Das Bild zeigt das Gebäude des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, Frankreich. Es ist architektonisch markant, mit zwei großen, runden, silberfarbenen Türmen und einer gläsernen zentralen Struktur. Die runden Gebäude wirken fast futuristisch und heben sich durch ihre Größe und Form von ihrer Umgebung ab. Zwischen den Türmen befindet sich ein moderner, gläserner Eingang, der das Zentrum des Gebäudekomplexes darstellt. Über dem Gebäude weht eine Europaflagge. Symbolbild EGMR: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat kürzlich ein bedeutendes Urteil gegen Deutschland gefällt. Grund dafür war die rechtswidrige Abschiebung eines syrischen Staatsangehörigen nach Griechenland. Das Gericht befand, dass die Abschiebung ohne hinreichende Prüfung der Umstände erfolgte, was gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gemäß Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstieß. Die Entscheidung des EGMR hebt die Bedeutung eines menschenwürdigen Umgangs mit Asylsuchenden in Europa hervor. Griechenland wurde aufgrund der schlechten Haftbedingungen des Mannes verurteilt. Das Urteil beleuchtet schwerwiegende Versäumnisse seitens der deutschen und griechischen Behörden und setzt ein klares Zeichen für den Umgang mit Asylsuchenden in Europa.

Der Fall des syrischen Asylsuchenden

Im Mittelpunkt des Falls steht der Syrer H.T., der 1993 geboren wurde. Im September 2018 versuchte der damals 25-Jährige, mit einem gefälschten bulgarischen Pass über die deutsch-österreichische Grenze in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen. Die deutschen Behörden nahmen ihn fest und schoben ihn noch am selben Tag im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung mit Griechenland ab. Dies geschah, obwohl H.T. unmittelbar bei seiner Festnahme geäußert hatte, in Deutschland Asyl beantragen zu wollen. Die deutschen Behörden registrierten seinen Asylantrag jedoch nicht und schickten ihn ohne weitere Prüfung nach Griechenland zurück.

Verletzung der Menschenrechte durch Abschiebung

Laut dem EGMR stellte die Abschiebung des Mannes einen klaren Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention dar, der das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung regelt. Die deutschen Behörden hatten es versäumt, zu prüfen, ob H.T. in Griechenland Zugang zu einem fairen Asylverfahren hätte, das verhindern würde, dass er weiter in die Türkei oder gar nach Syrien abgeschoben würde. Auch die Gefahr, dass der Mann in Griechenland unter schlechten Haftbedingungen inhaftiert werden könnte, wurde nicht berücksichtigt. Diese unzureichenden Prüfungen führten laut Gericht zu einer Verletzung seiner Grundrechte.

Unzureichende Rechtssicherheit für den Kläger

H.T. hatte in seiner Klage außerdem geltend gemacht, dass er nach seiner Ankunft in Griechenland willkürlich inhaftiert wurde. Dies verstieß gegen sein Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5 § 1). Zudem hatte er keinen Zugang zu einem Rechtsbehelf, um die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung anfechten zu können, was eine Verletzung von Artikel 5 § 4 darstellt. Der EGMR bestätigte, dass die griechischen Behörden hier nicht ausreichend gehandelt hatten.

Menschenunwürdige Haftbedingungen in Griechenland

Nach seiner Abschiebung aus Deutschland wurde der Mann in Griechenland unter menschenunwürdigen Bedingungen in einer Haftanstalt auf der Insel Leros festgehalten. Der EGMR stellte fest, dass die Haftbedingungen als unmenschlich und erniedrigend zu bewerten sind. In der Urteilsbegründung wurde auch betont, dass H.T. ohne individuelle Garantien über seine Behandlung nach Griechenland abgeschoben wurde, was die Verantwortung Deutschlands verstärke.

Im Rahmen des Urteils verurteilte der EGMR Deutschland zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 8.000 Euro an den Mann. Diese Summe soll den immateriellen Schaden abdecken, den der Kläger durch die rechtswidrige Abschiebung erlitten hat. Zusätzlich wurde Griechenland dazu verurteilt, H.T. eine Entschädigung in Höhe von 6.500 Euro für die schlechten Haftbedingungen zu zahlen, denen er in Griechenland ausgesetzt war.

Kettenabschiebungen und europäische Asylpolitik

Ein zentraler Punkt der Beschwerde war die Befürchtung, dass der Schutzsuchende nach seiner Rückkehr nach Griechenland der Gefahr einer sogenannten „Kettenabschiebung“ ausgesetzt sein könnte. Diese Praxis beschreibt die wiederholte Abschiebung einer schutzsuchenden Person von einem Land in das nächste, bis er schließlich in sein Herkunftsland zurückgeführt wird – in diesem Fall Syrien. Die deutschen Behörden hatten es versäumt, dieses Risiko zu bewerten, was laut EGMR ein schwerwiegender Verstoß war. Obwohl der Kläger später in Griechenland als Geflüchteter anerkannt wurde, betonte das Gericht, dass diese Entwicklung zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht absehbar war.

Das Urteil sendet eine klare Botschaft an alle europäischen Staaten: Die Rechte von Asylsuchenden müssen gewahrt und Verfahren fair sowie sorgfältig geprüft werden. Besonders in Bezug auf die Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeit für Asylverfahren innerhalb der EU regelt, zeigt der Fall H.T., dass pauschale Abschiebungen in vermeintlich sichere Drittländer Menschenrechte gefährden können.

Politische und rechtliche Auswirkungen

Dieses Urteil könnte weitreichende Konsequenzen für die Abschiebepraxis in Europa haben. Es unterstreicht die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass Asylsuchende in jedem EU-Land Zugang zu einem fairen und effektiven Verfahren haben. Die Entscheidung des EGMR stellt zudem die Praktiken von Verwaltungsvereinbarungen zwischen EU-Staaten infrage, die auf schnelle Abschiebungen abzielen, ohne die individuellen Risiken der betroffenen Personen ausreichend zu prüfen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Fall H.T. ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass grundlegende Menschenrechte auch in einem stark regulierten europäischen Asylsystem nicht vernachlässigt werden dürfen. Deutschland dürfte im Licht dieses Urteils sein Vorhaben der Abschiebung noch einmal überdenken müssen.

Kurz & Bündig

Was bedeutet das Urteil für die Abschiebepraxis in Europa?

Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, jede Abschiebung sorgfältig zu prüfen, um sicherzustellen, dass die Rechte von Asylsuchenden gewahrt werden.

Warum wurde Deutschland verurteilt?

Deutschland wurde verurteilt, weil es einen syrischen Asylsuchenden nach Griechenland abgeschoben hat, ohne dessen Asylantrag zu prüfen und ohne die menschenrechtlichen Risiken zu berücksichtigen.

Welche Bedeutung hat der Fall für die Dublin-Verordnung?

Der Fall zeigt, dass die Dublin-Verordnung in ihrer derzeitigen Form Menschenrechtsverletzungen fördern kann, wenn Abschiebungen ohne ausreichende individuelle Prüfung erfolgen.

Welche Entschädigungen wurden zugesprochen?

Der EGMR verurteilte Deutschland zu einer Entschädigungszahlung von 8.000 Euro und Griechenland zu 6.500 Euro.

Was sind Kettenabschiebungen?

Kettenabschiebungen beschreiben die wiederholte Abschiebung einer Person von einem Land ins nächste, bis sie schließlich in ihr Herkunftsland zurückgeführt wird.

Wie könnte sich das Urteil auf die europäische Asylpolitik auswirken?

Das Urteil könnte zu einer Reform der Asylpolitik führen, indem die Rechte von Asylsuchenden stärker in den Fokus gerückt werden.

Sowohl die geplanten Grenzkontrollen als auch die Zurückweisungen sind rechtlich umstritten. Die Freizügigkeit innerhalb der EU, die durch das Schengen-Abkommen garantiert wird, erlaubt Grenzkontrollen nur unter bestimmten Bedingungen und zeitlich begrenzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der Vergangenheit bereits ähnliche Maßnahmen, wie die von Österreich 2015 eingeführten Grenzkontrollen, als rechtswidrig eingestuft. Der EuGH hob in dem Fall hervor, dass die Einführung und wiederholte Verlängerung von Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien im September 2015 sowie die erneute Einführung von Kontrollen ab dem 11. November 2017 für mehrere aufeinanderfolgende sechsmonatige Perioden gegen EU-Recht verstießen. Dieses Urteil wurde am 26. April 2022 in der Rechtssache C-368/20 gefällt.

Eine der zentralen Forderungen von Merz ist ein pauschaler Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan. Diese Idee stößt jedoch auf grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl (Artikel 16a) garantiert, dass jeder Asylantrag individuell geprüft werden muss. Eine pauschale Ablehnung ohne Einzelfallprüfung wäre daher verfassungswidrig. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach sich gegen eine solche Pauschallösung aus und äußerte rechtliche Bedenken.
Auch wenn der Bundestag das Grundgesetz ändern würde, stünde Deutschland weiterhin unter den Bindungen des EU-Rechts und der internationalen Abkommen wie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Quellen:
Eigene Recherche – Unterstützt durch ONS
Das Urteil: https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-237290
Judgments of 15.10.2024 (pdf)

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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