Helen Fares Befürwortung einer Boykott-App führt zu ihrer Trennung vom SWR und wirft Fragen zur Verantwortung des Senders auf.

Der ÖRR-Vorfall mit Helen Fares und die SWR Verantwortung

ÖRR-Vorfall Helen Fares Screenshot

Der SWR und die Reichweite – oder warum man die Reichweite liebt

Der ÖRR-Vorfall im Detail – Die Moderatorin Helen Fares wird nicht mehr für den Südwestrundfunk (SWR) arbeiten. Die Trennung von der Moderatorin, Aktivistin und Influencerin gab man bereits am Montagabend bekannt. Zuvor wurde bekannt, dass Fares eine App über ihr privates Instagram-Profil „Ms Baklava“ bewarb, welche es erleichtern soll, Firmen zu boykottieren, die eine Verbindung zu Israel haben.

Fares Aufruf zum Boykott

Im Supermarkt sucht sie nach ihrer geliebten Schokoersatzmilch von Alpro. Doch die Moderatorin der SWR-Sendung „Mixtalk“ stellt fest, dass sie diese nicht mehr kaufen kann. Warum? Weil Alpro und der Mutterkonzern Danone Verbindungen zu Israel haben. Der Hersteller von Ersatzmilch auf Sojabasis unterstützt israelische Start-Ups. Danone wurde 1919 von Isaac Carasso gegründet, der aus einer Familie sephardischer Juden stammt.

Helen Fares geht über die Kennzeichnung der Alpro-Schokomilch hinaus. Sie empfiehlt die App „No Thanks“ als Einkaufsbegleiter. Diese Boykott-App listet Hunderte Unternehmen und Produkte auf, die mit Israel verbunden seien. Die von einem palästinensischen Entwickler erstellte App soll es vereinfachen, zu erkennen, was man nicht kaufen sollte. Prinzipiell kann jedoch jeder eine Firma melden und diese als »jüdisch« anschwärzen.

Oftmals wurde der Aufruf als eine neue Version von „Kauft nicht bei Juden“ verstanden. In einer früheren Version machte die App daraus auch keinen Hehl, jedoch wurde diese zeitweise aus den Appstores entfernt. In einer zahmeren Version konnte die App zurückkehren.

Besonders der Zeitpunkt, sechs Monate nach dem Angriff der Terrororganisation auf Zivilisten am 7. Oktober, dürfte bei vielen Menschen zum Unverständnis beigetragen haben.

Eine Überraschung mit Ansage

Wirklich überrascht sollt man von den Äußerungen jedoch nicht, auch der SWR kann sich mit einer Unkenntnis über die Äußerungen von Fares kaum herausreden. Man muss ich schon die Frage gefallen lassen, warum man nicht bereits früher reagiert hat?

An Israel ließ sie in der Vergangenheit kaum ein gutes Haar. Helen Fares bezeichnet den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als „faschistisch“ und wirft Israel vor, „Apartheid“ zu praktizieren sowie einen „Genozid“ an den Palästinensern zu begehen. Nuancen lässt sie bei den Äußerungen oftmals vermissen. Der böse Staat Israel scheint omnipräsent. „Alle in Deutschland sollten auf die Straße gehen und gegen Deutschlands Unterstützung des Faschismus demonstrieren“, schrieb Helen Fares. Auf den Kommentar((Zitat nach BILD-Zeitung: „Ohne Hamas wäre es nicht zu diesem Krieg gekommen“)) eines Nutzers, welche die Schuld für das aktuelle Vorgehen der israelischen Armee bei der Hamas sieht, antwortet sie: „Das ist so geschichtsrevisionistisch und uninformiert, dass ich nicht mal weiß, wo ich anfangen soll.“

Trennung von der Moderatorin

Es wurde Helen Fares gegenüber darauf hingewiesen, dass „für Moderatoren eines Debattenformats zum Schutz der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Sendung eine Pflicht zur Neutralität gelte“. Diese Neutralität habe sie jedoch bei ihrem Auftreten bei Social Media vernachlässigt, wie der SWR mitteilte.

In der Pressemitteilung spricht man von wiederholten Äußerungen. Also scheint man beim Sender bereits über einige Äußerungen in Bilde gewesen zu sein. Jedoch entschied man sich erst nach einem öffentlichen Aufschrei zum Einschreiten.

Der SWR möchte keine Verbindung zwischen dem eigenen Sender und ihren Äußerungen sehen und distanziert sich von den Aussagen, diese seien „nicht im Kontext einer Beschäftigung für den SWR entstanden“. Jedoch darf man nicht vergessen, dass die Moderatorin als Aushängeschild des SWRs diente und man bereits zuvor von einigen Äußerungen wusste. Auch der Boykott-Aufruf ist für den Südwestrundfunk nicht neu. So schrieb man in der Erklärung: „Schon zuvor hatte Helen Fares zum Boykott israelischer Erzeugnisse aufgerufen.“

Der SWR betont die Wichtigkeit der Unabhängigkeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Social Media. Trotz persönlicher politischer Meinungen dürfen keine Zweifel an der Unabhängigkeit des Senders aufkommen. Im konkreten Fall wird dieser Grundsatz als verletzt angesehen.

Zuvor hatten der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck sowie die CDU-Politiker Christian Gehring, Guido Wolf und Matthias Hauer darauf hingewiesen und nach Konsequenzen gefragt.

Fares bleibt dem Aktivismus treu

Helen Fares hält indes hartnäckig an ihrer Sichtweise fest und verstärkt ihre Aktivitäten. Auf Instagram äußert sie sich geradezu verbittert über ihren Rauswurf beim SWR und präsentiert sich unter dem Titel „German Media Silencing – But we will not be silenced“ als Opfer. In einem Beitrag wird erwähnt, dass sie als antisemitisch bezeichnet wurde, weil sie Produkte von Unternehmen boykottiert, die die israelische Wirtschaft unterstützen. Sie betont jedoch, dass es nichts mit Antisemitismus zu tun habe, wenn man sich gegen Produkte eines Unternehmens ausspreche, das ein Land unterstützt, „gegen das ein Verfahren wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof läuft, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.“

Fares bleibt ihrer Überzeugung treu, handelt jedoch häufig ohne ausreichende Faktenbasis. Sie beschuldigt Israel daher des Völkermordes und legt in ihren Aussagen nahe, dass Israel absichtlich die Tötung von Zivilisten vornimmt. Eine Haltung, welche sie nicht durch Fakten belegt. Der SWR hätte es nicht aushalten können, dass „rechtsgerichtete Menschen“, sich über Fares beschwert hätten. Kritik an Fares sei somit förmlich rechte Hetze, nur so dürften sich ihre Aussagen verstehen lassen.

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In ihrem Nachtreten bei Instagram sprach sie ebenso von „rechten Trollen“. Unterstützung bekam sie derweil von der ehemaligen Kollegin Sarah Schneider, welche beim Onlinenetzwerk „funk“ von ARD und ZDF das Format „Auf Klo“ präsentiert. Unter der Tirade heißt es: „I stand with you.“((https://www.instagram.com/p/C5gyAm_MIFL/))

Offenbar gibt es bei den Kollegen von den öffentlich Rechtlichen weiterhin Klärungsbedarf, was man als Journalist:in oder Moderator:in beachten sollte.

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Verbindung zu „Jüdische Stimme“

Bei dem Posting zeigt sich zudem ihre Verbindung zum Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Jener Verein fiel in der Vergangenheit mit antiisraelischen Inhalten auf und bezeichnete das Massaker der Hamas am 7. Oktober als „Gefängnisausbruch“. Ihr Beitrag wurde nicht nur auf ihrem privaten Account veröffentlicht, sondern auch auf dem Account des Vereins. Zu erkennen ist dies an der Kennzeichnung beider Account an der Markierung: „helenfares und juedischestimme“.

Laut dem Internationalen Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung finden sich in den Erklärungen des Vereins und ihren Social-Media-Auftritten „zahlreiche Belege, dass dieser Verein insbesondere den israelischen Staat dämonisiert und delegitimiert.“

Qualität vs. Reichweite und die Integration von Influencern?

Was sich jedoch generell fragen lässt: Wie kommt man darauf, eine politische Influencerin für die Moderation eines solchen Formates einzusetzen? Helen Fares und Neutralität schien so bereits zum Anfang zum Scheitern verurteilt zu sein. War es eine Frage der Reichweite?

Schon lange politische Aktivistin

Die politische Aktivität von Helen Fares ist Teil Ihres Erfolges in den sozialen Medien. Auf Ihrer Website beschreibt Sie sich selbst folgendermaßen: „Ich bin Journalistin, Aktivistin, Moderatorin, Podcasterin und Psychologin im Bereich Wirtschaft.“ Natürlich lässt sich bei einer solchen Beschreibung wohl keine neutrale Journalistin finden, zumindest wenn es um ihr Kerngebiet als Aktivistin geht. Selbst versteht sie sich als „Syrerin in Almanya“. Man findet leicht ihre Rede zum Klimastreik oder Material, wie sie auf der Reichstagwiese zum Tag der Menschenrechte sprach.

Ihrem Engagement für die Seenotrettung oder für die medizinische Behandlung in Gaza trug sie oft aktiv in die Öffentlichkeit.((Spendenformular für Seenotrettung und medizinische Hilfe im Gaza-Streifen auf Seite des Podcasts: https://linktr.ee/hallohomegirls)) In den vergangenen Monaten meldete sie sich immer wieder zu den aktuellen Geschehen in Gaza.

Bisher waren politische Postings wohl akzeptiert

Bisher waren die politischen Postings wohl akzeptiert: Es scheint beim SWR keine Prüfung der Konten gegeben zuhaben. Bislang schien es die Auftraggeber von Helen Fares nie gestört zu haben. Unter ihren Kunden und Auftraggebern waren ZDF((https://www.youtube.com/watch?v=vm_dfGKZ5H4&t)), ARD Kultur((Akte: Raubkunst? · Podcast in der ARD Audiothek)), Netflix((Mode.Macht.Menschen | Netflix)) und RTL2((X-Factor: Das Unfassbare – Der Podcast | RTL+)).

In letzter Zeit ist zu beobachten, dass der Öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) immer mehr auf Moderatorinnen und Akteure setzt, welche eine breite Fangemeinschaft mitbringen. Besonders für das junge Programm von ARD und ZDF haben dies bereits einige Kritiker angebracht. Insbesondere bei funk wollen Kritiker:innen dies immer wieder erkennen.

Das birgt ein grundlegendes Risiko: Wie lassen sich die öffentlich-rechtlichen Prinzipien der „Objektivität und Unparteilichkeit“ mit politischem Aktivismus vereinbaren? Diese jungen Influencer werden fast zwangsläufig als Gesichter der Sender wahrgenommen, obwohl sie in der Regel nicht einmal angestellt, sondern als freie Journalistinnen und Journalisten tätig sind.

Reichweite First – Verantwortung zweitrangig?

America First, äh Reichweite First, mag wohl für den SWR von viel größerer Bedeutung gewesen sein. Jedoch ist dies erst einmal nur eine Mutmaßung und wirklich ehrlich dürfte diese Frage wohl nicht beantwortet werden. Der Rundfunk sucht aktuell ohnehin nach seiner Stellung für die Gesellschaft und wie man sein Angebot auch an die jungen Menschen heranführen kann.

In den vergangenen Jahren haben die Sender allgemein begonnen, gezielt junge Influencer anzusprechen, die bereits in den sozialen Medien erfolgreich sind und bestimmte Positionen zu gesellschaftspolitischen Themen vertreten. Für die Sender bringt dies einige positive Punkte mit, so kann man sein Format oftmals leichter etablieren. Speziell für die privaten Sender ein valides Argument, doch der ÖRR sollte nicht so streng auf die Quote schauen. Qualität sollte vor dem Erfolg stehen, zumindest wenn das wirtschaftliche Überleben nicht davon abhängt.

Die Strategie mag jedoch nur auf kurzfristigen Erfolg angelegt sein und zum Wachstum der Aufrufzahlen führen, doch ist dies, was man wirklich möchte? Verstehen Sie mich nicht falsch. Grundsätzlich halten wir bei obiaushv.de den ÖRR für einen wichtigen Baustein in der Medienlandschaft, doch viele Formate von funk oder SWR ließen sich auch im freien Markt umsetzen. Auch die Nutzung von kommerziellen Plattformen mag man kritisieren können, doch im Besonderen die Tagesschau und insgesamt die Newsformate zeigen, wie Qualität ein wichtiger Maßstab sein kann und sollte.

Die Betonung auf Relevanz ist für Medien wichtig. Statt nur auf eine möglichst große Reichweite zu zielen, sollten Medieninhalte darauf abzielen, für ihre Zielgruppe relevant zu sein.
Warum ist Relevanz so wichtig?

Ganz einfach: Je relevanter die Inhalte für die Zielgruppe sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie diese konsumieren, mit ihnen interagieren und schließlich zu dauerhaften Konsumenten der Inhalte werden. Dieses Prinzip gilt nicht nur für den SWR oder funk, sondern auch für Plattformen wie LinkedIn und Google. Bei LinkedIn ist es wichtig, Inhalte zu erstellen, die für das Publikum von Interesse sind, und sich auf spezifische Themen zu konzentrieren. Ähnlich funktioniert es bei der Google-Suche: Relevanz ist hier wichtiger als bloße Reichweite.

Während kurzfristige Quoten wichtig sind, sollte der ÖRR nicht nur auf den nächsten Einschaltquoten-Zyklus schauen. Qualität zahlt sich langfristig aus, indem sie das Publikum bindet und einen nachhaltigen Einfluss hat.

Der SWR hat seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht oder es war ihm schlicht egal, schließlich wusste man laut Pressemitteilung von einigen Aussagen der Moderatorin. Man hätte früher reagieren können und wahrscheinlich auch müssen. Sich jetzt aus der Affäre zu ziehen und die Schuld nur bei Helen Fares zu suchen, ist unehrlich. Bei Vertragsabschluss hätte man die Neutralität bereits vereinbaren müssen. Spätestens seit dem Fares die Schuld bei den Israelis sieht und dies öffentlich äußert, hätte man einschreiten müssen. Es fragt sich, ob man den Account bei Instagram und die anderen Auftritte von ihr geprüft hat?

Die Fähigkeiten hat man beim ÖRR, was in einigen Formaten aufgezeigt wurde. Es bleibt so zumindest der Eindruck von einem großen Versäumnis, bestenfalls. Aus einem solchen Vorfall müssen nun Konsequenzen folgen: Bessere Kontrolle und klare vertragliche Regelungen sowie die Umsetzung dieser.

Quellen:

SWR entbindet Helen Fares von Moderationsaufgaben
Ms Baklava (@helenfares) • Instagram-Fotos und -Videos (Ms Baklava (@helenfares) • Instagram-Fotos und -Videos)

Hinweise:

Helen Fares hat eine Anfrage von obiaushv.de unbeantwortet gelassen.

Beitragsbild ist ein Screenshot von der Seite instagram.com/helenfares/, welches bearbeitet wurde (Fotomontage → Seitenränder)

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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