Grenze auf enorme Hindernisse, darunter hohe Gebühren und strenge Vorschriften, die die Schwierigkeiten beim Überqueren des Nachbarlandes verdeutlichen.

Ägypten: Gaza-Bewohner zahlen bis zu 12.000 Dollar für Einreise

Ägypten Gaza Grenze Rafah Symbolbild

Die Einreise aus dem Gazastreifen nach Ägypten gestaltet sich äußerst anspruchsvoll, da die ägyptischen Grenzanlagen streng gesichert sind und kaum Lücken bieten. Nur Personen mit ausländischem Pass, Schwerverwundete oder Kranke und gelegentlich auch Studenten, können von Gaza aus recht einfach über die Grenze. Für alle anderen ist dies meist mit sehr hohen Zahlungen verbunden. Für die meisten Bewohner bleibt die Grenze in Rafah jedoch geschlossen.

Starke Grenzsicherung durch Ägypten

Erst am Montag haben es erneut dutzende Bewohner:innen des Gazastreifens versucht, durch die Grenzanlagen zu kommen. Von Rafah aus wollten sie die Grenze nach Ägypten überqueren, dies berichtete die israelische Tageszeitung Maariw. Laut der Zeitung haben die Menschen versucht, auf ägyptischen Boden zu gelangen, genauer gesagt auf dem Territorium der Sinai-Halbinsel. Bei dem Versuch seien sie von ägyptischen Streitkräften gestoppt worden. Solche Fluchtversuche sind seit dem Kriegsbeginn keine Seltenheit, auch schon zuvor gab es solche Versuche regelmäßig.

Ägypten unterhält eine recht stark aufgerüstete Grenze in Richtung Gazastreifen. Im Vergleich zu den israelischen Sperranlagen kann man ein fast gleichwertiges System sehen, zumindest was die Barrikaden angeht. 2009 errichtete man einen stählernen Wall mit einer Länge von rund 10 Kilometer, dieser reicht teilweise bis in einer Tiefe von 30 Metern. Ab 2014 errichtete man einen 300 bis 500 Meter breiten Sicherheitsreifen um die Grenze, welche etwa eine Gesamtlänge von 13,6 Kilometer aufweist. Offiziell will man damit Schmuggel und die Bewegung militanter palästinensischer Extremisten unterbinden. Auf der ägyptischen Seite von Rafah wurden dazu 820 Häuser zwangsgeräumt und anschließend abgerissen. Mittlerweile plant man eine Ausdehnung auf eine Pufferzone von fünf Kilometern. Eine Umsiedlung von 75.000 Menschen wäre die Folge.

Schmuggelproblem für Ägypten

Tatsächlich gibt es ein nicht zu unterschätzendes Schmuggleproblem zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Die Region Rafah ist dabei innerhalb Ägyptens eher zum zweifelhaften Ruhm einer Schmugglerstadt gekommen. Seit mehreren Jahrzehnten lebt ein Teil der Bevölkerung vom Schmuggel. Unter anderem gelangte so immer wieder Treibstoff nach Gaza, welcher durch den ägyptischen Staat zuvor subventioniert wurde. Eigentlich ist dieser Treibstoff nur für die eigene Bevölkerung gedacht gewesen.

Ägypten sah sich regelmäßig im Konflikt mit der Hamas und anderen Extremisten aus Gaza konfrontiert. Mehrmals wurden Soldaten und Offiziere durch militante Extremisten getötet. Über 250 Soldaten und Polizisten kamen so bei Anschlägen seit 2013 ums Leben. Kampfhubschrauber, Panzer- und Kommandoeinheiten sind dabei auf der Halbinsel im Einsatz. Auch die Zerstörung von Wohnhäusern von Islamisten soll immer wieder vorkommen.

Ohne Geldzahlung meist kein Durchkommen

Wer die Grenzanlagen als Einwohner oder Einwohnerin des Gazastreifen verlassen möchte und nicht zu den privilegierten Personengruppen gehört, kann eigentlich nur mit einer Zahlung der Gebühren zwischen 6.000 und 12.000 US-Dollar pro Person nach Ägypten gelangen. Das Geld landet dabei nicht direkt beim Staat, sondern bei Agenturen wie Hala, welche zur Organi-Gruppe gehört. Beide gegründet vom Ägypter Ibrahim Al Organi. Seit 2015 verfügt das Unternehmen über eine Vereinbarung, welcher ihnen sozusagen die Rechte für Reisegenehmigungen für Palästinenser übergibt. Damit stellen sie praktisch exklusiv Reisegenehmigungen nach Ägypten aus.

Solche Summen sind für im Gazastreifen wohnenden Personen oft nicht leistbar. Viele legen daher ihre Hoffnung auf Portale, wie GoFundMe (eine Online-Plattform für Crowdfunding, auf der Einzelpersonen und Organisationen Geld für persönliche oder gemeinnützige Projekte sammeln können). Teils versuchen auch Verwandte im Ausland so Geld zu sammeln.

Omar Abd Elmeneim, ein Palästinenser in Berlin, sammelte so Spenden, um seinem Bruder Abdullah bei der Ausreise aus dem Gazastreifen nach Ägypten über den Grenzübergang Rafah zu helfen. Laut seines Textes bei GoFundMe müsse sein Bruder nur 5.500 €* für den Übergang der Grenze bezahlen. 6.937 € kamen bisher insgeammt zusammen. Das Geld für die Übereise ging in diesem Fall an Halla. Mit dem Rest möchte er seinen Bruder beim Studium unterstützen.

GoFundMe alleine listet unter „Evacuate form GAZA“ 365 Ergebnisse auf. Viele davon erhielten keine einzige Spende, die meisten wurden nicht erfolgreich abgeschlossen. Teilweise sind diese Gesuche schon Wochenlang online. Etwa das Gesuch von Kariman E. aus Lübeck.

In Ägypten gestrandet

Wer nach dem Grenzübertritt in Ägypten gelandet ist, muss jedoch nicht am Ende seiner Reise angelangt sein. Oftmals gibt es dann Probleme mit der Visagenehmigung. Die Verweigerung kann durch ägyptische Behörden passieren, aber genauso durch europäische. Eine Ausreise aus Ägypten in andere westliche Länder ist oftmals problematisch. Nach der Ausreise aus Gaza sind einige Menschen mittellos in Ägypten gestrandet. Hilfe gibt es zwar vom „palästinensischen Konsulat“ in Kairo, welche pro Person 2.000 ägyptische Pfund spenden. Umgerechnet sind dies nur rund 39 €.

Wie die Menschen von Ägypten aus weiter kommen, ist oft nicht geklärt. Der Bruder von Omar Abd Elmeneim will in Ägypten sein Studium vollenden. An einer Universität wurde er bereits angenommen. Nicht alle haben jedoch das Glück. Hala selbst sieht sich als Tourismus-Unternehmen und ermöglicht offiziell nur Reisen zwischen Gaza und Ägypten. Man kümmert sich vonseiten des Unternehmens nur um ein Reisevisum. Wer in Ägypten arbeiten möchte, benötigt allerdings eine Arbeitsgenehmigung.

Ägypten hat zudem ein scharfes Limit beim Anteil ausländischer Arbeitskräfte: Mit begrenzter Qualifikation darf der Anteil nicht mehr als zehn Prozent der gesamten Belegschaft betragen, während er für Fachkräfte auf 25 Prozent begrenzt ist. Zusätzlich dürfen die Löhne und Gehälter, die an ausländische Arbeitnehmer gezahlt werden, maximal 30 Prozent der Gesamtlohnsumme ausmachen.

Eine Arbeitsgenehmigung muss durch den zukünftigen Arbeitgeber beim Arbeitsministerium beantragt werden, die mittlere Bearbeitungsdauer liegt bei zwei Monaten. Wer ohne Genehmigung arbeitet, riskiert eine Abschiebung. Aktuell scheint eine Abschiebung nach Gaza wohl weniger im Interesse der ägyptischen Machthaber. Nur eine Garantie gibt es dafür nicht.

Mittlerweile ist die Grenze in Rafah unter israelischer Kontrolle. Der Übergang wurde wegen der Präsenz israelischer Panzer geschlossen, wie ein Sprecher der zuständigen Behörde mitteilte.

Quellen:
Report: Egypt working to create buffer zone around Gaza border (ynetnews.com)
Ägypten baut unterirdische Metallmauer am Gazastreifen – Nahost-Konflikt – derStandard.at › International
Pressedienst Ägypten
Maariw

Hinweis: * Die konkrete Währung wurde nicht angegeben, da das Spendenziel bei 11.000 € angegeben wurde, könnte man jedoch von Euro ausgehen.

Bild: Gigi Ibrahim (Egyptian Convoy to Gaza, Palestine | Gigi Ibrahim | Flickr) CC BY 2.0 DEED (bearbeitet durch ONS)

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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