Prostitution Symbolbild

Heute hat der Ausschuss für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung des Europäischen Parlaments einen Bericht angenommen, welcher die Prostitution verbieten will und darin eine Gewalt gegenüber Frauen sieht.

System der Prostitution sei zutiefst sexistisch, rassistisch und marginalisierend

Wie Maria Noichl (SPD – S&D Fraktion im EU-Parlament) mitteilte, sei das System hinter der Prostitution „zutiefst sexistisch, rassistisch und marginalisierend“ und würde „die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern“ widerspiegeln. Ein großer Teil der Menschen in der Prostitution sollen dabei aus dem Ausland stammen, dies bestätigen auch Zahlen aus dem Jahr 2019. Demnach haben vier von fünf Menschen aus dem Bereich der Sexarbeit einen Migrationshintergrund. Der größte Teil stammt dabei allerdings aus Ländern der Europäischen Union. Allerdings aus Staaten mit deutlich schlechteren wirtschaftlichen Voraussetzungen als Deutschland. Die meisten Prostituiert:innen kamen nach diesen Zahlen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn.

Laut Noichel würden die liberalen Prostitutionsgesetze „die Alternativlosigkeit, den Zwang, die Stigmatisierung und die Gewalt“ übersehen, welche für die „meisten Frauen in der Prostitution Alltag“ sein.
Im Bericht habe man daher deutlich gemacht, dass Prostitution eine Form von „geschlechtsspezifischer Gewalt“ sei.

Nordisches Modell gefordert

Der Bericht forciert daher eine Einführung eines europaweiten Ansatzes, welcher auf dem Nordischen Modell basieren solle. Das Modell wurde erstmals 1999 in Schweden eingeführt und stellt ein Verbot der Prostitution dar. Allerdings werden nach dem Modell nur die Kund:innen belangt. Klares Ziel dieses Modell ist die Bekämpfung der Prostitution. Neu ist ein solches Vorhaben auf EU-Ebene nicht. Aus demselben Ausschuss gab es bereits einen ähnlichen Bericht. Berichterstatterin war damals Mary Honeyball (Labour Party). Das europäische Netzwerk von Sexworker-Organisationen (ICRSE) kritisierte den damaligen Bericht scharf. Bereits damals war eine förmliche Verschmelzung von Sexarbeit und Menschenhandel erkennbar. Man sah dort vollem eine Bedienung eines Klischees, dass alle Frauen in der Prostitution Opfer von Menschenhändlern sein.

Grundsätzlich gibt es zudem das Problem, was genau mit dem Nordischen Modell gemeint ist? Prinzipiell sind die Gesetzte aus dem nordischen Raum dazu ähnlich, aber an einigen Stellen doch sehr unterschiedlich. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International übte 2016 Kritik gegen das Nordische Modell aus Norwegen. Man lehnte das Modell ab und sah Versäumnisse in den „internationalen Verpflichtungen zur Achtung, zum Schutz und zur Erfüllung der Rechte von Menschen, die Sex verkaufen“. Laut Amnesty International würde Norwegen diesen Pflichten nicht nachkommen.

Laut Human Rights Watch sollte Sexarbeit entkriminalisiert werden. So sei eine „Kriminalisierung von freiwilligem und einvernehmlichem Sex unter Erwachsenen – einschließlich des kommerziellen Austauschs sexueller Dienstleistungen“ mit dem Menschenrecht nicht vereinbar. Human Rights Watch positioniert sich dabei ausdrücklich auch gegen das Nordische Modell. Aus der Sicht der Organisation würden Befürworter des Modells die Sexarbeit „als von Natur aus schädlich und erzwungen“ betrachten und würden diese enden lassen wollen, „indem sie die Nachfrage nach Transaktionssex unterdrücken“. Human Rights Watch sieht in der Sexarbeit ausdrücklich keine Form von sexueller Gewalt und befürchtet beim nordischen Modell Einschnitte für die Sexarbeiter:innen. Zum einen könne es, für diese Personen schwieriger werden, ihr Lebensunterhalt zu verdienen und es könne zu Auswirkungen auf gewerkschaftliche Zusammenschlüsse geben. Man sieht jedoch das Problem, dass die Menschen, welche freiwillig Sexarbeit leisten, oft aus schwierigen Verhältnissen kommen. Oft sein diese Menschen zudem mit Diskriminierung und Ungleichheit konfrontiert. Die Organisation möchte jedoch früher ansetzen und sieht eine Verbesserung der Bildungssituation, „finanzieller Unterstützung, Berufsausbildung und -vermittlung“ als entscheiden Punkt an.

Die Forderungen wurden am 26. Juni erneuert. Verschiedene Organisation forderten auf, gegen den Bericht zustimmen.

Bekämpfung der Prostitution?

Etwas deutlicher in den Worten wurde Heléne Fritzon, S&D-Europaabgeordnete und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments: „Die heutige Annahme des Berichts ist ein klares Signal und fordert europäische Lösungen zur Bekämpfung der Prostitution!“ Weiter heißt es, die EU müsse handeln, „um den Handel mit Frauenkörpern auf dem Binnenmarkt zu stoppen.“ Außerdem solle die Arbeit „zur Beseitigung aller Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt“ verstärkt werden.

Schaut man sich nun den Entwurf des Berichts an, wird eine Vermischung der Themen Kinderprostitution, Menschenhandel und Prostitution deutlich. Interessent ist zudem, dass der Bericht die Kriminalisierung und Entkriminalisierung zugleich kritisiert. Bei dem erstgenannten verweist man auf den Mangel an Rechtssicherheit und argumentiert hier sogar ähnlich, wie Human Rights Watch. Als negative Folgen der Entkriminalisierung verweist man auf den Menschenhandel.
Demnächst beschäftigt sich dann das Parlament mit dem Bericht. Die Prognose geht von einem Datum im November aus.

Fazit

Es bleibt jedoch unschlüssig, warum das Nordische Modell einen besseren Schutz dagegen bieten soll. Menschenhandel ist bereits jetzt in der gesamten EU geächtet und eine Einführung würde nur die Nutzer:innen der Dienstleistung beeinträchtigen. Verdeckter Menschenhandel bliebe somit weiter möglich, auch würden die Sexarbeiter:innen nicht daran gehindert werden, der Arbeit nachzugehen.
Allerdings würden Kund:innen sich einem Verfolgungsdruck ausgesetzt sehen. Am Ende kommt die Vermutung auf, dass man damit die Sexarbeit unter Druck setzten will und so nur ein Ende dieser herbeiführen möchte. Selbst ein vollständiges Verbot dürfte wohl kaum den Menschenhandel beenden.

Wichtig ist sicherlich eine Unterstützung der Menschen mit Bildungsangeboten und einer sozialen Absicherung, was die Prostitution aufgrund von Armut verhindern kann. Wesentlich ist dafür eine bessere Unterstützung von einkommensschwachen Familien in der gesamten EU. Allein in Deutschland gibt es eine extreme Ungleichheit bei der Bildungschance. Die Einführung eines Modells, welches Kund:innen als Kriminelle sieht, ändert daran nichts.

Am Ende soll nach den Vorstellungen des Berichts und des Ausschusses die Prostitution abgeschafft werden. Die Kund:innen sollen bestraft werden, dies wird so gefordert. Wichtig im Bericht ist jedoch die Forderung nach „Maßnahmen zur Bekämpfung von wirtschaftlichen“ Ursachen.

Sicherlich ist es auch richtig, dass es mehr Engagement in der Bekämpfung von Menschenhandel benötigt und ebenso gibt es einen Bedarf an Schutz vor Ausbeutung. Am Ende ist dies jedoch weniger einer Frage, Pro oder Contra Prostitution. Wer freiwillig und ohne Not in diesem Bereich arbeitet, darf nicht seiner Geschäftsgrundlage beraubt werden. Niemand steht es zu über Sexarbeiter:innen ein Urteil zu fällen, nur weil diese in dem Bereich arbeiten wollen. Es ist fraglich, ob die gesamte Branche als Ausbeutung gewertet werden sollte. Oft scheint es so, als wäre es für einige Menschen nicht denkbar, dass dieser Beruf eine freiwillige Wahl sein könnte. Frauen, Kinder und Männer vor dem Menschenhandel zu schützen ist wichtig, an dieser Stelle sollten wir uns alle einig sein.

Ob man jedoch Sexarbeit einseitig kriminalisieren sollte, kann man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. In der Branche gibt es sicherlich schwarze Scharfe, Ausbeutung und Gewalt, diese gilt es zu bekämpfen genau wie Armut. Ansonsten bleibt es Kund:innen und Sexarbeiter:innen überlassen, was sie tun. Persönlich finde ich Sexarbeit nicht ansprechend als Dienstleitung, weil mir die Gefühle und Beziehung fehlen würden. Daher kam dies für mich nie infrage. Nur kann ich dies aufgrund meiner eignen Wertvorstellungen niemanden untersagen. Prostitution gilt nicht umsonst als „ältestes Gewerbe der Welt“.
Selbst ein Verbot würde dagegen wohl kaum ankommen. Der Bedarf ist vorhanden – Alternativen kaum ansprechend. Und wie das bei Sexualassistenz ist, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.

Quellen:
Norway: The human cost of ‘crushing’ the market: Criminalization of sex work in Norway
Why Sex Work Should Be Decriminalized Questions and Answers
Bericht (Committee draft report + Amendments tabled in committee)

Von Steven Oberstein

Steven Oberstein oder auch besser bekannt unter dem Pseudonym OBIausHV ist freier Journalist und beschäftigt sich in letzter Zeit vor allem mit der Corona-Pandemie, ansonsten schreibt er über folgende Themen: Medienkritik, Gesundheit/Medizin (Coronavirus, Anthroposophie, Homöopathie), Politik und Technik.

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