Karl Lauterbach

Eigentlich hätte es der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) besser wissen müssen, als er behauptete, Ärztinnen und Ärzte würden „nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr“ verdienen. Die Ärzteschaft, so der Tenor in einem Tweet von Lauterbach, würden den Beitragssatz für Arbeitnehmer für das eigene Honorar ansteigen lassen wollen.

Lauterbach arbeitet mit falschen Zahlen

Bei der vom Minister genannten Betrag handelt es sich um den sogenannten Reinertrag. Das Statistische Bundesamt erhob die Zahlen zuletzt 2021 und teilte bei der Veröffentlichung selbst mit: „Der Reinertrag ist nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen.“1

Das Wort Reinertrag wirkt etwas ungünstig und stellt nicht den Gewinn eines Arztes oder einer Ärztin dar. Abgezogen werden davon etwa noch Aufwendungen für die Praxisübernahme, aber auch Alters-, Invaliditäts- oder Krankenversicherung für Inhaber:in der Praxis und die Familie. Schaut man sich die Daten des Statistischen Bundesamtes an, offenbaren sich zudem ziemliche Unterschiede je nach der gewählten Fachrichtung. Bei Allgemeinmediziner:innen liegt der Median des Reinertrags bei 224.000 €. Am geringsten fällt der Wert in der Fachrichtung Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie2 aus, hier beträgt er nur 187.000 €.

Was ist ein Reinertrag?

Das Wort selbst stammt aus der Wirtschaft und stellt die Differenz aus sämtlichen Erträgen und Aufwendungen eines Unternehmens dar. Eine Aussage zum Gewinn ist dies allerdings nicht. Es lässt etwa keine Aussage zu den Kosten von Praxisinhaber:innen („Lohn“) zu oder wie viele Gelder zur Investition zurück in die Praxis fließen.

Ärzten bleiben am Ende nur 86.000 €

Der durchschnittliche Jahresüberschuss betrug laut Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Jahr 2020 172.000 €. Allerdings gingen davon nochmals durchschnittlich 87.000 € ab (Steuern, Altersvorsorge sowie Kranken- und Pflegeversicherung). Im Durchschnitt blieben den Ärzt:innen so 86.000 €.

Am Ende verbleiben den Praxisinhaber:innen also rund 23,5 bis 24,5 Prozent ihres Umsatzes. Etwa 45 Stunden arbeiten niedergelassene Mediziner:innen für diesen Lohn innerhalb der Woche. Den größten Teil des Umsatzes kommt dabei aus der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Der Anteil liegt bei etwa 78 Prozent. Der Rest kommt durch privat versicherte Patienten:innen. Die Werte bilden jedoch nur einen Durchschnitt ab. Einige Praxen haben kaum oder gar keine Privatpatienten.

Tausende Praxen bleiben heute geschlossen

Heute sollen deutschlandweit tausende Praxen geschlossen bleiben. Beteiligt daran sind neben Hausarzt- auch Facharztpraxen. Aufgerufen zu der Aktion hatte der Virchowbund, weitere 20 Ärzteverbände schlossen sich diesen Protestaufruf an. Sogar die Kassenärztliche Vereinigung hat den Aufruf entsprechend geteilt. Der Virchowbund rechnet mit einer fünfstelligen Anzahl von Arztpraxen, welche heute geschlossen bleiben.

Im Aufruf zu der Aktion hieß es: „Wir sind ausgeblutet. Seit 30 Jahren zwingen Politik und Kassen die Arztpraxen zu schmerzhaften Sparmaßnahmen. Wir können nicht mehr.“3 Die Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen höhere Kosten, Bürokratie und „Spar-Gesetze“, sondern auch gegen den Mangel an Fachkräften.

Insbesondere gegen den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach richtet sich der Protest, er würde die Belange der niedergelassenen Mediziner missachten und das Gesundheitssystem in „Richtung Staatsmedizin umbauen“. Praxen würden durch Inflation, Energiepreise und Fachkräftemangel in Not sein.

Die Forderungen der Ärzteschaft lautet im Kern:

  • Wiedereinführung der Neupatientenregelung
  • Ende der Budgetierung
  • Mindestens 5.000 Medizinstudienplätze mehr pro Jahr

Besonders die Budgetregelungen werden von der Ärzteschaft immer wieder kritisiert. Laut Virchowbund seien 80 Prozent der Leistungen überhaupt bezahlt. Grund dafür ist, dass das Budget meist schon vor dem Ende des Quartals erschöpft sei. Krankenkasse verwiesen schon früher gerne auf den Reinertrag, wie der Bund auf seiner Informationsseite www.praxisinnot.de hinweist.

„Ganz bewusst nimmt er dabei einen Strukturwandel zu Lasten der freien akademischen Heilberufe, wie Apotheker, Ärzte und Zahnärzte, in Kauf. Diese Entwicklung muss von den Ampelparteien gestoppt werden, daher unsere Forderung ‚Stoppt Lauterbach!‘“, sagt Dr. Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes.

Zudem verweist man auf die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), welche seit Jahrzehnten nicht erhöht wurden. Die Ordnung bildet die Grundlage zur Abrechnung gegenüber Privatversicherten und Selbstzahlern.

Der Virchowbund ist ein Ärzteverband, welcher die Interessen aller niederlassungswilligen, niedergelassenen und ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte aller Fachgebiete vertritt.

Not- und Bereitschaftsdienst

Patient:innen können sich laut der Kassenärztlicher Bundesvereinigung auf einen flächendeckenden Not- und Bereitschaftsdienst verlassen. Entsprechende Aushänge an den Praxen oder Hinweise auf deren Anrufbeantwortern sollten durch die Patient:innen beachtet werden.

„Jeder Patient, der heute dringendsten Bedarf hat, Notfälle, werden natürlich versorgt.“

Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes
  1. Arztpraxen erzielten 2021 knapp 72 % ihrer Einnahmen aus Kassenabrechnung – Statistisches Bundesamt (destatis.de) []
  2. Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie,
    Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
    Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie []
  3. Praxis in Not – Praxis in Not []

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