Die Diskussion um Bezahlkarten für Flüchtlinge: Bayern will vorpreschen, doch viele Fragen zur Umsetzung und Wirksamkeit bleiben offen.

Bezahlkarten: Söder will der Gemeinste sein

Bezahlkarten Flüchtling Söder Symbolbild

In der aktuellen Debatte um die Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge steht Bayern mit seinem Vorstoß im Fokus der Aufmerksamkeit. Ministerpräsident Söder drängt auf eine rasche Umsetzung und möchte die Funktionalität sogar auf bestimmte Regionen begrenzen. Doch diese Initiative wirft eine Vielzahl von Fragen auf, insbesondere angesichts früherer Versuche, wie dem gescheiterten Projekt in Erding im Jahr 2016 oder Berlin.

Söders Sonderweg?

Bereits 14 Bundesländer haben sich für die Bezahlkarte ausgesprochen, doch Bayern will möglichst vor allen anderen Ländern die Bezahlkarte einführen. Überweisungen und Bargeld sollen damit möglichst bald eingeschränkt werden. Gegenüber der »BILD am Sonntag« sagte er: „Unsere Bezahlkarte kommt schneller und ist härter.“1

Die „Bayern-Karte“ soll möglichst wenig Bargeldauszahlungen ermöglichen. Teils wird nur noch von 50 Euro Bargeld pro Monat gesprochen. In vier Kommunen soll die Karte bereits im Frühjahr eingeführt werden. Ausgewählt wurden dafür die Kommunen Günzburg, Traunstein, Fürstenfeldbruck und Straubing.
Im Landkreis Traunstein soll die Einführung bereits am 1. März erfolgen. Der Landrat und CSU-Mitglied Siegfried Walch bestätigte dies gegenüber der Presse.

Die Leistungen von aktuell 460 Euro für alleinstehende Personen können in Form von Sachleistungen oder Geld übergeben werden. Es gibt jedoch einen Anspruch auf „Taschengeld“ in Höhe von 182 Euro pro Monat, diesen Betrag will man in Bayern jedoch senken. Die „Bayern-Karte“ soll zudem nur in der Nähe der Unterkunft einsetzbar sein. Online-Einkäufe sollen zudem vollständig verhindert werden. Söder überbietet somit alle bisher bekannten Vorschläge von demokratischen Parteien. Bayerns Weg ist deutlich, man will härter sein als alle anderen Bundesländer. Asylbewerber sind hier nicht willkommen, so zumindest kann man die Richtung des CSU-Vorsitzenden verstehen. Söder brüstet sich mit der Härte gegen Schutzsuchende – für eine scheinbar christliche Partei ein zumindest merkwürdiges Verständnis der Lehre Christie.

Karten sollen falsche Anreize verhindern

Die Befürworter der Bezahlkarte argumentieren damit, dass die Karten falsche Anreize für eine Migration verhindern würden. Einer der Hauptgründe für die Bezahlkarte, so Boris Rhein (CDU), der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, sei die Möglichkeit, die Überweisung von staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu verhindern.

Wie groß das mutmaßliche Problem ist, scheint jedoch unbekannt. Die Bundesregierung kann die Dimension dieser Überweisungen weder in Höhe der Beträge noch ihrer Häufigkeit angeben. Bundesfinanzminister Lindner (FDP) wollte dies seit dem Herbst zwar ergründen, doch immer noch kann das Ministerium nicht einmal eine Schätzung abgeben.

Die Bundesbank schätze den Anteil 2022, welche Migranten in die Heimatländer überweisen, auf 7,2 Milliarden. Allerdings gingen gut 5,2 Milliarden Euro an europäische Länder. Zudem beziehen sich die Zahlen auf alle Migranten und nicht nur auf Asylbewerber. Nach Afrika gingen laut den Daten der Bundesbank 402 Millionen Euro.2

Schwarzmärkte lassen sich zudem mit einer Bezahlkarte nicht trocken legen. Ein Betrug durch Händler ist eben möglich. Alkohol oder andere eventuell verbotene Waren lassen sich so weiterhin beschaffen, nur zu teureren Konditionen. Solche Maßnahmen lassen sich eben mit genug krimineller Kreativität umgehen. So wird aus dem Wodka eben ein Kochtopf.

Mehraufwand und höhere Kosten dank Bezahlkarte

Die Einführung der Bezahlkarten wird einen Mehraufwand für die Kommunen bedeuten, was selbst Befürworter zugeben müssen. Gerechtfertigt wird diese jedoch mit dem Argument der Verhinderung von Missbrauch. Jedoch stellt sich die Frage, was dieser Missbrauch sein soll. Die Leistungen für Asylsuchende liegen schon jetzt unterhalb des Bürgergeldniveaus (maximal 460 Euro pro Erwachsenen). Es ist also fraglich, wie viel Geld überhaupt in das Ausland transferiert werden kann.

Daneben stellt sich die Frage, ob bei einer Überweisung in die Herkunftsstaaten überhaupt ein Missbrauch vorliegt. Die Leistungen sind zwar hauptsächlich für die Sicherung der Existenz gedacht, doch wer kann es als Missbrauch ansehen, wenn man die Eltern oder die Ehefrau im Herkunftsland unterstützt?

Ein Mehraufwand ist in der Verwaltung immer mir mehr Personalstunden verbunden. Entweder man stellt für diesen Bereich extra neue Mitarbeiter:innen an, oder in anderen Bereichen wird die Personaldecke weiter ausgedünnt. Anstellungen sind naturgemäß mit höheren Kosten verbunden. Die Ausstellung solcher Karten muss geplant und organisiert werden. Banken werden sich den Service von Guthabenkonten sicherlich bezahlen lassen, ebenso die Herausgeber der Karten und die Entwickler des Systems.

Fraglich ist aktuell zudem noch, wo die Karten am Ende wirklich verwendet werden können. Bayern möchte die Zahlungen nur für Dinge des alltäglichen Bedarfs erlauben. Kartenterminals müssen die Karten zudem akzeptieren. Verschiedene Hersteller werden sich diesen zusätzlichen Aufwand ebenfalls versilbern lassen. Die Kosten werden so über die zustehenden individuellen Summen hinaus anfallen.

Bezahlkarte in Erding scheiterte

Bereits im Mai 2016 führte man im Landkreis Erding eine Bezahlkarte eine, welche dort KommunalPass getauft wurde. Geflüchtete sollten überall dort einkaufen und bezahlen können, wo Karten von Maestro akzeptiert wurden. Damit waren sie theoretisch in allen größeren Geschäften einsetzbar. Bis zu 43 Prozent der zustehenden Geldleistungen ließen sich nach anfänglichen Problemen auszahlen.

Leider funktionierten die Karten oft nicht, was zu Kritik des Sozialausschusses des Landtages führte.3 Eine Petition mit über 3.000 Unterschriften wurde im Landtag eingereicht. Der Sozialausschuss empfahl die Überweisung auf ein Bankkonto und die Abschaffung des KommunalPasses. Der Landrat wollte jedoch weiter an der Karte festhalten.

2020 geriet der Finanzdienstleister Wirecard im Zuge des Betrugsfalls in die Insolvenz. Die Zahlungsabwicklung war nicht mehr möglich. So endeten dort auch die Probleme mit der Bezahlkarte. Laut dem Landrat wäre ein anderer Dienstleister zu teuer gewesen.4 Banküberweisungen waren am Ende das günstigste und beste Modell.

Bewegungsprofil dank Bezahlkarte?

Nach den Plänen von Markus Söder sollen die Karten nur nahe dem Wohnsitz der Geflüchteten verwendet werden können. Technisch lässt sich dies über eine Freischaltung für bestimmte Postleitzahlen erreichen, zumindest wenn die Bezahl-Terminal-Betreiber solche Informationen entsprechend verarbeiten.

Bezahlkarten wurden der bayrischen Regierung jedoch schon einmal angeboten, und zwar von der Firma Wirecard. Damals wurde besonders mit der Bewegungsprofil-Funktion geworben. Der flüchtige Wirecard-Manager Jan Marsalek hat seit 2016 genau für diesen Service geworben und war 2019 in Gesprächen mit dem Sozialministerium. Die „Flüchtlingscard“ schafft es sogar in den Koalitionsvertrag. Am Ende dürfte die Insolvenz und der Betrugsfall diese Idee zumindest zeitweise beerdigt haben.

Idee stammt aus den 90ern

Die Idee für ein solches System ist jedoch nicht neu. Bereits 1998 führte man dies in vier Berliner Bezirke ein. Die damalige Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) sagte damals: „Der Anreiz, ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen, wird mit der Einführung des Chipkartensystems nicht mehr so groß sein.“((https://www.berliner-zeitung.de/archiv/80-geschaefte-akzeptieren-plastikgeld-sozialsenatorin-modell-fuer-kriegsfluechtlinge-asylbewerber-kaufen-ab-august-mit-chipkarte-ein-li.806387)) Jedoch funktionierte das System ziemlich schlecht. Viele Händler akzeptierten die Karte nicht. Zu Beginn konnten Asylsuchende nur in 42 Geschäften in Berlin einkaufen.5 Discounter beteiligten sich oftmals nicht, was zu teuren Einkäufen führte.

Auch die Idee der Einschränkung von bestimmten Produkten oder Leistungen waren nicht neu. Alkohol und Zigaretten durften nicht eingekauft werden. Nur Lebensmittel, Körperpflegeartikel und Haushaltsbedarf waren erlaubt, also ähnlich wie Söder es für Bayern möchte. Nur schon damals gab es Probleme bei der Auslegung, was zu diesen Produktgruppen gehöre. So gab es Berichte darüber, dass man Kochtöpfe nicht als Haushaltsbedarf angesehen hat und den Verkauf verweigerte.6

2002 zurück zum Bargeld

Im Jahr 2002 entschied man sich zurück zum Bargeld zu wechseln, auch wegen der Kosten für das System. Der Anbieter der Karten, die damalige Firma Infracard (später Sodexho), erhielt 1,5 Prozent der Kartenumsätze.7 2001 waren das immerhin 113.788 D-Mark.

2002 endete das System für alle Erstaufnahmeeinrichtungen, nur hier konnte das Land Berlin die Verträge selbst beenden. Einige Bezirke hielten noch etwas länger am System fest. 2007 kündigte Sodexho den letzten Vertrag mit dem Bezirk Spandau, aus wirtschaftlichen Gründen. Nur noch 120 Personen haben die entsprechende Karte zu diesem Zeitpunkt benutzt.8

Quellen:
Im Text entsprechend markiert
Eigne Recherche

  1. Söders Knallhart-Bezahlkarte: Nur noch 50 Euro Bargeld pro Flüchtling | Politik | BILD.de[]
  2. Zahlungsbilanz | Deutsche Bundesbank[]
  3. Erdinger Landrat bleibt beim Kommunalpass für Asylbewerber | BR24[]
  4. Erding Asyl: Überweisung statt Bares vom Amt Kommunalpass (merkur.de) []
  5. k133900.pdf (parlament-berlin.de) []
  6. chipini_chipkarten.pdf (fu-berlin.de) []
  7. ka15-0313.pdf (parlament-berlin.de) []
  8. Gutschein, Bargeld oder Verpflegung? (ND, 31.01.07[]

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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