Das Bild zeigt das Sächsische Oberverwaltungsgericht. Im Vordergrund ist ein Schild mit dem Wappen und der Aufschrift "Sächsisches Oberverwaltungsgericht" sowie der sorbischen Übersetzung "Sakske wšo zarjadniske sudnistwo" zu sehen. Im Hintergrund befindet sich das Gebäude des Gerichts, das durch seine historische Architektur und die markanten Giebel auffällt. Symbolbild Urteil zur Mohrenstraße in Radebeul durch Oberverwaltungsgerichts

Die Debatte um die Mohrenstraße in Radebeul hat eine neue Wendung genommen: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschied, dass der Oberbürgermeister die Anfrage eines Stadtrats zur Herkunft des Straßennamens hätte beantworten müssen. Mit diesem Urteil vom 27. November 2024 stellte das Gericht klar, dass auch historische Fragen, insbesondere in einem aktuellen gesellschaftlichen Kontext, in den Verantwortungsbereich kommunaler Politik fallen. Die Entscheidung hebt ein vorheriges Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden auf und betont die Auskunftspflicht des Oberbürgermeisters gemäß der Sächsischen Gemeindeordnung. Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie juristische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen um historische Straßenbezeichnungen immer wieder für Konflikte sorgen.

Hintergrund: Anfrage zur Namensherkunft der Mohrenstraße

Der Fall dreht sich um eine Anfrage des klagenden Stadtrats, der im Kontext einer öffentlichen Debatte zur Umbenennung der Mohrenstraße wissen wollte, warum die Straße Anfang des 20. Jahrhunderts ihren heutigen Namen erhielt. Der Oberbürgermeister hatte die Beantwortung der Frage verweigert und argumentiert, dass es sich nicht um eine aktuelle Angelegenheit handele und daher keine Pflicht zur Antwort bestehe.

Das Verwaltungsgericht Dresden hatte in erster Instanz die Position des Oberbürgermeisters bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts war die Anfrage nicht relevant genug, um eine Beantwortung im Rahmen der Verpflichtungen gemäß der Sächsischen Gemeindeordnung (§ 28 Absatz 6) zu rechtfertigen.

Oberverwaltungsgericht widerspricht: Anfrage war rechtmäßig

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht sah dies anders und urteilte zugunsten des Stadtrats. Es stellte fest, dass der Oberbürgermeister durch die Nichtbeantwortung der Anfrage die Rechte des Stadtrats verletzt hat. Laut § 28 Absatz 6 der Sächsischen Gemeindeordnung sind Bürgermeister verpflichtet, Anfragen zu einzelnen Angelegenheiten der Gemeinde innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten.

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts betonten, dass die Anfrage des Stadtrats eine „einzelne Angelegenheit“ der Gemeinde betraf. Sie bezog sich auf die historische Namensgebung einer Straße, die im Verantwortungsbereich der Stadt liegt. Angesichts der laufenden öffentlichen Diskussion über eine mögliche Umbenennung der Mohrenstraße habe die Anfrage zudem einen aktuellen Bezug zur Arbeit des Stadtrats.

Der Oberbürgermeister hätte den Kläger auch nicht darauf verweisen dürfen, selbst im Stadtarchiv nachzuforschen, so das Gericht. Es sei Aufgabe des Oberbürgermeisters, die Anfrage direkt zu beantworten. Die Revision gegen das Urteil wurde vom Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Der Stadt Radebeul bleibt lediglich die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einzulegen.

Diskussion um Mohrenstraße nicht neu

Bereits vor einiger Zeit gab es ein Wiederaufflammen der Diskussionen rund um die Mohrenstraße. Ein Fehler in den Katasterunterlagen wurde behoben und in diesem Zug erfolgte die Zuordnung von vier Grundstücken zur Mohrenstraße. Die Mehrheit des Stadtrats entschied sich entsprechend dafür und verlängerte so die Mohrenstraße, sehr zum Missfallen von Martin Oehmichen, Stadtrat der Fraktion Bürgerforum/Grüne Radebeul/SPD. Für ihn war der Schritt ein falsches Zeichen. Ein Dutzend Jugendliche der Gruppierung RIKA (Rassismus ist keine Alternative) hatten vorab einen Brief an den Stadtrat geschickt und sprachen davon, dass sie den Begriff Mohr als rassistisch empfinden und forderten die Umbenennung der Straße. Als Unterstützung stellte die Fraktion einen Antrag auf eine Grundsatzdiskussion. Es folgte jedoch eine Ablehnung durch den demokratisch legitimierten Stadtrat.

2021, in der März-Ausgabe des Amtsblattes, erschien eine Karikatur, in der ein Kind beim Mittagessen klagt, es „hasse Mohrrüben“. Daraufhin serviert die Mutter Karotten, um den „rassistischen Begriff“ zu umgehen. Die Stadtratsfraktion Bürgerforum/Grüne Radebeul/SPD fragte sich, ob dies die Antwort des Bürgermeisters gewesen sei. Eva Oehmichen, die Fraktionsvorsitzende, kritisiert die Karikatur als „völlig daneben“ und bezeichnet sie als „Eingriff in eine Debatte, die noch gar nicht öffentlich breit geführt wurde“.

Ähnliche Diskussionen gab es bereits in anderen Städten, welche teils eine Umbenennung der Straßen erreichten. Der Hintergrund der Bezeichnungen ist dabei nicht immer ganz klar und auch nicht immer als Abwertung eingeführt worden; klar ist, dass die Bezeichnung Mohr eine Fremdbezeichnung ist. Wahrscheinlich geht das Wort dabei auf die Bedeutung eines lateinischen Begriffes zurück und bedeutet am Ende „schwarz“, allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten. Ganz sicher ist man sich darüber heute weiterhin nicht.

Die „Mohrenapotheken“ haben ihre Wurzeln in der Heilkunst der heutigen Maghreb-Staaten und des Nahen Ostens. Das „Drei Mohren Hotel“ in Augsburg ehrte drei Mönche, und der „Freisinger Mohr“ im Wappen von Papst Benedikt XVI. erinnert an seine Zeit als Erzbischof von München und Freising, wo der „Mohr“ als Symbol für die Souveränität der Fürstbischöfe galt. Darstellungen sind jedoch oft stereotypisch: ein schwarzer Kopf mit dicken Lippen, oft mit großem Ohrring, Turban oder weiten Hosen (Plunderhose).

Fazit:

In jüngerer Zeit ist die Diskussion um Bezeichnungen wie „Mohr“ jedoch zunehmend in den Fokus gesellschaftlicher Auseinandersetzungen gerückt. Kritiker argumentieren, dass solche Begriffe, unabhängig von ihrem historischen Ursprung, heute als diskriminierend wahrgenommen werden und dazu beitragen können, rassistische Stereotype zu reproduzieren. Befürworter der Beibehaltung betonen hingegen die historische und kulturelle Bedeutung der Bezeichnungen und warnen vor einem Verlust an lokalhistorischer Identität.

Die Auseinandersetzung um die Mohrenstraße in Radebeul ist exemplarisch für den schwierigen Umgang mit historischen Begriffen in der heutigen Zeit. Dabei stellt sich die Frage, wie eine Gesellschaft ihre Vergangenheit reflektieren und gleichzeitig in die Zukunft blicken kann. Eine Umbenennung der Mohrenstraße in Radebeul steht zumindest nicht direkt an – klar ist jedoch, dass das Thema sowohl juristisch als auch gesellschaftlich weiterhin für Diskussionen sorgen wird.

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Kurz & Bündig

Warum ist der Begriff „Mohr“ umstritten?

Der Begriff wird von einigen Menschen als rassistisch empfunden, da er Stereotypen reproduziere und diskriminierend wirke.

Was entschied das Oberverwaltungsgericht in diesem Fall?

Das Gericht entschied, dass der OB die Anfrage des Stadtrats zur Namensherkunft der Mohrenstraße hätte beantworten müssen.

Welche Rolle spielt die Gemeindeordnung in diesem Fall?

Gemäß § 28 Abs. 6 der Sächsischen Gemeindeordnung sind Bürgermeister verpflichtet, Anfragen von Stadträten zu beantworten.

Quellen:
Eigene Recherchen – ONS
Oberbürgermeister der Stadt Radebeul musste Anfrage eines Stadtrats zur Benennung der Mohrenstraße beantworten
SächsOVG, Urt. v. 27. November 2024 – 4 A 212/23
Bild:
null, Bautzen Sächsisches Oberverwaltungsgericht 22.05.2012 p, Farbgestaltung, Fotomontage von obiaushv.de, CC BY-SA 3.0

Von Oberstein News Service

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