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Ein genauer Blick auf Claus Weselsky und die GDL enthüllt die Dynamik hinter dem aktuellen Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn.

GDL-Chef Claus Weselsky: Mehr als nur ein Querulant?

Claus Weselsky GDL Bahn Bahnstreik Symbolbild

Inmitten des anhaltenden Arbeitskampfes zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Deutschen Bahn rückt eine Schlüsselfigur in den Fokus: Claus Weselsky. Der Vorsitzende der GDL hat in der öffentlichen Wahrnehmung unterschiedliche Facetten – für manche ist er ein streitbarer Gewerkschaftsführer, für andere eine Hassfigur. Diese Uneinigkeit spiegelt die kontroverse Debatte um Arbeitsbedingungen, Tarifverhandlungen und den Zustand der Deutschen Bahn wider. Dieser Artikel wirft einen Blick auf Weselskys Rolle, die Hintergründe des Arbeitskampfes und die zugrunde liegenden Herausforderungen im Schienenverkehrssektor.

Die Bestreikung der Deutschen Bahn durch die Gewerkschaft der Lokführer ist in aller Munde. Kritik gegen diese Streiks gibt es in den Medien zuhauf, doch warum eigentlich und bräuchte nicht jeder einen Claus Weselsky?

Wer ist Claus Weselsky?

Viele Menschen werden schon ihr eigenes Bild über den Mann namens Claus Weselsky haben. Für den Bahnvorstand, den Verkehrsminister und manchen Pendler ist er zu einer Hassfigur verkommen. Dabei macht er eigentlich nur seine Arbeit und steht als Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an der Seite der Mitglieder:innen. Weselsky tritt dabei in den Medien entschlossen auf und hält dem teilweise stürmischen Wind stand. Im Gegensatz zu einigen Medien kann er die Angebote der Bahn nicht nur lesen, sondern versteht die Brisanz und teilweise entgegengebrachte Verachtung aus dem Staatskonzern (dazu später etwas mehr).

Seit Monaten kämpft er und seine Gewerkschaft für bessere Arbeitsbedingungen, sowie höhere Löhne. Er ist generell bekannt für seine scheinbar kompromisslose Haltung. Seine Bereitschaft, Streiks zu organisieren, welche den Bahnverkehr in Deutschland lahmlegen, ist dabei natürlich kein Geheimnis. Viele Menschen sind von den Streiks genervt und halten Weselsky für einen egoistischen Querulanten, der nur seine eigenen Interessen vertritt. Doch ist das wirklich so?

Der ewige Querulant?

Für viele scheint der Mann dabei nicht mehr als ein Querulant zu sein, für andere hingegen ist er der letzte stabile Gewerkschafter in Deutschland. Was man sicherlich über Claus Weselsky sagen kann ist, dass er sich nicht veraschen lässt. Kompromisse hingegen gab es schon mit vielen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Konkurrenten der Deutschen Bahn sind dabei oft rein privatwirtschaftliche Konzerne, welchen es nur um Gewinn geht. Bei der DB soll es auch um das Allgemeinwohl gehen, jedoch wurde die Belegschaft dabei offenkundig nie in den Mittelpunkt gerückt. Deutschland hat sich entschieden, die Bahn in einen privaten Konzern zu verwandeln. Eine Aktiengesellschaft, welche jedoch hauptsächlich dem Staat gehört.

Damit wurde auch das Streikrecht für das Personal eingeführten. Die Lokführer waren früher meist Beamte und durften nicht so einfach streiken, schon gar nicht in der Dienstzeit. Alles sollte günstiger und besser werden. Konkurrenz sollte das Angebot erweitern, doch der Kahlschlag im Schienensystem folgte. Weichen, Ausweichstrecken und Personal wurde abgebaut. Besonders im Osten kam man die zu spüren. Die Autobahnen waren lange das Lieblingsprojekt jedes Verkehrsministers. Weselsky kommt aus dem Osten, war in der Reichsbahn tätig, so hieß die Bahn in der DDR. Partei und Klüngel waren nicht sein Thema. Nach der Wende wurde er später Gewerkschafter und seitdem streitet er mit der Gegenseite. Im Kopf dabei nur die eigene Gewerkschaft, so würden es einige meinen.

Den Nachwuchs und die Kunden erwähnt er jedoch auch regelmäßig, doch dies mag für einige Medien keine Quote bringen oder den Bericht verkomplizieren. Im Grunde kämpft er als Eisenbahner, für eine bessere Bahn und hat dabei natürlich seine Mitglieder im Blick. Genau das ist eben seine Aufgabe. Er ist der Chef einer Gewerkschaft und sitzt nicht im DB-Tower. Die Belegschaft der Bahn ist sein Gebiet und nicht ob der Minister ruhig schlafen kann. Im Übrigen gab es bereits 18 Tarifpartner, welche mit der GDL einen Abschluss hinbekommen haben und das auch mit Kompromissen aufseiten der Gewerkschaft. 1

Es gab doch ein Angebot der Bahn?

Einige werden den Text wahrscheinlich nicht bis hierin gelesen haben und dachten, es existiere doch ein Angebot der Bahn – doch ist es wirklich ein Angebot? Machen wir es in diesem Text nicht zu spannend: Das Angebot war eher eine Finte. Oberflächlich gelesen, mag eine Reduzierung, wenn auch sehr gering (1h Wochenarbeitszeit) enthalten gewesen sein. Nur gilt dies bloß dann, wenn die Bahn genügend Personal eingestellt habe und erst ab 2026. Die Bahn würde somit am längeren Hebel sitzen und die GDL hätte das Vertrauen der Mitglieder verspielt. Zudem sollten die Mitarbeiter:innen dies im Grund selbst finanzieren, weil sie dann auch auf Lohn hätten verzichten müssen.

Außerdem will die Deutsche Bahn weiterhin nicht, dass die GDL auch die Fahrdienstleiter vertreten kann. Genauer gesagt lehnt die Bahn die Schaffung von Tarifverträgen für den Geschäftsbereich Fahrweg der DB InfraGO AG und den Bundes-Rahmentarifvertrag für die Fahrzeuginstandhaltung ab. Für die Gewerkschaft steht dies nicht zur Debatte, eine Forderung, welche man als vom Grundgesetz geschützt sieht. 2

Lieber will man sich mit der EVG 3. Eine Gewerkschaft, die das Blut des Claus Weselskys förmlich zum Kochen bringen kann. Er sieht hier keine Konkurrenz, sondern viel mehr eine Gewerkschaft, welche die eignen Mitglieder schon zu oft verraten haben. In Interviews reagiert auf die EVG zumindest immer sehr schroff. Die zentrale Forderung der GDL: 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter ohne Entgeltkürzung (bis 2028), 420 Euro mehr Entgelt, eine 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie, die Erhöhung beziehungsweise Vereinheitlichung der Altersvorsorge auf das Marktniveau und die grundsätzliche Fünf-Tage-Woche.

Interessant ist zudem, dass Personalvorstand der DB Herr Seiler die Abschlüsse mit den 18 Unternehmen als „PR-Gag“ bezeichnete und somit zusätzlich die Atmosphäre vergiftete und förmlich noch Öl auf ein Feuer kippte. Diese Äußerung führt aufseiten der GDL zu einer scharfen Zurückweisung.

Warum jeder einen Claus Weselsky braucht

Brauchen wir nicht alle einen Claus Weselsky? Eine Person, die für uns und unsere Interessen kämpft? Weselsky ist nicht längst nicht nur ein Gewerkschaftsführer, sondern auch ein Symbol für die Wichtigkeit von Gewerkschaften und Streiks als elementare Mittel der Arbeitnehmervertretung. Für manche allerdings auch nur Hassfigur. Gewerkschaften sind Organisationen, die die Rechte und Interessen von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern vertreten. Sie verhandeln Tarifverträge, die die Arbeitsbedingungen, die Löhne, die Arbeitszeiten, den Urlaub, den Kündigungsschutz und vieles mehr regeln. Gewerkschaften sind also ein Garant für soziale Gerechtigkeit und faire Bezahlung.

Streiks sind das letzte Mittel, das Gewerkschaften einsetzen können, wenn die Verhandlungen mit den Arbeitgebern scheitern. Streiks sind Ausdruck des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit und des Rechts auf kollektive Selbstbestimmung 4. Sie sind ein Zeichen von Solidarität und Widerstand gegen die Macht der Konzerne. Streiks sind ein Weg, um auf Missstände aufmerksam zu machen und Verbesserungen zu erzwingen.

Claus Weselsky ist ein Streikführer, der sich nicht einschüchtern lässt. Er kämpft für die Anliegen seiner Gewerkschaft, die mehr als 30.000 Lokführer und andere Bahnbeschäftigte vertritt. Die Verhandlungen zwischen der GDL und der Deutschen Bahn sind festgefahren. Deshalb hat die GDL mehrere Streiks organisiert, die jeweils mehrere Tage dauerten und den Personen- und Güterverkehr stark beeinträchtigt haben. Die Streiks haben zu Zugausfällen, Verspätungen, Umleitungen, Überfüllungen und Unannehmlichkeiten für Millionen von Reisenden und Pendler geführt. Die Streiks haben auch die Wirtschaft geschadet, die auf einen reibungslosen Transport von Waren angewiesen ist. Es ist jedoch die Frage, ob die GDL dies zu verantworten hat oder es am Ende nicht nur ein Symptom ist? Wer die GDL bekämpft, wird am Ende keine bessere Bahn erhalten und hat nur die Symptome eines Konzerns in Schieflage bekämpft. Die Deutsche Bahn hat massive Probleme und die Verantwortung dafür trägt nicht die Gewerkschaft oder Belegschaft, sondern die Führung des Konzerns und die Politik. Jahrzehnte wurde auf Verschleiß gefahren, Nachwuchs findet sich kaum noch und die Politik hat die Rahmenbedingungen nicht verbessert.

Der Arbeitskampf bringt jedoch immer auch vor Augen, wie wichtig die Arbeit der Bahnbeschäftigten ist und wie viel sie leisten. Die Streiks haben auch gezeigt, wie stark die GDL ist und was eine Gewerkschaft bewegen kann. Viele Unternehmen haben Kompromisse mit der GDL gesucht und gefunden. Nur die Deutsche Bahn weigert sich beharrlich und verbrennt dabei weiter Gelder. Boni gab es für die Führung dennoch, wenngleich die Bahn immer schlechter wird und die selbst gesteckten Ziele nicht erfüllt werden. Die Streiks haben auch gezeigt, dass die Deutsche Bahn nicht einfach die Forderungen der GDL ignorieren oder abweisen kann, sondern ernsthaft verhandeln muss.

Sind die Forderungen der GDL nicht einfach berechtigt und die Streiks ein legitimes Mittel, um sie durchzusetzen? Claus Weselsky scheint mutiger und konsequenter Gewerkschaftsführer zu sein, welcher sich für seine Kollegen einsetzt und nicht klein beigibt. Wäre nicht jeder froh, einen Claus Weselsky an seiner Seite zu haben? Wie hätten wohl die Verhandlungen ums Klimageld, der Kindergrundsicherung oder im Gesundheitssektor ausgehen, wenn man wie Weselsky dran bliebe? Vielleicht wird es Zeit für mehr Mut oder einen Miet-Weselsky? Bald dürfte er dafür jedenfalls Zeit haben. Neben Claus Weselsky haben übrigen 97 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für den Arbeitskampf gestimmt und es wird für den Gewerkschaftsführer sein letzter großer Kampf sein. Nach dem hoffentlich baldigem Abschluss geht er in den Ruhestand, auch wenn man sich die GDL ohne ihm kaum vorstellen kann. Zulange, hat er dafür das Gesicht seiner Gewerkschaft geprägt.

Am Ende verstehe ich jedoch jeden Menschen, der auf die Bahn angewiesen ist, doch vielleicht sollte eure Wut mehr gegen den DB-Konzern gerichtet sein und nicht gegen die Arbeiter:innen? Wir sitzen am Ende alle im selben Boot.

Live Blog 1

Alle Inhalte der Abschlüsse lassen sich hier finden: (PDF) – 2024-01-22 PM – DB-Tarifkonflikt.docx (gdl.de)

  1. Mit folgenden Unternehmen in der letzten Woche: AKN Eisenbahn GmbH, Personaldienstleistungsunternehmen MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft mbH, dispo-Tf Rail GmbH, First Passenger Rail Service Germany GmbH, RT&S Lokführer-Akademie, assoft GmbH (Unternehmensbereich railmen), Rheinische Bahnpersonal- und Verkehrsgesellschaft mbH, delphi personal GmbH, Abellio Rail Mitteldeutschland GmbH und der WestfalenBahn GmbH.[]
  2. „Die GDL wird nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren und darüber verhandeln, ob ihre grundgesetzlich geschützten Rechte ausgeübt werden können oder nicht. Diese Rechte stehen ihr zu und sie wird sie wahrnehmen.“[]
  3. Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft[]
  4. Tarifautonomie[]

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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