Das Bild zeigt Stacheldraht und einen Maschendrahtzaun im Vordergrund, die beide scharf im Fokus sind. Im Hintergrund ist ein unscharfes Gebäude mit Fenstern zu sehen. Der Stacheldraht ist in mehreren Kreisen angeordnet und wirft Schatten auf den Zaun und das Gebäude. Oben in der Mitte des Bildes befindet sich ein orangefarbenes Rechteck mit dem Text "OBIAUSHV". SYMBOLBILD CDU-Forderung zur Inhaftierung von Ausreisepflichtigen – politische Symbolik oder umsetzbare Maßnahme?

Die Migrations- und Asylpolitik bleibt ein zentrales Thema in der deutschen Innenpolitik. CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinen Forderungen zur Verschärfung der Asylgesetze erneut eine hitzige Debatte entfacht. Ein besonders umstrittener Punkt seines Fünf-Punkte-Plans „für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ sieht vor, vollziehbar ausreisepflichtige Personen in leer stehenden Kasernen oder Containerbauten in Haft zu nehmen. Doch wie realistisch ist diese Forderung? Und welche rechtlichen, logistischen und ethischen Herausforderungen birgt sie?

Die Forderung im Detail

Laut dem CDU-Papier sollen Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, nicht mehr auf freiem Fuß bleiben, sondern unmittelbar inhaftiert werden. Dafür müsse die Anzahl der Haftplätze in den Bundesländern signifikant erhöht werden. Der Bund solle die Länder unterstützen und schnellstmöglich verfügbare Liegenschaften, wie leer stehende Kasernen oder Containerbauten, zur Verfügung stellen. Zum Stichtag 31. Dezember 2022 gab es laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rund 42.296 vollziehbar ausreisepflichtige Personen in Deutschland. Diese Menschen haben kein Aufenthaltsrecht, und ihre Abschiebung ist grundsätzlich möglich – sei es, weil sie illegal eingereist sind, ihr Aufenthaltstitel abgelaufen ist oder sie aufgrund einer Rückführungsentscheidung eines anderen EU-Landes ausreisepflichtig wurden.

Rechtliche Hürden

Experten weisen jedoch darauf hin, dass eine Inhaftierung nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Nach geltendem Recht können ausreisepflichtige Personen nur dann in Haft genommen werden, wenn konkrete Fluchtgefahr besteht, sie ihre Identität verschleiern oder sich bereits in der Vergangenheit einer Abschiebung entzogen haben. Bei vielen der 42.296 Personen dürften diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein. Eine pauschale Inhaftierung aller Ausreisepflichtigen wäre somit rechtswidrig.

Zudem steht die CDU-Forderung im Widerspruch zu europäischem Recht. Die EU-Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass Freiheitsentzug nur als letztes Mittel und für die kürzestmögliche Dauer angewendet werden darf. Obwohl die EU-Innenminister zuletzt eine Verschärfung der Richtlinie diskutiert haben, wird es voraussichtlich Monate dauern, bis entsprechende Änderungen in Kraft treten. Selbst dann bleibt fraglich, ob eine massenhafte Inhaftierung mit den Grundrechten der EU vereinbar wäre.

Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits in der Vergangenheit deutlich gemacht hat, dass eine pauschale Inhaftierung von Asylsuchenden oder Migranten ohne Einzelfallprüfung nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar wäre. Ein solcher Schritt könnte daher nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch auf internationaler Ebene juristische Konsequenzen haben.

Logistische Herausforderungen

Die CDU fordert, dass diese Personen inhaftiert werden, bis ihre Abschiebung vollzogen wird. Um dies zu ermöglichen, sollen laut dem Unions-Plan „alle verfügbaren Liegenschaften“ für diesen Zweck genutzt werden. Die Bundesanstalt für Immobilien (BImA) gibt an, dass es derzeit 93 potenziell nutzbare Liegenschaften für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt – darunter leer stehende Kasernen und möglicherweise auch Containeranlagen. Ob diese Immobilien jedoch für die Inhaftierung von Ausreisepflichtigen geeignet sind, ist unklar. Die BImA betont, dass dies geprüft werden müsse. Zudem liegt die Entscheidung über die Nutzung der Liegenschaften bei den Ländern und Kommunen, nicht beim Bund.

Selbst wenn geeignete Immobilien gefunden werden, stellt sich die Frage nach den Kosten. Der Bund würde zwar die Renovierung und Herrichtung der Gebäude übernehmen, doch die Länder müssten den Betrieb vor Ort organisieren – eine enorme finanzielle und personelle Belastung. Angesichts der ohnehin angespannten Haushalte vieler Bundesländer ist fraglich, ob diese Maßnahme flächendeckend umgesetzt werden könnte.

Das Kernproblem: Vollzug

Das größte Hindernis bleibt jedoch der Vollzug der Abschiebungen selbst. Viele Herkunftsländer kooperieren nicht mit Deutschland, verweigern die Rücknahme ihrer Staatsbürger oder stellen keine notwendigen Dokumente aus. In einigen Fällen fehlt es schlicht an Flugzeugen oder Personal, um Abschiebungen durchzuführen. Selbst wenn Ausreisepflichtige inhaftiert werden, ändert dies nichts an den strukturellen Problemen bei der Abschiebung. Ohne eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern würde eine Haft lediglich zu einer kostspieligen und rechtlich fragwürdigen Verwahrung führen.

Politische und ethische Kontroversen

Die Forderung von Friedrich Merz hat nicht nur praktische, sondern auch politische und ethische Implikationen. Die CDU/CSU-Fraktion setzt sich dafür ein, dass Menschen ohne gültige Papiere oder bereits in einem anderen EU-Land registrierte Geflüchtete an den Grenzen zurückgewiesen werden. Doch nicht alle EU-Länder unterstützen diesen Kurs. Österreich hat bereits klargemacht, dass es zurückgewiesene Asylsuchende nicht aufnehmen wird.1 Zudem beruft sich die Union auf eine angebliche „Notlage“ gemäß Artikel 72 des EU-Vertrags, um nationale Maßnahmen zu rechtfertigen. Experten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine solche Notlage anerkennen würde.

Kritiker wie Halima Gutale, Vorsitzende der Flüchtlingsorganisation PRO ASYL, warnen vor den gesellschaftlichen Folgen der CDU-Politik. „Der Kurs, den Friedrich Merz mit der CDU einschlägt, ist alarmierend – ja, brandgefährlich für unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt“, so Gutale. Sie fordert die CDU-Mitglieder auf, sich für die Menschenwürde aller Menschen einzusetzen und sich gegen rechtsextreme und völkische Tendenzen zu stellen.

Symbolpolitik oder realistische Lösung?

Die Forderung der CDU, vollziehbar ausreisepflichtige Personen in leer stehenden Kasernen in Haft zu nehmen, wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten liefern. Rechtliche Bedenken, logistische Herausforderungen und die mangelnde Kooperation von Herkunftsländern machen die Umsetzung des Plans äußerst unwahrscheinlich. Statt praktikabler Lösungen zu bieten, scheint die Forderung primär politische Symbolik zu sein – ein Versuch, die Debatte zu polarisieren und Wähler zu mobilisieren.

In einer Zeit, in der die Migrationspolitik ohnehin von emotionalen und ideologischen Grabenkämpfen geprägt ist, braucht es jedoch sachliche und realistische Ansätze. Eine nachhaltige Lösung kann nur durch eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, eine effizientere Bearbeitung von Asylanträgen und eine faire Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU erreicht werden. Ob die CDU mit ihrer aktuellen Strategie dazu beiträgt, bleibt mehr als fraglich.

Fazit: Mehr Fragen als Antworten

Die CDU-Forderung nach einer Inhaftierung vollziehbarer ausreisepflichtiger Migranten bleibt hochumstritten. Weder sind ausreichende Haftplätze vorhanden, noch ist rechtlich geklärt, inwieweit eine generelle Inhaftierung mit EU-Richtlinien vereinbar ist. Wenngleich alle rechtlichen Hürden genommen würden, bliebe das größte Problem bestehen: Ohne die Kooperation der Herkunftsländer lassen sich Abschiebungen nicht in relevanter Zahl umsetzen.

Während CDU-Chef Friedrich Merz mit seiner harten Migrationspolitik auf Zustimmung bei Teilen der Bevölkerung hofft, warnen Kritiker vor den gesellschaftlichen und rechtlichen Folgen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Pläne durchsetzen lassen – oder ob sie letztlich an ihrer praktischen Umsetzbarkeit scheitern.

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Kurz & Bündig

Was fordert die CDU in Bezug auf die Inhaftierung von Ausreisepflichtigen?

Die CDU fordert, dass vollziehbar ausreisepflichtige Personen in leer stehenden Kasernen oder Containerbauten inhaftiert werden, bis ihre Abschiebung vollzogen ist.

Ist die generelle Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen rechtlich möglich?

Nach deutschem und europäischem Recht ist eine pauschale Inhaftierung nicht zulässig. Eine Inhaftierung ist nur unter bestimmten Bedingungen wie Fluchtgefahr oder Identitätsverschleierung erlaubt.

Welche logistischen Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung?

Es fehlen ausreichend geeignete Haftplätze, und der Betrieb solcher Einrichtungen wäre für die Bundesländer eine erhebliche finanzielle und organisatorische Belastung.

Wie sieht die rechtliche Lage auf EU-Ebene aus?

Die EU-Rückführungsrichtlinie erlaubt Freiheitsentzug nur als letztes Mittel und unter strengen Bedingungen. Eine Masseninhaftierung könnte gegen EU-Recht und Menschenrechte verstoßen.

Würde eine Inhaftierung die Abschiebungen beschleunigen?

Nein, das Hauptproblem bleibt die mangelnde Kooperation vieler Herkunftsländer, die ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen oder notwendige Dokumente nicht ausstellen.

Ist die CDU-Forderung eher politische Symbolik oder eine realistische Maßnahme?

Aufgrund der rechtlichen, logistischen und diplomatischen Hürden erscheint die Forderung derzeit eher als Symbolpolitik denn als umsetzbare Lösung.

Quelle:
Eigene Recherchen
ONS
Bundesanstalt für Immobilien
Pro Asyl
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

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Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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