Das Bild zeigt Friedrich Merz in einem blauen Anzug mit Krawatte. Symbolbild Asylpolitik

Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU, hat in den vergangenen Tagen eine Reihe von Forderungen gestellt, die die deutsche Asyl- und Migrationspolitik grundlegend verändern würden. Diese Vorschläge, die von einem pauschalen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan hin zu dauerhaften Grenzkontrollen reichen, stoßen jedoch auf erhebliche rechtliche und praktische Hürden. Ein genauerer Blick zeigt, dass die Umsetzung dieser Forderungen nicht nur politisch heikel, sondern auch rechtlich höchst problematisch wären.

Pauschaler Aufnahmestopp möglich?

Eine der zentralen Forderungen von Merz ist ein pauschaler Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan. Diese Idee stößt jedoch auf grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl (Artikel 16a) garantiert, dass jeder Asylantrag individuell geprüft werden muss. Eine pauschale Ablehnung ohne Einzelfallprüfung wäre daher verfassungswidrig. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach sich gegen eine solche Pauschallösung aus und äußerte rechtliche Bedenken.

Auch wenn der Bundestag das Grundgesetz ändern würde, stünde Deutschland weiterhin unter den Bindungen des EU-Rechts und der internationalen Abkommen wie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Diese Verträge verpflichten Deutschland zu Einzelfallprüfungen und zum Schutz von Menschen, die vor Verfolgung fliehen. Eine Aufkündigung dieser Verpflichtungen wäre ein radikaler Schritt, der massive internationale Verwerfungen nach sich ziehen könnte – etwas, das auch Friedrich Merz vermutlich nicht beabsichtigt.

Dublin-III-Verordnung: Herausforderungen und rechtliche Grenzen

Die Dublin-III-Verordnung zielt darauf ab, Asylverfahren effizient zu gestalten und zu verhindern, dass Geflüchtete mehrfach in verschiedenen EU-Staaten Asyl beantragen. Wenn Geflüchtete nach Deutschland kommen, aber bereits ein anderes EU-Land betreten haben, ist Deutschland verpflichtet, ein Übernahmegesuch an das entsprechende Land zu stellen. Nach Zustimmung des anderen Landes wird die Person dorthin zurückgeführt.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Umsetzung der Dublin-III-Verordnung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Ein zentrales Problem besteht darin, dass viele EU-Staaten, insbesondere jene an den Außengrenzen, sich häufig weigern, die Geflüchteten zurückzunehmen. Grund dafür ist häufig auch eine Überlastung dieser Länder, weil die Verteilung von Flüchtlingen in der Union nicht gerecht läuft. Ein weiteres Hindernis sind die teils katastrophalen Bedingungen in den Erstaufnahmeländern. Besonders Griechenland steht in der Kritik, da die dortigen Zustände in den Flüchtlingslagern wiederholt als menschenunwürdig eingestuft wurden. In solchen Fällen verbietet die Europäische Menschenrechtskonvention eine Rückführung, da die Geflüchteten in den Zielländern sonst unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein könnten.

Selbst wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Rückführung nach der Dublin-III-Verordnung erfüllt sind, scheitern diese Überstellungen oft an praktischen Problemen. In vielen Fällen können die deutschen Behörden die Geflüchteten kurzfristig nicht auffinden, weil sie sich der Überstellung entziehen. Zudem wehren sich viele Geflüchtete gerichtlich gegen ihre Rückführung, was zu weiteren Verzögerungen führt. Teilweise finden Abschiebungen statt, obwohl diese von Gerichten untersagt wurden, was im Nachhinein zu viel größeren Problemen und Kosten führt.

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Ein prominentes Beispiel für die Schwierigkeiten in der Praxis war der Fall des mutmaßlichen Attentäters von Solingen. Obwohl alle rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Überstellung erfüllt waren, konnte die Rückführung aus praktischen Gründen nicht durchgeführt werden. Die Dublin-III-Verordnung ist ein Versuch, das Asylsystem in Europa zu koordinieren und gerechte Zuständigkeiten zu schaffen. Doch die Realität zeigt, dass die Verordnung in ihrer aktuellen Form oft schwer umsetzbar ist. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft vieler EU-Staaten, menschenrechtliche Bedenken und praktische Hindernisse bei der Überstellung führen dazu, dass die Verordnung in der Praxis häufig ins Leere läuft.

Die Dublin-III-Verordnung regelt, welches EU-Land für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständig ist, normalerweise das Land, in dem der Asylsuchende zuerst europäischen Boden betritt. Merz schlägt vor, diese Verordnung auszusetzen und bereits an der deutschen Grenze Asylsuchende zurückzuweisen. Nach Ansicht von Asylrechtsexperten ist dies nur dann möglich, wenn die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit Deutschlands gefährdet wäre. Doch ob diese Bedrohung tatsächlich besteht, müsste der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Bis zu einem solchen Urteil könnte Deutschland sich auf eine Ausnahmeregelung berufen, riskiert jedoch, in dieser Zeit rechtswidrig zu handeln. Die politischen und rechtlichen Konsequenzen wären beträchtlich, und eine solche Maßnahme müsste sorgfältig abgewogen und verantwortet werden. Sollte diese Umsetzung dann jedoch vom Gerichtshof beanstandet werden, hätte Deutschland die Verantwortung und damit auch erhebliche Kosten zu tragen.

Abschiebungen und rechtliche Hindernisse

Merz fordert auch, dass ausreisepflichtige Syrer und Afghanen konsequent abgeschoben werden, wenngleich ihnen in ihren Heimatländern schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Dies widerspricht jedoch dem deutschen Grundgesetz und dem internationalen Recht, das ein Abschiebungsverbot vorsieht, wenn dem Betroffenen im Heimatland Tod oder Folter drohen. Diese Regelungen lassen sich nicht einfach ändern, ohne fundamentale Prinzipien unseres Rechtsstaats aufzugeben. Auch wenn eine Person in Deutschland keinen Schutzstatus mehr hat, darf sie nicht abgeschoben werden, wenn ihr im Heimatland etwa der Tod droht.

Zusätzlich gibt es auch hier wieder praktische Probleme: Viele Länder, darunter Syrien und Afghanistan, weigern sich, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Verhandlungen mit den Taliban, um afghanische Bürger abzuschieben, sind politisch und moralisch kaum durchführbar.

Dauerhafte Grenzkontrollen: Ein Widerspruch zum Schengen-Abkommen

Ein weiterer Vorschlag von Merz ist die Wiedereinführung dauerhafter Grenzkontrollen. Dies widerspricht jedoch den Grundprinzipien des Schengen-Abkommens, das offene Binnengrenzen innerhalb Europas garantiert. Zwar können Grenzkontrollen in Ausnahmefällen, etwa bei besonderen Sicherheitslagen, zeitlich begrenzt eingeführt werden, doch eine dauerhafte Umsetzung würde nicht nur gegen EU-Recht verstoßen, sondern auch die Freizügigkeit innerhalb Europas gefährden.

Das Schengener Abkommen, das 1985 von Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern unterzeichnet wurde, hatte zum Ziel, die Personenkontrollen an den Binnengrenzen dieser Länder abzuschaffen. Stattdessen sollten die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt werden. Die Umsetzung erfolgte zehn Jahre später.

Gemäß den Schengen-Regeln sind flächendeckende Kontrollen an den Grenzen eines Mitgliedslandes nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, vornehmlich wenn eine ernsthafte „Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ besteht. Diese Kontrollen müssen notwendig sein, um dieser Gefahr zu begegnen und können normalerweise bis zu 30 Tage dauern. Bei fortbestehender Gefahr können sie mehrmals um jeweils 30 Tage verlängert werden, jedoch insgesamt nicht länger als sechs Monate. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, während der Fußball-Europameisterschaft temporäre Grenzkontrollen einzuführen.

Die längste mögliche Dauer für eine solche Grenzkontrolle beträgt zwei Jahre, und das auch nur dann, wenn das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt bedroht ist, zum Beispiel durch mangelnden Schutz der Außengrenzen.

Fazit: Politisch und rechtlich hochgradig problematisch

Die Forderungen von Friedrich Merz mögen in Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen, stehen jedoch vor enormen rechtlichen und politischen Herausforderungen. Die Umsetzung dieser Vorschläge würde tiefgreifende Änderungen in der deutschen und europäischen Rechtsordnung erfordern und könnte weitreichende diplomatische und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Insgesamt scheint es unwahrscheinlich, dass diese Forderungen in der aktuellen Form realisierbar sind, ohne die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats und der internationalen Zusammenarbeit zu gefährden.

Am Ende bewegt sich Merz mit seinen Forderungen auf dünnem Eis und übernimmt teilweise sogar Positionen der AfD. Eine tatsächliche Umsetzung würde vermutlich spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, es sei denn, Deutschland würde in eine Diktatur zerfallen.

Quelle:
Eigene Recherchen

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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